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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.12.1926
- Strukturtyp
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- 1926-12-04
- Erscheinungsdatum
- 04.12.1926
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- Deutsch
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282. 4. Dezember 1926. Redaktioneller Tsll. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. erblickt«. In sin« englische Khakiuniform haben sic den Wiener Wachmann gesteckt. Deine Kreuzer und Heller, deine Gulden und Kronen schlugen sie dir aus der Hand und »retteten» dich mit dem englischen Schilling, sie konnten es ja mit dir machen, die traurigen Helden. In den Kaffeehäusern quäkt und knarrt die Jazzkapelle, wcr't mag, de mag't ja woll mögen, ein echter Nigger gröhlt bei Sacher. Ja, Wien, du Stadt seliger Klänge, du Stadt der Musik, du hattest cs nötig, dich an amerikanischer und afrikanischer »Kul tur- zu bereichern. Doch bitte, man nennt dies »das Gesicht der Zeit-; man mutz es bejahen, um es zu verstehen. Nein, man mutz es nicht. Sie haben dir einen fadenscheinigen Mantel umgehängt, Vindobona, der dir nicht patzt, aus fremdem Tuche gewebt, aber unter diesem Mantel habe ich es doch klopfen hören, dein liebes, warmes, fröhliches Herz und die Spur gefunden zu den Tiefen Heines Wesens, nur die Spur, denn wer lernt dich kennen in wenigen Tagen. Ich ging durch deine abseitigen Gassen, um deinen alten Steffel. Ich ging hinein in den herrlichen Dom zur Dämmerstunde, nur Kerzen brannten auf den Altären, wie stille Gebete sich auswärts rankend an den sich im Dämmer verlieren den Linien der strebenden Gotik. Und es war ein leises Kommen und Gehen, ein Leidbringen und Trostholen. Ein Blick war's in deine Seele, die Fremdes nimmermehr verhüllen kann. Ich sah den Morgen erwachen über deinen Dächern, die Millionen stadt reckte ihre Glieder, ich spürte den grotzen Rhythmus ihres Lebens und ihrer Arbeit. Und war es so oder glaubte ich es nur zu sehen, trug man nicht fröhlichere Herzen in seine gewiß oft dunklen Arbeitsstätten in versteckten Hinterhäusern, lag nicht in den Blicken der Vorübergehenden mehr Licht und Sonne trotz größerer Not, als in unseren Großstädten? Wie sagte doch Herr Kommerzialrat Frick am Begrüßungsabcnd im Volksgarten: Der Wiener Frohsinn wird fälschlich mitunter für Leichtsinn gehalten. Es wird oft über den Wiener gesprochen und geschrieben, als ob es ihm an Ernst, an Fleiß, an Arbeitswillen mangle, als ob er nur leichtsinnig in den Tag hineinlebe. Das ist ein ganz un richtiges Bild . Wir find nur leichtlebiger, haben nur einen leichteren Sinn, ein wenig mehr Hang zum Frohsinn viel leicht als manche unsrer Volksgenossen aus den nöMichen Teilen des gemeinsamen großen deutschen Mutterlandes! Arbeiten kann und will man bei uns auch —. Und daß wir mit dem nötigen Ernst den Frohsinn zu paaren wissen, das darf man uns nicht zum Vorwurf machen, das ist vielleicht sogar ein Vorzug. Nein, lieber Herr Kollege, nicht nur vielleicht, das ist sicher ein Vorzug. Noch vieles könnte ich berichten von stillen Einblicken in das alte liebe Herz der Stadt, doch ich irrte schon viel zu weit ab. Wenn ich über den breiten Ring dahinschlenderte inmitten seines mächtig pulsierenden Lebens im Banne der herrlichen un verwischbaren Formensprache der Gebäude, der Oper, des Burg theaters, des Rathauses, der -Museen, der Burg, der vielen alten vornehmen Palais der Wiener Aristokratie, der Denkmäler und Anlagen, dann stand es doch so vor mir, wie ich es erträumt Halle, der herrliche große Rahmen, offen und weit wie ausgebreitste Arme, um eine, gäbe es Gott, neue, sonnigere Zukunft aufzunehmen und an die stolze Vergangenheit zu reihen. Aber lvenn ich das alles nicht gesehen und erlebt hätte, wenn- mich ein Flugzeug Plötzlich am Sonntag abend im Volks gartensaale abgssctzt hätte gerade während des Konzerts des Kammerchors des Schubertbundes, mit verbundenen Augen, mitten hinein in den fröhlichen deutschen Buchhandel, und man hätte mir die Binde von den Augen genommen und gefragt: »Wo bist du?-, »In Wien» hätte ich gerufen- Wo singt man so wie hier, so mit der Seele, so mit dem ganzen Menschen, als könnte es gar nicht anders sein. Hier lag ja die Musik in der Luft, als hätten die großen Meister des Taktstocks sic in die Wände gebannt. Hier spürte man Schwingungen Wiener Lebens, hier zeigte Wien sein altes fröhliches Gesicht. Auf dein Podium eine Kapelle, die einem mit Schneid und Schmitz in die Seele schmetterte. Und wenn man sich umschaute im weiten Halbrund des Saales, zwischen den be kannten Gesichtern unserer Fahrtgcnossen überall neue Gesichter Wiener Kollegen mit ihren reizenden Frauen. Wiener Leut'von heut'. Überall klang's Weanerisch, die liebe Wiener Mundart mit ihrer eignen, uns Norddeutsche so ansprechenden, warmen, gemütlichen 14S0 Klangfarbe (ohne dabei die Leipziger herabsetzen zu wollen). Ja, wenn der englische Khaki-Wachmann, diese Karikatur aus Wien, nicht wienerisch spräche bis in alle Zeiten, dann hätten seine ge schmackvollen Schöpfer gewonnenes Spiel. Sprache ist doch das feste Bollwerk für Volkstum und sorgt auch hier dafür: Wien bleibt Wien. Doch wenn auch das nicht überzeugend für Wien gesprochen hätte, man brauchte nur sein großes Bücherpaket zu öffnen und die herrlichen Büchergaben des Wiener Verlages zu durchblättern. Konnte man nicht auch aus dieses Büchcrpaket die vom Rikola Verlag gespendeten tiefen und formschönen Verse von Anton Wildgans übertragen: »Ich bin ein Kind der Stadt»? Ja, diese Bücher waren echte Kinder der Stadt Wien und ein glänzen des Zeugnis ihrer hochstehenden seinen künstlerischen Kultur. Ein zelnes daraus zu nennen hieße Nichtgenanntes herabsetzcn. Aber eins möchte ich nochmals unterstreichen: Diese Büchergaben be deuten große Opfer in einer wirtschaftlich schweren Zeit für unsre Wiener Berlagskollegen, wir wollen das nicht vergessen und durch Taten danken. Zum dritten Male richtete Herr Kommerzialrat Frick ein leitend Worte der Begrüßung an uns, und auch hier wieder wußte er uns Neues, Schönes und Liebes zu sagen in immer neuer Wandlung der Gedanken, aber immer mit der gleichen Herzlichkeit. Und wenn er steigernd uns in Nußdorf als Gäste, in Baden als Kollegen und hier als Freunde begrüßte, so gab das innige Zu sammensein der letzten Tage und dieser herzliche Empfang wohl dieser Steigerung eine äußere Berechtigung, innerlich waren wir längst Freunde. Klang uns doch schon ein so herzlicher Willkommen- gruß -entgegen aus der Festausgabe des Anzeigers sür den öster reichischen Buch-, Kunst- und Mufikalienhandel mit seinen präch tigen Beiträgen reichsdeutscher und österreichischer Dichter, übrigens einer Fundgrube feiner Gedanken über das Buch und seiner Beziehungen zum Menschen. Markig, kurz und klar, wie es seine Art ist, dankte Herr Diederich, Dresden, für den Willkom mengruß. Volk will zu Volk, so begann er in Anlehnung an di« schöne, tiefempfundene, auch der Bücherspende beiliegende Dichtung des Breslauer Kollegen Erich Wolf, um mit dem ersten Verse -des Festliedes seines Dresdner Freundes Hayno Focken mit den Wor ten zu schließen: Die Grenzen sind eiteles Menschenwerk, Ein Morgen wird sie verrücken; Denn Deutschland ist dort, wo die Herzen deutsch, Und Herzen schlagen die Brücken, in diesen beiden Gedanken das umspannend, was der -immer wieder aufklingende Grundakkord der ganzen Tagung war. So verhalfen diese begeisternden Worte Diederichs auch dem nach folgenden gemeinsam gesungenen Festliede zu einer warmen, den Dichter ehrenden Aufnahme. Kollege Paetsch-Königsberg, Konsul der Österreichischen Bundes-Republik, gedachte seiner vielen Be ziehungen zu dem schönen Donaulande -und weihte sein Glas dem österreichischen Frohsinn, nicht leichten Herzens den eigentlichen Kurs seiner Rede ändernd, der mit wehenden Wimpeln aus die Damen lossteuerte. Doch hierfür war der gekrönte Frauenlob der Homburg-cr Tagung, Paul Nitschmann, ausersehen, der wie immer in formschönen Gedanken dieser unerschöpflichen Aufgabe in einer gründlichen Analyse beizukommen suchte. Den Höhepunkt des Abends bildete zweifellos der Kammerchor des Schubertbundes mit seinen herrlichen Gaben. Wem das Trutzlicd dieser Meister sänger nicht in Herz und Gebein drang, wen es nicht mit fortriß in seiner gestählten Kraft deutschen Willens, dem ist nicht zu helfen. Nicht endenwollender-Beifall umrauschte die Sänger, und der Dank Georg Schmidts, unseres Verbands-Vorsitzenden, den gottbegna deten Sängern und Wien, der Stadt der Musik, dargebracht, fand ein jubelndes Echo, ebenso die fein-innigen Dankesworte des Vorsitzenden des Schubertbundes, die -dem Geiste-der alles ver einenden Liebe galten. Herr Alberti, Mönchen, gedachte der Manen der-großen Geistesheroen Wiens. Ein gewisser Hayno Focken, der nun einmal das Dichten und Necken nicht lassen kann, hatte zur Belebung -der üblichen Sammlung für den Unt-erstützungsverein eine Kapu- zinerprcdigt gebaut, di« durch den temperamentvollen Vortrag
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