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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.01.1927
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- 1927-01-06
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- 06.01.1927
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U 4, K. Januar 1927. Redaktioneller TM. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Durchführung des Gesetzes weiterarbeitete, beruhte Wohl auf dem ernstlichen Willen, die von der Reichsvcrsassung vorgesehene Auf gabe nach mancherlei mißglückten Versuchen endlich durchzuführen. Die in Artikel 118 der Reichsverfassung aufgeführten Maßnahmen sollten vollzählig geregelt werden: neben dem Lichtspielgesetz von 1920 und den Maßnahmen zum Schutz der Jugend bei Lustbar keiten sollte nun auch die Bekämpfung der Schund- und Schmutz literatur Wahrheit werden. In den Jahren nach 1919 war es zunächst nicht gelungen, hierin zum Ziele zu kommen, obwohl die verfassunggebende deutsche Nationalversammlung in einer Ent schließung anläßlich der Verabschiedung des Lichtspielgesetzes auf die Wichtigkeit solcher alsbaldigen Maßnahmen besonders hin gewiesen hatte. Bedenkt und würdigt man die von Anfang an vorhandenen Schwierigkeiten, so wird man Verständnis dafür finden, daß das endgültige Gesetz keine ideale Lösung ist, die allen und jeden An sprüchen genügen kann. Manche Mängel, dis auch von Anhängern der mit dem Gesetz verfolgten Absichten immer wieder hervor gehoben worden sind, mußten bei dem Zwang zum Kompromiß, den wir leider nun einmal bei unserer Gesetzesmaschinerie haben, bestehen bleiben, so, worauf bereits hingewiesen worden ist, die Mehrheit der Prüfstellen und die Indizierung kraft Mehrheits beschlusses: Jedoch sind gerade diese beiden Hauptmängel nach Möglichkeit abgemildert. Dadurch, daß nach H 4 des Gesetzes das Reich, jedes Land, der Autor und der Verleger das Recht haben, bei der Oberprüfstelle, die in Leipzig ihren Sitz haben wird, den Antrag gegen Aufnahme einer Schrift in die Liste oder den Antrag auf Streichung von der Liste zu stellen, ein Antragsrecht, das bezüglich der Aufnahme der Schrift in die Liste aufschiebende Wirkung haben kann, falls der Vorsitzende der Ober- prüfstclle demgemäß beschließt, ist die Einheitlichkeit gewähr leistet. Es besteht meines Erachtens durchaus nicht mehr die Ge fahr eines Gegensatzes zwischen Nord und Süd, wenn nur Autor und Verleger aus der Wacht sind. Eine solche einseitige »parti- kularistische« Einstellung kann auch deshalb nicht durchdringen, weil nicht etwa die Prüfstelle München ein in Braunschwcig oder in Hamburg verlegtes Buch einfach indizieren kann. Nach den Ausführungsbestimmungen ist zuständig die Prüfstelle, in deren Bereich der Verleger seine handclsrcgistcrlich eingetragene gewerb liche Niederlassung hat; in Zweiselssällcn entscheidet über die Zu ständigkeit der Vorsitzende der Oberprüsstelle. Auch der Ab stimmungsmodus in den Prüfstellen und in der Oberprüsstelle — der mit am heißesten bei den Vorberatungen umstritten war — ist so geregelt, daß man zunächst einmal abwarten mutz, ob sich die mancherlei dunklen Prophezeiungen über den Geist der Finster nis, der nunmehr über Deutschlands Literatur Heraufziehen wird, erfüllen werden. Die Prüf st eilen, von denen zunächst nur zwei, inBer - l i n und München, eingerichtet werden, sind besetzt mit einem beamteten Vorsitzenden und acht Sachverständigen. (Die Bezeich nung Sachverständiger ist gesetzestechnisch unrichtig; es mützte heißen: sachverständiger Beisitzer.) Von diesen sollen je zwei der Kunst und Literatur, dem Buch- und Kunsthandel, der Jugend wohlfahrt und den Jugendorganisationen, der Lehrerschaft und Volksbildungsorganisation angehören. Die Vorschlagslisten sind von den beteiligten Verbänden dem Reichsinncnministerium cinzu- reichen, wobei auch kirchliche Behörden ein Vorschlagsrecht besitzen. Nur wenn sechs Mitglieder der Prüfstelle für Aufnahme eines literarischen Erzeugnisses in die Liste sind, erfolgt die Indizierung, wobei ja immer noch das Einspruchsrecht für die Beteiligten besteht. Die Oberprüsstelle in Leipzig ist mit einem be amteten Vorsitzenden, zwei Beisitzern, die vom Reichsrat gewählt werden, und vier sachverständigen Beisitzern besetzt, die Vertreter der vier bereits gekannten Gruppen sein müssen. Der Buch- und Kunsthandcl ist also auch hier mit einem Beisitzer vertreten. Ent scheidungen auf Grund von Beschwerden, d. h. auf Grund des^ Antrages gegen Aufnahme oder auf Streichung von der Liste oder gegen den Beschluß der Prüfstelle aus Nichtaufnahme können nur mit qualifizierter Mehrheit und zwar b : 2 ergehen, falls nicht entsprechend der Beschwerde erkannt wird. Es wäre sicher besser 18 gewesen, für diese Entscheidungen die geforderte Einstimmigkeit festzusetzen, denn jetzt ist möglich, daß durch zwei Stimmen eine liberale Handhabung vereitelt wird. Bei den Prüfstellen ist da gegen eine Rechtsprechung gegen die vereinten Stimmen des Buch handels und der Autorenschast unmöglich, da von den neun Stim men sechs für die Aufnahme sein müssen. Das Gesetz sucht auch in anderer Beziehung die gehegten und geltend gemachten Befürchtungen zu entkräften. Man kann es natürlich lediglich als schöne oder leere Geste bezeichnen, wenn es bestimmt, daß keine Schrift wegen ihrer politischen, sozialen, reli giösen, ethischen oder weltanschaulichen Tendenz als solche auf die Liste gesetzt werden darf. Aber schließlich war eine solche Be stimmung nötig, weil gerade in politischer und ethischer Beziehung starke Bedenken geltend gemacht wurden, zumal da leider Periodische Druckschriften mit vom Gesetz umfaßt werden. Es wäre auch be grüßenswert gewesen, wenn der Gesetzgeber eine positive Fassung dessen gebracht hätte, was unter Schund- und Schmutzschristen zu verstehen ist. Versuche, eine Definition hierfür zu geben, sind oft unternommen worden; aber alle bisher angeführten Merkmale geben nicht alles, sondern immer nur einzelne Anhaltspunkte. So brauchen Massenauflage und Vertriebsort durchaus nicht aus schlaggebend zu sein; auch ist nicht alles, was seicht ist, ohne weiteres Schund. Mangelnder künstlerischer oder wissenschaftlicher Wert, schädliche Wirkung auf die sittliche, geistige oder gesund heitliche Entwicklung der Jugend — alles sind zutreffende Merk male, die aber stets im Einzelsall gewürdigt werden müssen. Eine objektive Umgrenzung des Begriffes erscheint deshalb unmöglich, und es wird tatsächlich am zweckmäßigsten sein, die Herausbildung eines solchen der Praxis zu überlassen. Schwierigkeiten wurden auch hinsichtlich der Abgrenzung der Schund- und Schmutzschristen von den unzüchtigen gesehen. Auch da geht das Gesetz einen Weg, den man als gute Lösung ansehen darf. Der grundsätzliche Unterschied in der Behandlung der Schund- und Schmutzschristen gegenüber den unsittlichen ist der, daß erstere nicht unbedingt verboten, sondern nur in ihrer Ver breitung, soweit eben Jugendliche in Frage kommen, eingeschränkt werden. Die Verbreitung unsittlicher Werke dagegen ist schlecht hin verboten. Möglichen Kompetenzstrcitigkeiten zwischen den Strasverfolgungsbehördcn und den Prüfstellen wird dadurch vor- gcbcugt, daß der Vorsitzende der Prüfstelle Schristcn, die als un züchtig im Sinne des Strafgesetzbuches anzusehen sind, der nach dem Erscheinungsort zuständigen Staatsanwaltschaft zu übergeben hat. Wird von der Gerichtsbehörde die Unsittlichkeit bejaht, so ist ja ohnehin die Verbreitung verboten; wird sie verneint, so bleibt immer noch die Möglichkeit der Aufnahme in die Schund- und Schmutzliste, wenn die Merkmale dafür gegeben sind. Wichtig ist, daran festzuhalten, daß die Aufnahme in die Liste nicht gleichbedeutend ist mit einem Verkaufsverbot schlechthin, ebenso wie sich das Gesetz nicht etwa ausschließlich gegen den Kol portage- und Straßcnhandel richtet. Die entgeltliche oder un entgeltliche Überlassung an Personen unter 18 Jahren ist aller dings verboten und kann mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder auch mit einer dieser Strafen belegt werden. Die Abgabe an Erwachsene dagegen ist erlaubt. Dagegen ist gleichermaßen für das stehende wie für das Wandergewerbe ver boten das Feilbieten, Ankündigen und Zurschaustollen, ebenso wie das Aufnehmen von Bestellungen. Denkbar wäre eine Umgehung in der Form, daß Erwachsene für Jugendliche solche Schriften erstehen. Man dachte ursprüng lich daran, diese Möglichkeit mit durch das Gesetz zu erfassen, sah aber davon ab, um nicht ein übles Denunziantentum groß zuzüchten. Gleichen Beweggründen entspringt auch die Be schränkung des Antragsrcchtes auf die Landeszentralbehörden und die Landesjugendämter. Selbstverständlich hat jeder Staats bürger das Recht, sich an diese zu wenden; er kann aber nicht unmittelbar die Prüfstelle in Anspruch nehmen. Die Möglichkeit einer Umgehung durch bloße Titeländcrungen oder den Charakter nicht beeinflussende Jnhaltsänderungen sieht das Gesetz vor. Es muß ein sachlich tatsächlich neues Werk vor liegen, wenn die Indizierung nicht mehr wirksam sein soll. Ge rade diese Vorschrift ist für den Buchhandel besonders bedeutsam.
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