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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.12.1926
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- 1926-12-30
- Erscheinungsdatum
- 30.12.1926
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- Deutsch
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303, 30. Dezember 1926. Redaktioneller Teil. Er kam täglich aus kurze Zeit ins Geschäft und behandelte mich als alten Freund. Diese letzte Vesuvpartie war in jeder Beziehung ideal: klarer Himmel, angenehme, ununterbrochene Fahrt bis zur unteren Station der Drahtseilbahn, in zwölf Minuten oben; hierauf eine kleine Strecke zu Fuß bis zum Krater — alles sehr erwünscht für Freund Lorenz, der an Asthma litt. Er war entzückt. Als ich ihm später, im Geschäft, die auf die Zerstörung Pompejis anno 79 n. Ehr. bezügliche Stelle aus Gregorovius' Euphorion, IV. Gesang, Aber der Herrscher Vesuv stand herrlich in purpurner Pracht da, Ruhend, ein Held, der stumm auf's Schlachtfeld schaut und die Todten, Nimme-r von Neue bewölkt und gelehnt am blitzenden Kampfspeer. vorlas, kaufte er sich sofort dieses wahrhaft klassische Idyll. Lorenz starb in Paris am 26. März 1895 an den Folgen eines alten Herz leidens, das ihn auf seiner letzten Reise nach dem Nordkap, vor welcher er gewarnt worden war, wieder überfallen hatte. Ich widmete ihm einen Nachruf im Bbl. 1899 Nr. 164/55 mit interessanten Aus zügen aus seinen Briefen. Grundsätzliches zum Äungbuchhändler- Nundbrief Nr. 4. Von Georg Eltzschig. EL ist jetzt wohl ein Jahr her, daß Hans Bott (Karlsruhe) mit der Herausgabe des Jungbuchhänbler-Rundbriess begonnen hat. In mehrmonatigen Abständen sind drei Hcste erschienen, die im Börsen blatt ausführlich und anerkcnnungsvoll besprochen worden sind. Das vierte Heft datiert vom Oktober und umfaßt etwa LS selbständige Bei träge von etwa Lü verschiedenen Mitarbeitern: Buchhändlcrischer Bil dungsplan (Hans Bott und Ernst Fliege) — Ter Nachwuchs (Gerhard Schönsclder) — Zur Btlduugsfrage (Horst Klicmann) — Gesinnungs- bildung des Buchhändlers, Aristokratie und Kiihrerproblem (Hans Bott) — Nationalisierung und falsche Wirtschastsperspektiven (Rudolf Braune) — Für oder gegen das Schund- oder Schmutzgcsctz (O. Wit- tenboru) — Die siinf Sommerakademien 1926 — Der deutsche Buch handel in der Tschechoslowakei (Peter Buchgraber) — Die Lage des österreichischen Buchhandels (Hans Kodek) — Die deutsche Literatur der Sudetcnländer (Eduard Frank) u. c. a. Seit dem ersten Hcst sind unverkennbar die sachlich-bcruslichcu Themen vorherrschend und gewichtiger geworben. Die Aussätze über den österreichischen und den tschechoslowakischen Buchhandel sind Bei spiele klarer und prägnanter Tatsachcuschilderung. Auch die Erörte rungen über den Nachwuchs und die Berufsbildung sind nüchterner geworden, ohne banal zu sein. Nur ungern gibt man den Rat, die Bestrebungen noch tiefer an- zufetzen. Es ist offenkundig, dast cs sich bei den jetzigen Mttwirlenden der Rundbriefe um eine geistige Elite des Jungbuchhandcls handelt, um eine jugendliche Elite mit allen Vorrechten, Vorzügen und Bedenklichkeiten einer solchen, die durch die Altersgrenzen bestimmt sind. Nimmt man Hans Bott, Klicmann, Schnabel, Schönfelder aus, so wäre zu fragen, wie alt die übrigen Mitarbeiter sind, dem Lebens alter und den Berufsjahren nach. Fast möchte man empfehlen, daß die Unterschriften durch derartige Altersangaben ergänzt würden. Denn das Alter ist bestimmt kein leerer Wahn, besonders heutzutage nicht, wo man im Wirtschaftsleben nur durch Kampf um jeden einzelnen Tag älter wirb. Es ist nicht für die Richtigkeit, wohl aber für die Bedeutung maßgeblich, welches Maß an eigener Erfahrung, wen» auch auf beschränktem Gebiet, hinter Auslassungen über »Rationalisie rung und falsche Wirtschastsperspektiven-, »Für oder gegen das Schund oder Schmutzgesetz- steht und hinter Kritiken über Pan-Europa, Psycho logie des Jugendalters und die »Wege der Liebe-. Tie Gefahr, die durch eine solche Divergenz zwischen Erfahrung und Erörterung entsteht, liegt nicht nur auf geistigem Gebiete. Sie wirkt sich aus die nächsten und elementarsten Notwendigkeiten und Beziehungen im Beruf aus. Sie verrückt die Zuständigkeiten, die nicht nach angelernter und angelesener Kenntnis und Urteilsfreiheit entschie den werden, gewiß auch nicht durch das Alter allein, aber doch durch die Erfahrung und die Urteilsfähigkeit, die von der Beständigkeit und dem Umfang verantwortlicher Lebensarbeit ausgehen und be stimmt sind. Man mag es bedauern, daß sich zu wenige der Älteren mit der Nichtigkeit oder Irrigkeit von Wirtschastsperspektiven beschäftigen, aber dem dadurch entstehenden Schaden für den Berufsstand wird nicht abgeholfen, wenn diese Beschäftigung, die zugleich eine Verant wortung verlangt, von der Jugend übernommen wird, die noch keine Gelegenheit fand und bekommt, ihre theoretische Fechtkunst Tag für Tag an der harten Wirklichkeit zu prüsen und zu bewähren. Es ent steht daraus nicht nur eine zweifclerfüllte Spannung zwischen der Jugend, die sich mit Berufs-Aristokratie und Kiihrerproblem be schäftigt, und dem Alter, das sich wegen des Mangels an kaufmännisch und berufstechnisch brauchbaren Gehilfen Sorge macht. Eine noch bedenklichere Folge ergibt sich gerade für die Bildungs bestrebungen des Nachwuchses selbst, um den es doch dem Kreise dieser Rundbriefe vornehmlich zu tun ist. Denn was bedeutet die Zahl ihrer bisherigen Briefschreiber von etwa 1V0 und ihrer Leser von vielleicht 1606 sür den ganzen Berufsstand, bei dessen rund 1V9VÜ Firmen man mit mindestens LS ovo Leuten unter LS Jahren rechnen muß. Es bedeutet gewiß eine Elite, aber auch eine Isoliertheit, und das mit allem Ruhm und allen Reizen einer solchen, aber doch auch mit alle» Birksamkeitshemmungen. Für diese 24 V9Ü Leute sind nicht nur die Rundbriefe nicht zugänglich, sondern sie sind auch für diese Briefsteller« gar nicht empfänglich. Und das mit Grund und Recht und zum Teil zum Glück sür de» Gesamtbuchhandel, für den die Zück, tung von 209 Führern und Königen gewiß wichtig, aber die Lei stungssteigerung der LS lliX! auch notwendigen und ehrbaren Kärrner unentbehrlich ist. Dafür bedeutet die Beschäftigung und theoretische Vertrautheit mit großen Geistesideen nicht so viel, wie mancher als zukunftsnotwendig bezeichnet, denn wie so oft kommt so ein Buch händler mit den ihm aufgepfropften geistigen Ideenwelten überhaupt nur durch das Heraussuchcn eines darauf bezüglichen Buchtitels in Berührung. Das fühlt die große Masse des Nachwuchses instinktiv, und sie fühlt richtig. Vielleicht trifft es für die 1999 Leute dieser geistigen Elite im Nachwuchs zu, daß sie über Studium, Schrift- und Briefsteller«, Diskussionen und teils auch durch wirkliche Leistung und Erfahrung zu einer Vertrautheit mit den große» Jdeenbemegungcn und zu einem aktiven Anteil daran kommen und diesen im Beruf und für den Be rufsstand in wirtschaftliche und kulturelle Dienste Umsetzen können. Vielleicht kommen weitere Svvl> jeder Generation zu ähnlicher Be fähigung, indem sie den von mir immer wieder empfohlenen Weg gehen, sich die Ziele und die Krast ihrer Berufsentwicklung aus dem Leben selbst zu holen. Aber das Gedeihen der Wirtschaft und eines einzelnen Berufsstandcs hängt heute und sür die nächste Zukunft noch besonders stark davon ab, wie cs mit der Leistungsfähigkeit und Lcistungswiliig- keit der Masse der Beschäftigten steht. Deshalb ist es nicht ergiebig genug, sondern gefährlich, wenn mau sich im Nachwuchs auf eine geistige Inzucht beschränkt, der es natur gemäß am nötigen Zustrom und der Anteilnahme immer neuer Inter essenlen und Mitarbeiter fehlt. Nicht ohne weiteres braucht die Verbreiterung der Bildungsbe strebungen, um die man sich auch mit den Rundbricsen bemühen muß, aus eine Verflachung hinauszulausen. Ich habe schon angedeutei, daß die Rundbriefe selbst schon Fortschritte in der Versachlichung, damit auch in der Verwirklichung ihrer Zwecke gemacht haben. Tie praktischen Berufssragen nehmen im letzten Hest einen erheblich größe re» Raum und einen erfreulich bewußteren Rang ein als in de» ersten. Es kommt ja nur, dies allerdings sehr, daraus an, diese Be strebungen noch mehr in unmittelbare Wirklichkeitsnähe zu bringen. Um die Elite braucht cs niemandem bange zu sein, aber der Durch schnitt braucht wirksame Anregung und Steigerung feiner Beruss lnteressen, und zwar durch dine Vermittlung, die sich ihm in schnelle Förderung seines Fortkommens umsetzt. Die forcierte Beschäftigung mit großen geistigen Stoffen und Tendenzen zielt fast ausschließlich aus den Einfluß und die Aufgaben, die dem Sortiment im Umgang mit dem Publikum gegeben und gestellt sind. Die Vildungsbestrebunge» müssen aber sür eine umfassende und durchgreisende Wirksamkeit mit dem ganzen Entwicklungsgang der Angestellten in Einklang ge bracht werden. Für die Mehrzahl ist das Sortiment nur ein kürzeres oder längeres Zwischcnstabium ans dem Wege in die Großbetriebe, besonders des Verlags, der vor allem in seiner wissenschaftlichen Spezialisierung und organisatorischen Durchbildung den einzelnen An gestellten nur noch relativ wenig Raum läßt für eigene geistige Ten denzen. Damit tritt der rein geistige, theoretische Ausbildungsgehali zurück hinter die praktische Arbeitstüchtigkeit, und an den Konseguenzen zeigt sich, wie sehp das buchhäudlerische Fachbildungsproblcm zu gleich das Problem des buchhändlerischen Arbeitsmarktes und der sozialen Zustände in unser»! Berufe ist. Ich möchte mit der Anregung schließen, von dieser Seite aus ein mal die Bildungssragen anzufassen. Es wird vielleicht ein anderes Mal und an anderer Stelle Gelegenheit sein, darüber noch einiges zu sagen, besonders im Anschluß an meine Ausführungen in Nr. 8 . des Buchhändlergilde-Blattes 1926. IS4I
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