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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.09.1925
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- 1925-09-15
- Erscheinungsdatum
- 15.09.1925
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- Deutsch
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x° 216, 15. September 1925. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dljchn. Buchhandel. 13763 —, das schien mir fast ein Plagiat an Bellamh nnd seinem lehr reichen »Rückblick ans dem Jahre 2000« zu sein! Als der Arzt wiederkam und mich »schonend vorbereiten« wollte, bat ich mir zuerst einen handfesten Alkohol aus. Gottlob, es gab noch einen, an dessen Wachstum ich mich noch erinnern konnte, ja den ich vielleicht selbst hatte reifen sehen . . . Der Wein war mir wichtiger als die Erzählung des Doktors; denn die kannte ich schon ungefähr aus dem »Bellamy«. Allerdings hatte ich nicht die ganze Zeit über in einem wohlverschlossenen Keller gelebt, sondern man hatte mich bewußtlos unter den Trümmern meines Hauses aufgefunden und dann ins Krankenhaus gebracht, wo man mich ebenso gewissenhaft pflegte, wie man mich als Wnnderwesen anstaunte und vorsührte. Jeder aus dem Krankenhaus scheidende Arzt, jede abgehcnde Krankenschwester war neidisch auf den Nachfolger, bei dem ich aufwachen würde. Speise und Trank, die man mir vorsetzte, mundeten mir ausge zeichnet. Aber ich wunderte mich darüber, das; ich eigentlich keinen außergewöhnlichen Hunger hatte, wie ich vermuten wollte; denn an meine letzte Mahlzeit hatte ich gar keine Erinnerung mehr. »Wie haben Sie mich denn die vielen Jahrzehnte über ernährt?« fragte ich daher meinen Pfleger. »Durch Einspritzen besonderer Nährstoffe ins Blut«, erwiderte der Arzt. »Dadurch wurden die Zellen, aus denen bekanntlich der menschliche Körper besteht, stabil und die Magentütigkeit wie der Stoffwechsel völlig ausgeschaltet. Dieses Verfahren beruht auf den Entdeckungen des derzeit bedeutendsten Mediziners, des Geheimrats Bonano, der kürzlich seinen sechzigsten Geburtstag beging.« Das klang ja wie ein phantastischer Roman, und ich beschloß, das erste Buch, das ich zur Hand nehmen wollte, sollte ein Werk dieses genialen Arztes sein. »Zweifellos hat dieser Gehcimrat Bonano ein Buch über seine Ernährungsmethode und seine Forschungen überhaupt geschrieben?« »Gewiß. Sic finden es in jeder großen Bibliothek.« »Ich will das Buch nicht leihen; ich will es kaufen. Soviel glaube ich meinem Lebensretter doch schuldig zu sein.« »Sicher erhalte» Sie es in einem Antiquariat.« »Ist es denn vergriffen?« Das nicht, aber es ist als Veröffentlichung des Vereins der Arzte erschienen und infolgedessen nur den Mitgliedern zugänglich. Ach, Sie wissen es ja noch nicht: die gesamte medizinische Literatur erscheint seit vielen Jahren ausschließlich tm Verlage des Vereins der Arzte. Die Mitglieder — unter denen kaum ein Arzt Deutschlands fehlen dürfte erhalten jedes Jahr ein paar größere und kleinere Bücher und können außerdem noch unter einigen weiteren Spczialwerkcn eine Auswahl nach ihrem Belieben treffen. Und man sagt allgemein, daß die Bücher nun billiger wären als ehedem, wo man sie in den Buch handlungen kaufen mußte. Ich kann das natürlich nicht entscheiden, denn ich habe damals noch nicht gelebt.« »Also erscheinen jährlich nicht mehr als etwa sechs bis acht medi zinische Werke?« »Das ist zu niedrig gegriffen. Sie müssen noch die besonderen Veröffentlichungen für die Fachärzte daznrechncn, dann kommen Sie auf zwanzig bis fünfundzwanzig größere Werke und Broschüren.« »Genügt denn diese Anzahl für alle Fachleute, die etwas zu sagen haben?« »Die Leitung des Vereins bemüht sich außerordentlich, möglichst vielseitig zu sein. Wer in diesem Jahre nicht an die Reihe kommt, hat immer noch die Aussicht für das nächste oder ein späteres Jahr.« »Und wer gar nicht ürankommt, oder mit den Anschauungen der Vereinsleitung nicht iibereinstimmt?« »Es wird ja fortwährend von der Opposition im Verein darum gekämpft, daß auch einmal die Ergebnisse anderer als der eben Herr schenden Schulen der Fachwelt unterbreitet werden sollten. Aber die verschiedenen Richtungen haben sich noch niemals einigen können. In folgedessen wird von manch einem der Versuch unternommen, ein Werk auf eigene Kosten drucken zu lassen. Aber zumeist schlägt der Versuch fehl, da eS den Verfassern gewöhnlich an der Möglichkeit ge bricht, ihr Werk auf billigem Wege den Interessierten Kreisen bekannt zu geben. Unterdessen bleibt nur die Hoffnung, daß einer nicht allzu fernen Zeit eine Lösung gelingen möge, die allen Beteiligten gerecht wird. Auch stehen wir Arzte da nicht allein; den anderen wissenschaft lich Arbeitenden, den Juristen, Philosophen, Theologen, ergeht es ebenso.« »Die Zeit«, mußte ich da erwidern, »die Zeit ist es nicht, die eine Lösung findet. Dies müssen die Menschen schon selber besorgen! Wie steht es dann mit den Studenten? Benötigen denn sie keine Bücher?« »Sehr wenige. Und diese bekommen sie in ihren Bibliotheken. Daß Eigenbesitz von Büchern für das Studium entbehrlich sei. davon haben die Professoren ihre Schüler schon vor vielen Jahrzehnten über zeugt. Ferner lassen manche Universitätslehrer ihre Vorlesungen drucken und geben sie an ihre Schüler ab.« »Wenn nun zum Beispiel ein Student in Marburg gern die An sicht seiner Lehrer mit der eines Berliner Professors vergleichen möchte, wie kann er da die Schrift des letzteren erhalten?« »Indem er diesen brieflich darum ersucht.« »Ist das nicht sehr lästig, neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit noch die eines Versandgeschästs besorgen zu müssen?« »Gewiß. Darum geben die meisten Universitätslehrer die ge druckten Texte ihrer Vorlesungen nur an ihre unmittelbaren Hörer ab . . . Aber wir haben uns schon länger unterhalten, als Ihnen zu träglich ist. Weit» Sie morgen Ihren ersten Ausgang unternehmen wollen, sv müssen Sie sich für heute noch etwas Ruhe gönnen.« Er verabschiedete sich, und ich war allein. Verwundert dachte ich über das Gehörte nach. Das war ja ein merkwürdiger Fortschritt! Vielleicht war auch alles andere tm öffent lichen Leben so gründlich umgekrempelt, daß ich gar nicht in die neuen Verhältnisse hineinpaßte. Allein ich wollte mich nicht mit Mutmaßun gen quälen, sondern trank den Nest des Weins und schlief ein . . . Nachts träumte ich, ich wäre ans Grund des »Gesetzes zum Schutze des Fortschritts der allgemeinen Zivilisation« angcklagt und sollte der thermischen Vernichtungsanstalt überwiesen werden. Aber man be gnadigte mich zur dauernden Internierung in einem wohlverschlossenen Glaskasten des Staatlichen Museums . . . Im Bureau der Versicherungsgesellschaft wurde ich merkwürdig zuvorkommend empfangen. Mein Anspruch auf Ersatz für mein ab gebranntes Haus war vor Verjährung geschützt, und ich erhielt die be stimmte Zusage, daß längstens binnen vierzehn Tagen mein neues Haus fix und festig dastünde, wohin ich es haben wolle. Man baute die Häuser nicht mehr aus Steinen auf, sondern man goß sie aus Beton in Formen. Alles war vereinheitlicht und normalisiert. Aus einem Katalog ersah ich, daß mir auch eine Menge nützlicher wie ent behrlicher Dinge mit geliefert würde, und ich freute mich schon in Gedanken darauf, daß ich eine Anzahl der mir zustehenden Dinge wieder hinauswerfen konnte. Ich habe mich niemals über Wertloses und Entbehrliches mehr gefreut, als wenn ich mich ihrer entledigen konnte. Meine Schränke und Schubladen waren nun gefüllt. Nur der Bücherschrank war noch leer. Lächelnd mußte ich an jene Witzblatt- sigurcn denken, die mit dem Erwerb eines Bücherschrankes auch die Verpflichtung des Bücherkaufes übernahmen und nun darangingen, meterweise Literatur zu Hamstern. Ich fragte also nach einem Buchladen. Man sah mich verständnislos an. »Wo kann ich Bücher kaufen?« wiederholte ich. »In jedem Trödelladen. Bessere in den vornehmen Antiquitäten geschäften. Aber Sie wollen wohl lieber neue Bücher haben? Ta gehen Sie am besten in die Geschäftsstelle des Verbandes der Bücher freunde. Das ist der größte derartige Verein.« Ich betrat das Haus, in das man mich gewiesen. »Ich möchte einige Bücher kaufen. Ich habe durch ein Unglück meine Bibliothek eingebüßt und muß jetzt von vorn beginnen. Geben Sie mir, bitte, Ihren Katalog!« »Ist der Herr schon bet uns Mitglied?« Ich mußte verneinen. Dann könnte ich keine Bücher bekommen. Hingegen als Mitglied hätte ich das Anrecht auf jährlich fünf Bände und könnte außerdem von den früher erschienenen Werken kaufen, soviel ich nur wollte. Ich bezahlte also den Beitrag und bekam sogleich die bereits erschienenen drei Bücher ansgehändigt. Eines war darunter, das mich nicht inter essierte, und ich wollte es Umtauschen. »Das geht nicht«, sagte der Angestellte des Vereins, »die fünf Bücher sind Pflichtbücher und müssen abgenommen werden. Ans den übrigen können Sie wählen, was Sie wünschen.« Das war merkwürdig, daß ich gezwungen werden sollte, etwas zu kaufen, das ich nicht wollte. Daher fragte ich nach dem Wesen dieser sonderbaren geistigen Diktatur. »Der Verband der Bücherfreunde«, begann der junge Mann,, »besteht seit vielen Jahrzehnten. Er versorgt heute sieben Millionen Mitglieder mit Lesestoff und bringt alljährlich neben den fünf Pflicht büchern noch ebcnsoviele Auswahlbücher heraus. Dadurch, daß die Auflagen nicht nur enorm hoch bemessen werden können, sondern auch 1811*
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