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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.12.1926
- Strukturtyp
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- 1926-12-09
- Erscheinungsdatum
- 09.12.1926
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- Deutsch
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idL 286, 9, Dezember 1926, Redaktioneller Teil. Börsenblatt f.d. Dtschn. Buchhandel. des Arbeitslebens und seit der Einführung des Generalnenners >^Geld« in die Wirtschaft, Berufe, die den Schlüssel zur äußeren Existenz nicht nur des einzelnen, sondern der Gesamtheit in der Hand haben. Von dieser anderen »Schlüsselgewalt« wird heute trotz des furchtbaren Geschehens der letzten 12 Jahre oder viel mehr gerade heute (infolge dieses Geschehens?) ein verhängnis voller Gebrauch gemacht. Infolgedessen wird das Avbeitsleben, das den größten Teil der wachen Zeit jedes einzelnen und der Arbeitsgemeinschaft ausfüllt, das eine der stärksten Stützen und Träger der Gemeinschaft sein könnte und sollte, und ohne das es eine Gemeinschaft nicht gibt, eine der Hauptursachen für das Aus einanderfallen des Volkstums. Diese unwiderlegliche Tatsache dürfen wir bei allen unseren Überlegungen nicht vergessen. Der sichtbare Beweis dafür, sofern dies nötig sein sollte, ist die fort schreitende Auflösung des Berufs und dessen Ersatz durch eine neue Kategorie, unter der die Menschen zusammcngesaßt werden, näm lich durch die Klasse. Während der Beruf eine soziale Funk tion ausdrückt, drückt die Klasse die Abhängigkeitsbeziehung zum Kapital aus, ist das Wesen der Klasse das Verhältnis einer Gruppe von Arbeitsmenschen zu den Produktionsmitteln: hie Besitzer und Verkäufer von Arbeitskraft, dort Besitzer von Produktionsmitteln und Käufer von Arbeitskraft. Was hier als Wirkung dargestellt wird: das Auseinander- sallen des Volkslebens ist aber in einer tieferen und für unser Thema bedeutsamen Weise gleichzeitig die Ursache unserer heutigen Not. Arbeits- und Volksleben muß immer und überall da aus- einandersallen, wo keine gemeinsamen Ideale als letzte Wirklich keiten die Erscheinungswelt des Lebens mehr bestimmen. Das Fehlen oder die Zerstörung oder die Zersetzung letzter gemeinsamer Lobenswerte als tragender Untergründe des Lebens, als Sinn und Ziel alles Tuns im Einzelnen und im Ganzen ist die tiefste Ursache des Auseinandcrfallcns unseres persönlichen und des Ge meinschaftslebens. Wir führen alle miteinander heute ein Leben aus Jsolievschemeln. Wenn wir noch ein paar andere Menschen auf einem solchen Schemel treffen, so heißen wir das eine Gemeinschaft. Aber das Vorübergehende oder auch dauernde Vorhandensein von gemein samen Interessen schasst noch keine Gemeinschaft, ist meist nichts anderes als KoÜektivegoismus, behängt für den Gebrauch bei fest lichen Anlässen mit dem Schmack der »Ideale« Vaterland, Volk usw. Es ist eine alte Geschichte und wohl mehr als das, ein gei stiges Weltgesetz: Wann und wo das Ideal, wie in der Geschichte von Moses am Sinai, in den Wolken verschwindet, tritt an seine Stelle das goldene Kalb mit all seinen zerstörenden Wirkungen. Man sagt, die stärkste Volk bildende Kraft liege im Blut, in der gemeinsamen Abstammung. Dies ist nur teilweise richtig und gilt vielmehr für Zeiten und Völker, wo das Triebleben noch stark vorherrscht. Eine sachlich-nüchterne Betrachtung des heutigen europäischen Volks- und Völkerlebens widerlegt diese Behauptung, sofern nicht dis Rasse als Theorie, als Dogma, als. Lehre die Stelle eines gemeinsamen Ideals (oder Idols) einnimmt. Man sagt ferner, die gemeinsame Heimat schaffe Gemeinschaft. Ja, wenn alle an dieser Heimat äußeren und inneren Anteil haben. Auch die Heimat ist uns weithin zerstört worden. Mit Worten allein kann man sie nicht wieder aufbauen. Man spricht so viel von der Volk bildenden und gestaltenden Kraft der Geschichte. Ja, wenn Geschichte gemeinschaftliches Er lebnis und nicht nur gleichzeitiges Geschehen ist. Auch die Ge schichte bekommt ihren Sinn und ihre Gemeinschaft bildende Kraft nur von der sie treibenden Idee. Wo ist diese gemeinsame Idee und wo sind die Historiker, die sie uns künden? Ist nicht gerade unter den Historikern am meisten Zwietracht und Streit, wo soll da »Gemeinschaft« wachsen? »Kann man auch Feigen lesen von den Dornen?« Ein Volk aber, sagt man, hat doch als stärkstes Gemeinschafts band seine Sprache. Das habe ich auch einmal gemeint. Aber haben wir denn eine gemeinsame Sprache? Wohl sprechen wir dieselben Worte, singen dieselben Lieder, aber je mehr sie die Grundlagen des Lebens treffen, um so verschiedener, ja gegensätz licher ist ihr Sinn. Wir meinen vielfach mit denselben Worten das Gegenteil von dem, was der andere meint. Man müßte heute eigentlich jedem Bortrag, jeder sonstigen össentlichen Äuße rung über wichtige Fragen einen Vortrag mit Begriffsbestim mungen vorausschicken. So wenig Gemeinschaftswert und -kraft liegt in unserer heutigen Sprache und in unserem Sprechen. Es ist wie in der Welt der Dinge. Aus den fünf Elementen, die nach alter Lehre die Grundstoffe der Welt bilden, sind heute weit über 100 geworden. Der forschende, grübelnde, zweifelnde, zersetzende, vorwärtsstrebende Menschengeist hat die alten Bin dungen gelöst und uns die Teile gegeben. »Das Preisen die Schüler allerorten, Sind aber keine Weber geworden. Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist herauszutreiben, Dann hat er die Teile in seiner Hand, Fehlt leider! nur das geistig« Band.« Hier stehen wir vor letzten entscheidenden Fragen der Lebens und Volksgestaltung. Machen können wir hierin nichts, aber das Wesentliche sehen, das können wir: »Daß ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält, Schau' alle Wirkungskraft und Samen Und tu' nicht mehr in Worten kramen.« Das sind die tiefsten Gründe für unsere heutige Not: Men- schennot, Volksnot, Lebensnot, Arbeitsnot. Es ist aber über das Arbeitsleben noch eines zu sagen: In der Form des Berufes wirkt es auch gestaltend auf den einzelnen Berufszugehörigen. Der Beruf hat in sich die Tendenz, dem Menschen seinen Stempel auszudrücken, ihn nach seinem Bilde zu gestalten. Dies rührt daher, daß jeder Beruf bestimmte Seilen des Menschen in Anspruch nimmt. Diese werden dann besonders ausgebildet, die anderen treten zurück. Daher die verschiedenen Berufstypen. Wielen Menschen sieht man ihren Beruf an. Man kann oft auf die Frage nach dem Beruf eines Menschen die Antwort hören: Ich weiß es nicht, aber dem Aussehen nach könnte er Psarrer oder Lehrer oder Schreiber oder Kaufmann oder Offizier oder Buch händler sein. In unseren Sprichwörtern und volkstümlichen Redensarten spielt diese Tatsache eine große Rolle. Je nachdem man einen Menschen vor sich hat, sagt man Lei uns in Schwaben: das ist ein rechter Schneider, Beck (Bäcker), Schulmeister usw. Dabei überträgt man allgemein bekannte Eigenschaften der be treffenden Berufe aus Menschen mit ähnlichem Aussehen oder Benehmen. Meist sind es allerdings mehr die tragikomischen Seiten des Berufslebens, die hier in Erscheinung treten. Wenn nämlich der Beruf, ich möchte sagen, wie ein Schneuz tuch dem Menschen aus der Tasche heraushängt, dann ist er schon eine etwas komische Figur. Das heißt aber für ihn selbst, daß die Tragik des Lebens über ihn gekommen ist, daß seine Persön lichkeit einen Knacks bekommen hat, und zwar einen Knacks eben durch seinen Beruf. Ein Kaufmann, der bloß Kaufmann sein wollte, wäre in 'Gefahr, für das Volksganze zum wirtschaftlichen Raubtier zu werden. Das aber ist schon eine sehr bedenkliche Er scheinung. Es ist ungemein reizvoll, interessant und wichtig, sich diese Dinge einmal gründlich zu überlegen, insbesondere eine solche Betrachtung auf sich selbst anzuwenden. Wir hören auch in Sage, Märchen, Schwank und Schnurre von allen diesen Dingen. Es gibt doch kaum etwas Entzückenderes, keine anschaulichere Psycho logie eines Berufs als das Ihnen bekannte und geläufige schöne Märchen vom tapferen Schneiderlein, diese wundervoll« Ge schichte des Ritters von der Nadel, dessen Handwerkszeug die Nadel, ein lebensgefährliches Instrument von kleinstem Ausmaß ist, der sieben Fliegen auf einen Schlag tötet und dann den Größenwahn bekommt: »Sieben auf einen Schlag!«, und dessen spätere Helden taten lauter ausgesprochene Schneiderleistungen sind. Es ist etwas Wunderbares, wie in den Tiefen des Volkslebens solche tiefsten Vorgänge von innen heraus geschaut und gestaltet werden. Es ist ja ein ganz einfaches biologisches Gesetz, das hier wirkt, nämlich: daß bestimmte Seiten des menschlichen Wesens, und zwar des äußeren und inneren Wesens durch Gebrauch besonders ausge bildet, andere Seiten durch Nicht- oder Wenigergebrauch nicht oder weniger ausgebildet werden. Diese Tatsache ist für die I4S1
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