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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.09.1925
- Strukturtyp
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- 1925-09-15
- Erscheinungsdatum
- 15.09.1925
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- Deutsch
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1 3766vörsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 2.'6, 15. September 1925. Ei» altes Männlein mit langem weißem Haar und runzeligem, doch edel geformtem Gesicht, in dem die klaren Augen besonders ein- nahmen, trat auf uns zu und fragte nach unserem Wunsche. Mein Be gleiter hatte bereits einen Atlas von einem der ebenfalls mit Büchern bedeckten Tische genommen und erklärte, diesen kaufen zu wollen. Der Preis war vorn auf dem Titelblatt vermerkt, und er legte den Betrag auf den Tisch. »O bitte«, wehrte der merkwürdige Kaufmann ab. »Bezahlen Sie doch erst, wenn Sie das Buch erhalten haben. Ich werde es Ihnen zusenden.« »Das kenne ich bereits, ich habe noch keines der bei Ihnen gekauf ten Bücher jemals erhalten. Ich will daher den Atlas lieber sogleich mitnehmen.« Allein das vorliegende Exemplar, das letzte im Laden, könne nicht mehr abgegeben werden, da hierüber bereits verfügt sei. Der unerbittliche Kunde bestand aber auf seinem Kaufe, ja er führte sogar Nechtsgründc für seine Gültigkeit an. Kukuruz Lahemt bedauerte weiter, und als seine Höflichkeit nicht zu verfangen schien, verlegte er sich aufs Bitten: »Sie wollen mich doch nicht schädigen, lieber Herr?« »Durchaus nicht, denn hier ist der Betrag für das Werk.« »Ich kann nicht, nein, ich kann nicht, nein, o nein . . .« Und fast weinte er. »Sie wollen mich doch nicht bestehlen?« Der andere lächelte ironisch. Da brach ein Zorn, eine Leidenschaft aus, die ich in dem feinen alten Kopfe nicht vermutet hätte: »Ja, Sie wollen mich bestehlen, mich zugrunde richten, Sie alle! Mein letztes Buch wollen Sie mir wcg- nehmen! Plünderer seid Ihr! Schändliche Burschen!« Er sprang seinen Kunden an wie ein Raubtier das arglose Wild, eutris; ihm den Atlas, drückte ihn immer und immer wieder an seine Brust, während er singend in seinem Laden umhertanzte. Der In dianer Freitag mag so getanzt haben, als er im Kanu der Menschen fresser seinen alten Vater wiedergefunden: der heilige Tanz Davids vor der Bundeslabe war es nicht. Eine heidnische Freude am Bes tz überkam den Alten, und sein Gesicht erstrahlte in einem erhabenen Glanze. Als seine Freude endlich ruhig geworden war, ging er auf den vor kurzem uoch so heftig Beschimpften zu und gab ihm die Hand: »Sie sind ein edler Mensch! Morgen schicke ich Ihnen den Atlas, und Sie brauchen ihn nicht sogleich zu bezahlen.« Inzwischen hatte ich begonnen mich im Lager umzusehcn, und einen Stapel von Büchern, die ich erwerben wollte, zusammengetragen. Mein Begleiter klärte das Männlein über mich auf. worauf ich noch einmal und mit besonderer Herzlichkeit begrüßt wurde. Ich würde ohne Zweifel alle die Bücher, die einstmals mir wertvoll waren, hier wie- dcrfinden, wir sollten nur auswählen, was wir wollten. Er wiirde mir alles ins Haus schicken, und mit dem Bezahlen sollte es keine Eile haben. Daun wandte er sich mit ein paar entschuldigenden Wor ten in den Hintergrund seines Vcrkanfsraumes und schien Kontor- arbciten zu erledigen. »Hier genießt man den unbegrenztesten Kredit, den es überhaupt gibt«, flüsterte der Antiquitätenhändler mir zu. »Ich habe noch Ur inals eines der von mir bestellten Bücher bezahlt.« »Ist Kukuruz Lahemi so menschenfreundlich nnd dabei so reich, daß er sich das Vergnügen gestatten kann, seine Bücher zu verschenken?« »Ja, glauben Sie denn, die Bücher, die Sie nun kaufen wollen, jemals geliefert zu bekommeu?« »Ich wüßte keinen anderen Grund, aus dem ich mir dann die Mühe der Auswahl machte.« »Betrachten Sie das nicht als Mühe, neunen Sie es lieber ein Ver gnügen: meinetwegen auch eine angenehme Pflicht, als die unser Freund dort hinten seine geschäftliche Tätigkeit ansieht. Der arme Greis ist, ich will es Ihnen offen sagen, ein harmloser Narr, der mit einem Eifer, den kaum jeder wirkliche Geschäftsinhaber aufbringt, einem fingierten Berufe obliegt. Seine Verkäufe sind nur Scheinverkäufe. Sie dürfen sich aussuchen, was Sie wollen. Er stellt Ihnen darüber genaueste Rechnung aus — bares Geld nimmt er natürlich niemals an — und verspricht Ihnen, die Bücher zuzusendcn. Was aber nie ge schieht. Wollte etwa einmal ein Kunde ein Buch gleich persö ilich mitnehmen, so erfindet er die entlegensten Ausreden, verlegt sich aufs Bitten, ja scheut sogar vor Beschimpfung und Drohung nicht zurück. Sie waren ja Zeuge der Szene, die ich vorhin absichtlich hervorr! f, um Ihnen zu zeigen, daß es vollkommen unmöglich ist, hier ein Buch zu kaufen. Womit sollte er auch sein Lager wieder ergänzen? Er be stellt wohl Bücher bei den Verlegern, die es früher einmal gegeben hat. Sehen Sie: eben holt er sich von einem großen Stapel eine Nummer der früheren buchhändlerischen Fachzeitschrift. Ich glaube, sie hieß ^Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel' und erschien jeden W.rk- tag in der alten Buchhändlerstadt Leipzig. Heute wie vor vielen Jahr zehnten nimmt er jeden Werktag eine andere Nummer vor und s i st sich die ihm zusagenden Bücher heraus. Jede Woche geht dann in dicker Bestellbricf an seinen Leipziger Kommissionär ab. Da jed.'ch dieser ebensowenig noch vorhanden ist wie irgendeine andere Buch handlung, so kommen die Briefe immer wieder als unbestellbar zurück. Meistens schüttelt dieser Letzte seines Stammes den Kopf, als verstün >e er es nicht, daß sein Leipziger Geschäftsfreund, ehemals ein Haus von Weltruf, heute von der Post nicht mehr aufzusinden sei. Manch mal kann man ihn aber auch ganz zusammengekauert in einer Ecke seines Ladens sehen: er hält den prall gefüllten Briefumschlag in der Hand nnd blickt mit einer unsagbaren Traurigkeit darüber hinweg ins Leere, mit einer Traurigkeit, die keine Tränen mehr kennt und darum in ihrer Trostlosigkeit tiefer erschüttert als ein plötzlicher Ausbruch hef tigsten Schmerzes. Ich ging einmal an einem jener Tage hier vorbei, und da hörte ich einen mir Unbekannten zu einem anderen sagen' ,Wenn man diesen alten Mann in seiner grauenvollen Traurigkeit er blickt. möchte man fast glauben, daß mit den Buchhandlungen ein wesent licher Teil unsrer geistigen und sittlichen Kultur untergegangen sei.'« Der Buchhändler schien mit seiner Arbeit fertig zu sein. Er legte das Heft sorgfältig aus eiueu anderen Stoß und kam angeregt nach vorne. »Es erscheinen wieder wertvolle Bücher. Die Konjunktur für den Sensationsschund scheint endgültig vorbei zu. sein. Ich habe soeben wieder eine Menge schöner und guter Neuerscheinungen bestellt.« Dabei strahlte sein Gesicht eine fast überirdische Heiterkeit aus. »Es macht mir keine Freude«, fuhr er fort, »einen xbcliebigen Roman, der bloß seichter Unterhaltung dient, zu verkaufen. Auch die Zeit totzuschlagen ist ein verwerflicher und bestrafungswürdiger Mord. Man sollte sie lieber bis zur letzten Sekunde ausnützen! Kommt aber ein junger Mensch zu mir, und ich kann ihm sagen: dieses Buch zeigt Dir, was Du tun mußt, um es im Leben zu etwas zu bringen, so bin ich stolz auf die Verantwortung, die ich damit übernehme. Darf ich das Wort des Dichters empfehlend weitergeben, so genieße ich die Freude mit, zu der ich anderen den Weg weise. Der Buchhandel war ja stets ein Ge schäft. das einen besonderen Idealismus voraussetztc, aber in einer Zeit, in der das Denken seicht und das Gefühl verflacht, ja verroht ist, da ist ein fester Glaube an die Sendung des guten Buches vonnöten. Nur mit diesem Glauben überwinden wir auch die äußeren Schwierig keiten, die unseren Beruf heute mehr denn je bedrohen und. fast möchte ich sagen, gefährden.« »An mir soll es nicht liegen«, versprach ich. »Ich will wiederkom- mcn. so oft ich es vermag.« Damit verabschiedeten wir uns. »Er ist ein gutmütiger Narr«, meinte etwas unwillig der Anti quitätenverkäufer, als wir ein paar Häuser weitergegangen waren. »Vielleicht sogar ein moralischer, aber doch ein Narr, ungeeignet, dem Fortschritt der Zivilisation zu folgen.« »Erlauben Sie es dem ,Herrn von 1925', daß er die Segnungen des Fortschrittes in ihrer Gesamtheit ein wenig anzweifclt. Ich weiß es nicht, ob der drahtlose Fernsprecher, der mir das Musik genannte Mißgetön afrikanischer Negerstämme vermittelt, ob das bewegliche Lichtbild, das zu den zahllosen in der Wirklichkeit verübten Verbrechen und vorhandenen Lastern noch eine stattliche Anzahl von fingierten vorftthrt, ob dieses und manches andere noch wichtiger ist für die geistige und sittliche Entwicklung des Menschen als ein einziges gutes Buch? Und da der Händler mir die Antwort schuldig blieb, fuhr ich fort: »Wenn Sie den einen Narren schelten, der eine solche Zeit lieber nicht ansicht, sondern seine Lebensaufgabe darin erblickt, daß er Reste wertvollsten Kulturgutes in eine vielleicht wieder bessere Zukunft hin überrettet —: mm. dann will auch ich ein Narr sein, will das meinige mit dem Alten in dem seltsamen Laden dort teilen und mit ihm warten auf die Zeit, da der ,letzte Buchhändler' wieder der erste sein wird.« Dann verließ ich meinen Begleiter. Prof. vr. W. Kalveram: Goldmarkbilanzierung und Ka pitalumstellung als Grundlage zukünftiger Bilanzgestaltung. sBd. 13 der »Bücherei für Bilanz u. Steuern«.) Industrie Verlag Spaeth L Liudc. 2. Ausl. Berlin 1925. Preis geh. 5.20 RM., geb. 6.20 RM. Erst verhältnismäßig spät ist die Goldbilanzgesetzgebung nach Erlaß einer Reihe von Durchführungsverordnungen zum Abschluß ge kommen, sodaß auch heute uoch der schwierige Komplex wirtschaftlicher und rechtlicher Fragen, die sich an die sog. Umstellung knüpfen, starkes Interesse findet. Die vorliegende zweite Auflage des aufschlußreichen Buches hat vor allem in bezug auf die Behandlung der Bewertung^ frage, der Bemessung des Goldmarkkapitals und der Reserven sowie hinsichtlich des Tabellenwerks eine begriißenswcrte Erweiternng er fahren.
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