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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.02.1926
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- 1926-02-27
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- 27.02.1926
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49, 27. Februar 1926. Redaktioneller Teil- Es begann nun im Hause Seemann ein neues und für die Inhaber ungemein interessantes Leben, fortgesetzt unterbrochen durch lange Reisen im In- und Ausland, die zum Besuche der aus wärtigen Museen, Kunstsammler und Künstler dienten und die Gemälde herbeibrachten, an denen das neue Reproduktionsver fahren erprobt wurde. Es bewährte sich glänzend. Da ich hier den Charakter Artur Seemanns zu schildern versuche und nicht die Geschichte des Verlages schreiben will, wie ich es in meinem Jubi- läumsartikcl von 19V8 getan habe, so erspare ich mir die Liste der zahlreichen Werke, die in dieser Zeit bei Seemann erschienen sind und Freude am Beschauen und das Sichvcrsenken in die Kunst- schöpsungcn auch denen vermittelten, die bisher wenig, oder sagen wir nichts, von ihnen wußten. Diese Reisen zeitigten Beziehungen und Bekanntschaften von Gelehrten und Malern, die, wie wir aus den Briefen ersehen, Seemanns Sachkenntnis in künstlerischen Dingen, seine beispiellose Einsühlung in die Kunst der Farbe, sein unermeßliches Wissen auf anderen Gebieten und die vornehme Art seines Umganges rühmen. Dabei war er gar nicht der leichte Causeur; seine Rede versuchte gern ins Lehrhafte hinnberznwech- seln, was die Unterhaltung in der Weise beschwerte, wie die vielen Zitate und Bilder zuweilen seinen Stil. Hinwieder war er selbst der Belehrung nicht eben zugänglich, wenn er auch einmal irgendwo gesagt hat, nach Lessingschem Vorgänge, daß es auf der Welt wohl niemand gäbe, -der sich lieber -belehren ließe als er. In solchen Fällen, wo es auf eine Belehrung für ihn ankam, gab er dem Gespräche eine rasche, zum Schluß drängende Wendung. Dafür kam ihm -bei der Herausgabe der farbigen Kunstzeitschriften »-Ga lerien Europas-- und »Meister der Farbe» seine bewährte Feder wieder besonders zustatten. Wieviele Beiträge hat er dazu ge liefert, wieviele Einleitungen zu den Künstlcrmappen hat er ge schrieben, für wieviele Kunstgrößen hat er den Nachruf verfaßt! Da auch die geschäftlichen Erfolge nicht ausgeblieben waren, so fand ich, als ich mich von einer mir liebgewordcncn drei jährigen auswärtigen Tätigkeit auf besonderen Wunsch Seemanns wieder loslöste und 1907 zum zweiten Male in die Dienste der Firma trat — diesmal als Prokurist —, beneidenswerte Zustände vor. Zwar waren die Kopierbncher, die immer als Reliquien des Hauses galten, noch ine Gebrauch, aber alles sonst deutete aus Fortschritt und Fortentwicklung zum Welthaus. Dies war dem Ingenium Gustav Kirsteins zu danken. Er war die treibende Kraft. Bei allem Feuer, das den Geist Artur Seemanns entstammte, war und blieb er eine konservative Natur. Sein Wissen und Sinnen wurzelten tief in der Vergangenheit, und von der Gegen wart nahm er nur mit sarkastischen Bemerkungen Notiz. Er streifte wohl in seinen Neujahrsbetrachtungen, die er alljährlich seinen Freunden widmete, diese neuzeitlichen Bestrebungen, aber er hielt sie doch mehr sür Auswüchse, und bei der ersten Möglich keit, die sich bot, glitt er zurück in seine Zeit, in seine Welt. Das war nicht mehr die von heute. Durch die cnergievolle Geschäftsführung Gustav Kirsteins wurde es Artur Seemann immer mehr möglich, die Blicke von den Mltagsvorgängen eines Kunstverlages abznwcnden, für die er sich natürlich nach wie vor interessierte, die aber auch ohne sein Zutun erledigt werden konnten. Wenn er auch schon von 1892 an verschiedene Ehrenämter des Buchhandels innegehabt hatte, so wurde er jetzt sür größere Aufgaben zum Wahle des Gc- samtbuchhandels freier. Für die Jahre 1910—II wurde ihm das Amt des Ersten Schriftführers, von 1911—12 das Amt des Zwei ten Vorstehers und von 1916—18, die schwersten Kriegsjahre, das Amt des Ersten Vorstehers -des Börsenvcreins der Deutschen Buch händler übertragen. Es kam der Krieg, dessen erste sür ein Geschäft doch -besonders kritischen Jahre Artur Seemann säst weniger erschütterten als uns andere. Er vertrat einen Optimismus, der eigentlich immer zu seinem Wesen gehörte. Überall hals er treu und verständig, be treute seine Lichtbildanstalt und war fest davon überzeugt, daß der Höllcnkampf einen für Deutschland günstigen Ausgang haben würde. Täglich sah man ihn auch nach dem Buchhändlerhause hinübergehen, wo er seinen Vorstandspflichten in der gewissenhaften und pünktlichen Art, die ihm stets eigen war, nachkam. Seine Be schäftigung mit -der Volkswirtschaft hatte ihm ein reiches Wissen auf diesem Gebiete vermittelt. Ws Nachfolger von Albert Brockhaus wurde er Mitglied der Handelskammer. 1918 war ihm der Titel 282 eines Kommerzienrates verliehen worden als gebührende Aner kennung seiner uneigennützigen, aufopfernden Tätigkeit sür die Deutsche Bücherei. Seemann konnte sich bis zur Selbstentäußerung für eine Sache einsetzen, und nie gewahrte man bei ihm auch nur den Schein einer Absicht, aus Ämtern oder Ehrenpflichten einen Vorteil sür sich zu gewinnen. So von Grund aus reell war er auch in geschäftlicher Beziehung. Wer es daher wagte, ihm eine andere Gesinnung unterzuschieben oder nur die Andeutung einer solchen, hatte verspielt; er konnte keine Zeile mehr von ihm er langen. Von da ab sprach er nur durch -den Rechtsanwalt. Ein Prozeß springt dem Berlagsbuchhändler schnell an den Hals. Aber Seemann hatte auch solche, die andere vermieden hätten. Er ließ sich meist zu leicht ausregen, und ein von vornherein in ihm be stehendes Mißtrauen verleitete ihn zu übereilten Entschlüssen, deren Folgen Verdruß und Verstimmung, die noch lange in -ihm zurückblieben, sein mußten. Diese Prozesse, die er vielfach nicht gewann, verdüsterten den Mann, der Behagen und Selbstzufrieden heit ohnehin nicht kannte. Er alterte zusehends. Selbst in jene» Zeiten, wo seine persönlichen Verhältnisse -die denkbar günstigsten waren, als er sich ein schönes Haus in der bevorzugten Gegend des Reichsgerichts gebaut hatte, sah man nicht die heitere Miene bei ihm, die andere schon bei einem viel -geringeren Anlaß aufgesteckt hätten. Bei diesem cholerischen Temperament und seiner sonstigen zwiespältigen Veranlagung war es nun kein Wunder, daß er die Strapazen der Nachkriegszeit viel weniger gut vertrug als die, die um ihn waren. Die Roheiten der jetzt zur Macht Gekommenen, der Sturz des -deutschen Geldes, das geradezu unwohnlich gewor dene neue Deutschland -führten eine Depression int Wesen See manns herbei, die den Umgang mit ihm äußerst schwierig gestaltete. Im Jahre 1920, als ich zu meiner früheren Tätigkeit nach Stutt gart zurückkehrte, ging das noch an. Aber ich hörte dann aus Briefen, daß sich sein überall Argwohn witterndes, selbstquäle risches Verhalten inzwischen noch verschärft hatte und ihn schier zu zermürben drohte. Kurz entschlossen und mit dem dringenden Wunsche, nichts mehr von Geschäften, von Inflation und von dem ganzen versumpften Baterlande zu hören, schied er 1924 aus der Firma aus, die seinen Namen trägt, und zog nach dem Haag in Holland, wo er der Ruhe pflegen wollte und von allen Widrig keiten künftig verschont zu bleiben hoffte. Damit endete das ge schäftliche und öffentliche Wirken Artur Seemanns, der leider in nur zu kurzer Frist zu einem endgültigen Frieden eingehen sollte. Biographisches weiß ich wenig von Artur Seemann zu be richten. Er war am 30. November 1861 in Leipzig geboren. Die gelehrte und künstlerische Bildung, die ihm eignete, hatte er durch fleißiges Studium der literarischen Quellen erworben, wobei ihn sein vorzügliches Gedächtnis und eine rasche Auffassungsgabe unter stützten. Das Abitur hat er nicht gemacht. Die buchhändlerischen Wanderjahre führten ihn nach Bonn (Strauß) und Brüssel (Dietrich L Cie.), von wo er auch seine guten Kenntnisse der französischen Sprache mitbrachte, aus der er flott — bisweilen etwas frei — übersetzte. Nach Hause zurückgekehrt und voin Bater Ernst Seemann <1829—1904) als Teilhaber ausgenommen, ver heiratete er sich 1891 mit Nina von Heyman, mit der er bis zu ihrem frühen Tode (1908) in einer wunderbar harmonischen Ge meinschaft lebte. Der Ehe entsprossen acht Kinder, in deren fröh lichem Kreise ihm sicher am wohlsten war. Es gelang ihm, der schon auf die fünfzig zuschritt, zum zweiten Male in Julia Sanier eine Frau von der sonnigen Gemütsart seiner ersten zu finden, die vornehme Geistes- und Herzensbildung mit einer hausfrau lichen Begabung, wie sie selten ist, verband, und die dem verein samten Manne in den Jahren seines inneren Widerstreites eine Stütze ohnegleichen gewesen sein muß. Artur Seemann war kein Lebemann oder Genußmensch. Außer der geliebten Lektüre alles dessen, was von Bedeutung auf den Markt kam — seichte Sachen las er nicht —, Pflegte er die Musik und im besonderen wieder die klassischen Werke. In seinem Hause bin ich den Professoren Rcinecke und Riemann wiederholt begegnet, aber er vereinigte sich auch mit jüngeren Kräften zum Quartettspiel, da er selbst mehrere Instrumente beherrschte. Es war darunter mancher junge ringende Künstler, dem er etwas z» verdienen gab. Die ideale Gesinnung, die ihn beseelte, und seine Auffassung von Persönlichkeit und Charakter machte keinen Halt vor der Schlichtheit, dafern diese nur echt und rein war. Kam die
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