Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.12.1926
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X: 303, 30. Dezember 1926. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel- Deutsche Buchhändler auf dem Desuv. Von Friedrich Furch heim (1877—1896 Buchhändler in Neapel). Im Herbst 1877 schrieb mir mein Leipziger Kommissionär Herr K. F. Koehler, das; er demnächst die Hochzeitsreise mit seiner Ge mahlin nach Italien antreten und mir in Neapel einen Besuch machen werde. Sein Schwager, Herr Schall, wollte auch mitkommen. Bald darauf trafen sie ein, und nachdem ich ihnen als Cicerone gedient, wurde beschlossen, dem Vesuv einen Besuch zu machen. Ich war seit fünf Jahren nicht mehr oben gewesen und ging gern mit, weil es dort stets Neues zu sehen gibt. Als weiterer Teilnehmer hatte sich ein älterer, aber noch sehr rüstiger Herr eingefunden, von Herrn Koehler als der berühmte Alpinist Gottlieb St über aus Bern vorgestellt, ein Mitgrttnder des Schweizer Alpenklubs und Autor sehr geschätzter Werke über die Schweizer Gebirgswelt. Den Vesuv bestieg er zum ersten Mal. Wir fuhren vom Hotel in zwei bequemen Landauern bis zum Meteorologischen Observatorium, einem imposanten, 1846 errichteten Bau, in gesicherter Lage ans einem Hügelrttcken aufgcführt, an dem sich die Lavaströme des Kraters wiederholt gebrochen haben. Mit dem berühmten Leiter dieser Anstalt, Professor Luigi Palmieri, der auch an der Universität in Neapel wirkte, habe ich oft verkehrt und verdanke ihm manch wertvollen Beitrag zu meiner viblioxrakis ckel Vesuvio (pp. XII—300. Napoli 1897). Meine Reisegefährten staunten über die üppigen Weinkulturen, dichten Gebüsche und sogar Laubhölzer, die sich bis unter das Observatorium erstreckten. Die letzte Spur von Vegetation bildet der Ginster, der sich in den Boden der verwitterten Laven mit großer Zähigkeit einwurzelt und dessen gelbe Blüten ihren Duft weit herum verbreiten. (Vgl. Leopardis schönes Gedicht §ine8tra clel V«8uvio.) Hinter dem Observatorium hörte damals die Fahrstraße auf, und der steinige Weg bis zum Fuß des Aschenkegels mußte zu Fuß — etwa Stunde — zurückgelegt werden. Dort angelangt, blickten meine Gefährten aufwärts. Die Steigung ist anfangs 43, an der steilsten Stelle 63:100. Ein Weg ist natürlich nicht vorhanden; man stapft im Zickzack durch die vulka nische Asche, manchmal knietief über I^apilli (vulkanischen Sand) auf wärts, ohne hinabzublicken. Schwächeren Personen sind die von den Führern angebotenen Zugriemen eine willkommene Hilfe. — So war cs noch damals; aber seither ist 1879—80 mit Hilfe einiger Banken die Drahtseilbahn sla kunieolare) ins Leben getreten, durch welche das Besteigen des Vesuvs eine Vergniigungstour geworden ist. Aus damaliger Zeit stammt das weltbekannte neapolitanische Lied ^uuieoli- kunieola von Luigi Tosti. Mir fiel es auf, daß Herr Studer anfangs ein wenig zurückblieb. Aber auf halber Höhe, etwa 400 Meter, griff er energisch aus, sodaß einer der patentierten Führer zu seinem Kumpan sagte: »Vi ck, eki8t0 vecekiariello arriverd o primv'neopps.« (Paß' auf, der kleine Alte wird der erste oben sein.) Und richtig war es so. Wir brauchten noch geraume Zeit, um ihn einzuholen, und gratulierten dem 73jährigen Touristen zu seiner Leistung. Eine Beschreibung des unvergleichlichen Anblicks des Hauptkraters sowie des wunderbaren Panoramas, das durch die isolierte Lage des Vesuvs ungehindert auf den Beschauer einwirkt, will ich dem ge neigten Leser hier ersparen. Sie ist schon oft von berufeneren Schil- derern gegeben worden. Genug, alle Teilnehmer an der Fahrt waren entzückt und konnten sich kaum von dem Schauspiel trennen. So mühsam der Aufstieg gewesen — über eine Stunde —, so leicht und rasch war das Herabkommen. Mehr laufend als gehend waren wir in 15 Minuten wieder unten. Dann zurück zu den wartenden Wagen, und in scharfem Trab ging's nach Neapel, wo wir uns durch einen kräftigen Imbiß und echtes Löwenbräu im »Gambrinus« von den ausgestandenen Strapazen erholten. Schade, daß von den frohen Teil nehmern außer mir wohl keiner mehr am Leben ist. Man soll nicht so alt werden, sagte Humboldt und starb als Neunziger. Ein Jahr später, im Oktober 1878, machte ich mit einigen Be kannten eine Vesuvbesteigung bei Nacht. Diesmal war der andere Buchhändler und Teilnehmer an der Exkursion einer meiner Gehilfen namens Hei nrich Sabersky, derselbe, der später sich dem Stu dium der Neuphilologie widmete und den Doktorgrad erwarb. Er ist seit Jahren für den Verlag Langenscheidt tätig, in welchem mehrere seiner wertvollen Arbeiten erschienen sind. Wir stehen noch heute in freundschaftlichem Briefwechsel. Die übrigen Teilnehmer an der Fahrt waren zwei junge Engländer (Vesuvneophiten) und ein Italiener. Um 9 Uhr abends fuhren wir bei schönstem Vollmond aus Neapel. Schon nach einer Stunde befanden wir uns im Gebiet Seiner Majestät des Vesuvs, in Portici, einem Städtlein mit einem ehemalig bour- bonischen Schloß, das heute eine Ackerbau-Schule beherbergt. In dem interessanten Park liegt heute noch ein mächtiger, viele Zentner 1540 schwerer Basaltkegel, der bei der gewaltigen Eruption von 1794 vom Vesuv bis dorthin geschleudert wurde. Wie gewöhnlich wurde am Observatorium Halt gemacht und die Strecke bis hinauf zum Gipfel zu Fuß zurückgelegt. Es war ein Uhr morgens, als wir endlich dem Vulkan bei eigener Beleuchtung in seine Werkstatt blicken konnten. Der Anblick war ebenso furchtbar wie großartig schön und entschädigte uns reichlich für die überstandcne Anstrengung. In dem ungeheuren, über 250 Meter im Durchmesser betragenden Krater, der nach der großen Eruption von 1872 zurückgeblieben war, erhob sich der neue, etwa dreißig Meter hohe Kraterkegel, seit drei Jahren in stets zunehmender Tätigkeit, aber noch nicht über den Rand hinausragend. Häufig sprengt er seinen Gipfel weg, um ihn dann durch neuen Lavenauswurf wieder auszubauen. Seiner Öffnung ent strömte in regelmäßigen Pausen eine feurige Dampfwolke, die sich hoch in die Luft erhob, während von Zeit zu Zeit ein Hagel von glühenden Steinen emporgeschleudert wurde, die dann prasselnd auf die hinten aufstrebende schwefelgelbe Wand niederschlugen. Dabei kochte und brodelte es in dem Schlunde des Kraters wie in einem riesigen Hochofen. Nachdem wir uns eine Zcitlang an dem gewaltigen Naturfchauspiel geweidet hatten, stiegen wir unter der Leitung des kundigen Führers in den Hauptkrater ein, um das Treiben des Erup tivkegels aus nächster Nähe zu beobachten. Ein beschwerlicher und nicht ungefährlicher Weg führte vom Rande des Kessels an der fast senkrechten, nur aus Asche und Geröll bestehenden inneren Wand in eine Tiefe von ungefähr zwanzig Metern hinab, wo wir auf einem Lavaplateau anhiclten. Sobald wir unten Posto gefaßt hatten, war jede Spur von Bangigkeit gewichen; ja, die beiden Engländer, die anfangs etwas kühl waren, zeigten einen großen Eifer und drangen so weit vor, daß der Führer sic mehrmals warnen mußte. Von diesem braven Manne geleitet, schritten wir über Laven, die, oben erkaltet, zwischen den Rissen das rotglühende Feuer -urchblicken ließen, und fanden es unterhaltend, unsere Bergstöcke in die klaffenden Spalten zu stoßen, um sie dann hellbrcnnend wieder herauszuzichen. Diese Laven zeigten die sonderbarsten Gestalten; am häufigsten glichen sie riesigen Strähnen, welche Form sich aus der wellenförmig sich überschlagenden Bewegung der Lava erklärt. Wir näherten uns einem solchen sich bewegenden Lavastrom. Langsam und träge, einen Meter in der Minute zurücklegcnd, rollte die feurige Masse über die schwar zen, runden Blöcke, auf mehrere Schritte Entfernung Glühhitze aus- strahlend. Zur Erinnerung warfen wir Kupfermünzen hinein und schleuderten sie mit den Stöcken wieder heraus; sie waren wie in eine Kruste eingeschlossen. Unterdessen hatte der Morgen zu grauen begonnen, und der Führer mahnte zum Aufbruch, zumal da die Steine und Schlacken, vom Morgenwind getrieben, bedrohlich bis in unsere Nähe flogen. Also traten wir den Rückzug an. Während meines langjährigen Aufenthalts in Neapel bin ich noch manches Mal auf dem Vesuv gewesen und habe noch manch schönes Naturschauspiel da oben wahrgenommen, denn der Vesuv lebt und ändert sich beständig, sodaß jeder Besuch etwas Neues bringt. Aber zu einem wiederholten Abstieg in den Krater selbst bot sich mir keine Gelegenheit mehr. Eine derartige Exkursion kann nur nach dem Abschluß einer Eruptionsperiode mit Erfolg ausgeführt werden, wenn dann wieder die auf jeden größeren Ausbruch folgende Periode der Ruhe eingetreten ist. Das wäre somit im Jahre 1906, nach der gewaltigen Eruption im April, möglich gewesen, aber damals weilte ich fern von Neapel. Während der folgenden zehn Jahre besuchte ich den Vesuv noch mehrmals, besonders der photographischen Aufnahme neuer Seiten krater wegen (hochinteressant!), doch ohne einen Kollegen begleiten zu können. Erst im März 1891 erfreute mich Herr Fritz Baedeker aus Leipzig mit einem Besuch. Ich war jahrelang für den Neapel betreffenden Teil seines Handbuches behufs Revision zu seiner vollsten Zufriedenheit tätig. Wir verabredeten eine gemeinsame Vcsuvfahrt. Leider änderte sich das Wetter und am nächsten Tage war der Berg in eine dichte Nebelwolke gehüllt. Auch eine andere, mit Herrn Rudolf Brockhaus verabredete Vesuvpartie wurde einige Jahre später durch schlechtes Wetter vereitelt. Dafür konnte ich Herrn Brockhaus kurz darauf als Pompejiführer dienen. Infolge besonders zahlreichen Besuches an diesem Tage waren nämlich alle 42 staatlichen Führer in voller Tätigkeit. Der Mann am Schalter meinte jedoch, daß sich Herr Brockhaus unbesorgt meiner Leitung anvertrauen könne, worüber mir am Ende ein glänzendes Zeugnis zuteil wurde. Der letzte Buchhändler, mit dem ich, jedoch bei schönstem Wetter, anno 1893 einen Vesuv-Ausflug machte, war Otto Lorenz (geb. 1831 in Leipzig), der bekannte Pariser Verleger und Autor des lange Privatmann und häufig auf Reisen, hatte für Neapel und Um gebung eine derartige Zuneigung gefaßt, daß er während der letzten vier Jahre seines Lebens den Winter stets in UeUa Xapoli verbrachte.
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