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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.12.1926
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- 1926-12-28
- Erscheinungsdatum
- 28.12.1926
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301, 28, Dezember 1926. Redaktioneller Teil. Bei der Tafel !m Palasthotel richtete Herr Gardos eine Ansprache an uns, auf die Kollege Schmidt- Hannover dankend erwiderte. Daß die ungarischen Kollegen ihre Damen zur Teil nahme veranlaßt hatten, war ein besonders glücklicher Gedanke; man suhlte sich bald wie inmitten einer großen Familie, und eine frohe angeregte Stimmung kam in kurzer Zeit auf. So mancher von uns hatte in Gedanken mit dem Abendessen in einem ersten Hotel der königlichen Ungarnhauptstadt die Vorstellung einer echten Zigeunerkapelle verbunden. Und in der Tat, auch dieser unserer Einstellung war Rechnung getragen! In dem sehr geräumigen Cafö Rodo hatte man eine Tasel für 90 Personen reserviert, und hier war es, wo 11 Musiker — darunter Großvater, Sohn und Enkel — uns die ersehnten wilden und doch edlen musikalischen Genüsse boten. Der gut ge wachsene, schlanke, junge Primas mit den glutvollen Augen konnte sich gar nicht genug darin tun, jeder Dame einzeln seine schluchzen den, schmeichelnden und jubelnden Weisen ins Ohr zu geigen. — Zwei fesche ungarische Gäste führten uns, obwohl ihnen nur wenig Raum blieb, den nationalen Czardastanz vor. So wurde es wiederum recht spät, als wir uns, hochbefriedigt von dem erlebnis reichen Tage, schließlich zur Ruhe begaben. Um p-10 Uhr am Donnerstag, dem 23. September, trat unsere Gesellschaft in 22 Automobilen eine Rundfahrt durch die Stadt an. Angenehm fallen die breiten, sauberen Straßen auf. In jedem Auto machte ein ungarischer Herr liebenswürdig den Cicerone. Längere Erläuterungen vertieften uns das Verständnis an wichtigen Punkten, wie z. B. Basilika — Gemäldegalerie — Pa norama — Städtisches St. Gellört-Bad usw. Das thermenreiche Budapest — es hat 11 Quellen — könnte man auch eine reine Bäderstadt nennen. Das St. Gellört-Bad selbst gilt zurzeit als das modernste Bad der ganzen Welt! Bei der königlichen Burg machten wir wiederum Halt. Ein imposanter Bau mit vielen hundert Räumen und dem prächtigen Audicnzsaal — wie der führende tschechische Kastellan wiederholt und hartnäckig betonte. In der Krönungskirche gab Herr Stadt rat vr. v. Wildner einen knappen Abriß der ungarischen Geschichte; er erläuterte uns dankenswerterweise die Bauwerke und lenkte unsere Aufmerksamkeit auch auf die landschaftlich besonders schönen Ausblicke. Das alte Ungarnland ist von dem Toben und Ver derben des Weltkrieges auch nicht verschont geblieben. Zwei Drit tel seines Gebietes mußte es abtreten, und doch ist trotz alledem die Gesinnung des Ungarn national, und bewußt betont national! Zahlreiche neue Denkmäler großer Männer und Helden auch aus jüngster Zeit geben beredtes Zeugnis hierfür. Wir Deutsche haben die Ungarn immer als ritterliche Nation gewertet und geschätzt, die hervorragenden Leistungen ihrer Regimenter im Völkerringen haben uns gezeigt, daß der Ungar diese Wertschätzung wirklich im höchsten Maße verdient. Man sah auch unser Eisernes Kreuz I. und II. Klasse — besonders bei den Polizisten — oft vertreten! Die Stadtverwaltung hatte uns deutschen Gästen, die wir an die Grenze des Abendlandes als kulturelle Mittler, als Ver breiter des Niederschlages geistiger Tätigkeit der Nationen kamen, nicht nur die Rundfahrt in den Automobilen, sondern auch ein Bankett auf dem herrlich gelegenen, städtischen Johannisberge ge spendet. Hier lachte uns bald nach ein Uhr im Sonnenschein eine im Hotelgarten aufgestellte Tafel an, farbensprühend, mit unga rischen und deutschen Fähnchen geschmückt und von Blumen und Blütenpracht Lbcrtaut. Aber nicht nur dem Auge bot sich ein unvergeßliches Bild, sondern auch dem Geschmackssinne wurde wiederum Ausgezeichnetes dargebracht. Die ungarische Küche ist als vorzüglich bekannt, und in der Tat, schon die ersten Gänge »ttsirkooprülöklevss« — oder »Hühnchenkleinsuppe-, und »pSrüölt- svirk« gsIuÄütval« ließen uns keinen Zweifel mehr an ihrer Treff lichkeit. Dem prächtigen »olmSsEes» oder Apfelstrudel taten besonders die Damen alle Ehre an. Nachdem die Damen bereits am Abend vorher eine literarische Spende aus dem Budapest er Verlag Singer L Wolf- ner A.-G. erhielten, wurde uns zum Nachtisch ferner von der »Lantos A. - G. in Budapest- noch die umfangreiche 1925 erschienene Bibliographie »tl Inst ol oll UungorlLu dvoüs in Irocks» I5Z2 oirsuge-i kiklor anci Lraun dediciert, sür welche wertvolle Spende besonders die Antiquare und Sortimenter dankbar sein dürsten. Der Vorstand hatte eine Sammlung zugunsten Budapester Armenanstalten beschlossen und mich um deren Durchführung ge beten. Obwohl das Kassieren der Anteile wegen der Anwesenheit der Gastgeber nicht ohne Schwierigkeiten abging, ergab die Kol lekte doch ein gutes Resultat. Nachdem hier noch die allerletzte photographische Ausnahme ersolgt war, ging es um 4 Uhr weiter: Szechenyi-Kettenbrücke — Parlament. Wir besichtigten dieses wohl in Europa einzig dastehende moderne, durch die Abendsonne magisch durchflutete Parlamentsgebäude, den Freiheitsplatz und dann die große Margareteninsel. Hier verkehrt — wohl eine Reminiszenz an die gute alte Zeit — noch eine richtige Pferdebahn! Unsere Jugend staunte sie ordentlich verwundert an. Verliert doch das heutige Grotz- stadtkind inmitten der seelenlosen Maschinen ganz den Zusammen hang mit der »lebendigen Natur, da Gott die Menschen schuf hinein«. In den schönen Räumen des Szigetklubs wurde uns noch eine Jause — von Baden in bester Erinnerung — geboten. Der schöne ungarische Ausdruck hierfür, den unser liebenswürdiger Führer, Herr Tisza, eingehend erklärte, ist mir, obwohl oder viel leicht gerade weil er nicht schwer einprägsam war, leider doch entfallen. Musik und Tanz hielten uns noch eine Weile zusammen, und nach der zehnstündigen Rundfahrt trafen wir nach 7 Uhr in unserm Hotel wieder ein, wo die meisten von uns sich von den liebenswürdigen Gastgebern verabschiedeten. Ich selbst besuchte am späteren Abend mit einigen Kollegen wieder eine Zigeuner kapelle, da ich gern die Träumerei von Robert Schumann hören wollte, und wir waren erstaunt, daß sie der Kapelle unbekannt war. Wir dachten eben nicht an die Eigenart dieser geborenen Musiker, die nur ihre eigenen Melodien und ihre wechselnden Variationen spielen. Bon dem erstaunlichen musikalischen Gehör erhielten wir aber doch eine Probe, als der Geiger die ihm vor getragene Weise sofort in ihrer Melodie ausfaßte und einwandfrei wiedergab. Budapest ist aber auch eine Stadt mondänen, luxuriösen, pulsierenden Lebens, voll Genußfreude und Heiterkeit. Jüngere Kollegen haben in den Dielen, Bars usw. heitersten Lebensgenuß gehabt. Mich fragte ein hoher Staatsbeamter in Leipzig nach der einen oder anderen ihm von seiner Junggesellenzeit bekannten Stätte großstädtischen Strudels, woraus ich meine Unkenntnis dieser Dorados mit der Anwesenheit meiner Frau und Tochter motivieren mußte. Da sprach er nur die geflügelten Worte: Aber, lieber Landsmann, nach Budapest fährt man doch besser ohne Damen! Das herrliche Wetter hatte viel dazu beigetragen, daß wir den Ausflug mit höchstem Genüsse auskosten konnten. Die Zeit einteilung war auch hier so vorzüglich, daß die fast zu zahlreichen Eindrücke von Gewichtigkeit sich beinahe überstürzen konnten. Alles in allem: der Besuch hat sich sehr gelohnt, er hat, wie ich nach träglich oft erfuhr, reichliche Befriedigung gebracht, und auch Frau Erica aus der Rattensängerstadt, bekannt als Rednerin von der Badener Jause, dankte mir privatim überaus herzlich und feuchten Auges für meine Anregung zu diesem so herrlich verlaufenen Aus flug. Jedenfalls benutze ich gern auch diese Gelegenheit, dem wie derholt ausgesprochenem Wunsche der Budapester Kollegen Aus druck zu geben, daß seitens des Buchhandels beim Verkauf von Reiseführern usw. auch in geeigneten Fällen auf den Besuch von Budapest empfehlend hingewiesen werden möchte. Die einzig artige Lage und die vielen Sehenswürdigkeiten dürften jeden Be sucher befriedigen. Sprachliche Schwierigkeiten gibt es kaum — wenigstens nicht in Budapest, da Deutsch hier überall verstanden und gesprochen wird, und das Patzvisum dürfte für Ungarn wohl auch bald aufgehoben werden. Durch das Reisebüro Schenker 61 Co., Wien I und dessen Filialen waren dreitägige Vorzugskarten inkl. Hin- und Rückfahrt II. Klasse, voller Verpflegung, Eintritt usw. usw. schon für Mk. 60.— erhältlich, die bei einer größeren Gesellschaft wohl auch noch ermäßigt werden dürften. Der uns gegenüber recht entgegenkommende Wiener Direktor Herr Ho monay dürfte auch ferner bei größerer Beteiligung sein möglich stes tun!
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