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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.08.1925
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- 1925-08-15
- Erscheinungsdatum
- 15.08.1925
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12280 «Srlenblau l. d, Dtlchn. BuchtandU. Redaktioneller Teil. Ri- ISO, 15. August 1925. einer diese besriedigcnden Form zu stillen. Das ist natürlich ein ungemein hartes Urteil, besonders wenn man sich vor Augen hält, wie rege anscheinend gerade im letzten Jahr die Werbearbeit sür das Buch ist und wie emsig, ja vielfach ausopfernd die Propaganda tätigkeit für das Buch betrieben wird und welch ungeheure Mittel diese Arbeit jahraus jahrein verschlingt. Man kann nämlich, darin wird mir jeder Fachmann recht geben müssen, nicht behaupten, daß vielleicht die Bevölkerung mit Lesestoff schon gesättigt oder gar übersättigt und daß im Volke kein Interesse und kein Bedarf an Büchern vorhanden ist. Davon kann gar keine Rede sein, ganz im Gegenteil stehen die Verhältnisse heute noch so, daß dem Buchhandel ein un geheures Brachland zur Verfügung steht, das zu beackern und für die Buchkultnr zu gewinnen ist. Weite, nach Millionen zählende Kreise der Bevölkerung haben noch immer an dem litera rischen Gut unseres Volkes keinerlei Anteil, sind vollständig ausgeschaltet von dem Strom geistiger Anregung und geistigen Genusses, den unsere Bücherschätze darstellen. Dabei kann aber keineswegs gesagt werden, daß vielleicht keine Lust zum Lesen, kein Interesse am Buch vorhanden wäre. Wenn dem so wäre, ließe sich ja keine Erklärung finden für die überraschenden Erfolge, welche von Arbeiter- und Bauernbüchereien der verschiedensten politischen Richtungen, den Volksbildungsorganisationen usw. erzielt wer den. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse, so ungünstig sie auch sein mögen, sind nicht derart schlecht, daß sie die Verwendung bescheidener Beträge für den Ankauf von Büchern verhindern würden. Man hat beim Wiener Derby, das Anfang Juni statt- gesunden hat, nicht weniger als 1200 Automobile gezählt, die Kleider der anwesenden Damen haben nach Schätzungen von Sachverständigen Milliardenwerte repräsentiert, und auch die billigeren Plätze, auf denen sich einfachere Gesellschaftskreis« ein- zusinden Pflegen, haben eine Ubersüllung gezeigt, wie sic kaum jemals zu verzeichnen war. Das ist nur ein Beispiel dafür, daß schließlich doch noch Geld im Lande vorhanden ist, und ähnliche Beispiele ließen sich aus der allerjüngsten Zeit in großer Zahl an führen. DasPublikummöchtelesen,esmöchteBücher kaufen und Bücher besitzen, es weiß aber nichts von diesen Büchern, es weiß sehr wenig oder fast gar nichts von dem alten Erbgut deutschen Schrifttums und es weiß überhaupt nichts von der riesigen Fülle von Neuerscheinungen, die deutscher Geist und deutsche Unternehmerfrcudigkeit jahraus jahr ein erzeugen. Und damit sind wir beim Kernpunkte unseres Problems angelangt. Denn diese Feststellung muß angesichts der großen Summen, die sür Buchpropaganda schon heute aus gewendet werden, als erschreckend und besorgniserregend bezeich net werden. Sie läßt darauf schließen, daß die ganze Propa gandaarbeit, die mit so unendlich viel Mühe und Sorgfalt ge leistet wird, zum großen Teile falsche und unzweckmäßige Wegs einschlägt. Es ist eine Art Inzucht, die jetzt betrieben wird. Es sind immer dieselben Kreise von Bücherfreunden und Literaten und sonstigen irgendwie ohnehin schon mit dem Buche in Verbindung stehenden Leuten, die mit Unmengen von Werbedrucksachen, Prospekten, Katalogen, Werbezcitschriften usw. überschüttet werden. Es geschieht jedoch nichts, um darüber hinaus mit der Werbung für das Buch in neue, noch uncroberte Schichten zu dringen und die Liebe zum Buch in Kreise zu tragen, die bisher noch nie eine Buchhandlung betreten haben. Aber selbst solche Kreise, die kraft ihres Bildungsganges und ihres Berufes In teresse und Verständnis für das Buch und sür Neuerscheinungen allerArt besitzen, hören von diesen so gut wie gar nichts. Man stelle sich nur vor, daß eine neue Seife, ein neues Wasch mittel, eine neue Suppenwürze, ein neues Spielzeug, eine neue Schreibmaschine auf den Markt gebracht wird, ohne daß das Publikuni auch nur ein Sterbenswörtchen davon erfahren würde. Biese Dinge könnten natürlich noch so genial, noch so vortrefflich und preiswert sein, ohne die entsprechende Propaganda würde auch nicht e i n Mensch sie lausen, weil er ja eben nichts davon wüßte. So ähnlich steht es aber heute mit den meisten Neuer scheinungen des Büchermarktes. Die große Masse des Publikums erfährt nichts davon und hat auch gar keine Möglichkeit, von ihnen Kenntnis zu erhalten, weil alle Werbung immer wieder nur denselben engen Kreis von Inter essenten erfaßt und die große Masse der Be völkerung, das riesige Reservoir des breiten Publikums überhaupt nicht berührt. Gefühlsmäßig habe ich all das schon lange vermutet. Zur festen Überzeugung sind mir diese Feststellungen dadurch ge worden, daß ich es auf eigene Faust unternahm, einmal anstatt theoretischer Untersuchungen über Buch und Buchpropaganda den ganz praktischen Weg der direkten Befragung der Interessenten einzuschlagen, einen Weg, der in der von mir gewählten Form meines Wissens bisher noch niemals betreten wurde. Ich habe eine Art Untersuchung veranstaltet, indem ich bei hundert Personen der verschiedensten Berufe und Bevölkerungsschichten nach einem von mir zusammewgestellten Fragebogen eine eingehende Be fragung vornahm. Die Fragen erstreckten sich auf folgende Gegen stände: Haben Sie Interesse für Lektüre? Haben Sie im letzten Halbjahre Bücher gelesen? Haben Sie diese gekaust, entliehen, geschenkt erhalten? Wer hat Sie aus diese Bücher aufmerksam gemacht? Betrachten Sie die Schaufenster der Buchhandlungen? Lesen Sie Buchbesprechungen in Zeitungen? Sind Sie ständiger Kunde einer Buchhandlung? Lassen Sie sich beim Büchereinkauf vom Buchhändler be raten? Lesen Sie Zeitschriften, Fachzeitschriften, Zeitschriften all gemeinen Inhaltes, Magazine? Erhalten Sie Werbezeitschriftcn, Buchkataloge, Prospekte und dergleichen zugeschickt? Diese Fragen habe ich hundert Personen vorgclegt, und zwar je sünf Ärzten, Apothekern, Zahntechnikern, Rechtsanwälten, Pro fessoren, Lehrern, Künstlern, Journalisten, Staatsbeamten, Bank beamten, Privatangestellten, Kleinkaufleuten, Grohkausleuten, Gewerbetreibenden, Industriellen, Arbeitern, Ingenieuren, Haus frauen, Handelsvertretern und Privatiers. Außerdem vermerkte ich in dem Fragebogen die Persönlichen Verhältnisse des Befragten, und zwar: Beruf, Bildungsgang, Alter, Konfession, Familienstand, Einkommensverhältnisse, beson dere Liebhabereien, politische Einstellung, Mitglied von welchen Vereinen. Es ist mir selbstverständlich bekannt, daß in der Statistik das Gesetz der großen Zahl gilt und daß die Anzahl der von mir befragten Personen viel zu gering ist, als daß die Resultate aus allgemeine Gültigkeit und aus sozusagen wisscnschastlich fundlerte Wahrhcit Anspruch erheben könnten. Aber da cs sich durchweg um typische Vertreter ihres Berufes gehandelt hat, und da an dererseits unter diesen säst alle denkbaren Typen vertrete» ivareu, was Beweglichkeit des Geistes, äußere Verhältnisse, Bildungs gang usw. betrifft, so kommt den Ergebnissen doch sicherlich lebhaftes Interesse zu. Diese Ergebnisse sind sür mich einfach niederschmetternd gewesen. Trotzdem von den hun dert Befragten 87 ihr zum Teil sogar sehr lebhaftes Interesse für das Buch und für die Lektüre im allgemeinen behaupteten, hatten doch nur 19 im Lause des letzten Halbjahres eine Buch handlung betreten, und nur vier waren ständige Kunden einer solchen. Hingegen haben 83 übereinstimmend er klärt, daß sie niemals irgendeine aus ein Buch bezügliche Werbedrucksache erhalten, elf, daß sie ab und zu solche zugeschickt erhalten, und nur sechs, daß sie regel mäßig mit Propagandadruckschristen bekiesert werden. Dm Namen von »Nimm und lies» kannten z. B. nur fünf. Diese Feststellung war wohl die betrübcndste und erschreckendste unter allen. Um ihre ganze Bedeutung richtig zu würdigen, muß noch
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