Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1927
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- 1927-01-15
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^ 12, 15. Januar 1927. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. »Wissenschaftsprovinzen sind labiler und unsicherer als Staats- I territorien. Verschiebungen lassen die Hand des umsichtigen Kultur- polititers erkennen oder zeigen umgekehrt im voraus an, daß ein Volk sich einem neuen Stern zuwendet. Die Wichtigkeit der Frage 1 mögen die Beispiele zeigen. Für die Eidgenossenschaft ist die mitten I durch das Land gehende Provinzgrenze schon lange eine innerpolitisch I schwere Belastung. Das macht sich in den Vorlesungssprachen bemerk bar. Freiburg in der Schweiz, zwischen Neuchätel mit rein französi- 1 schen und Bern mit rein deutschen Collegs gelegen, besitzt an seiner I Universität in Europa gewiß einzigartige Verhältnisse, es wird nicht nur deutsch und französisch an diesem Ort gelesen, durch den mitten hindurch die Sprachgrenze geht, sondern auch noch Latein ist offizielle I Vorlesungssprache. Deutlich ist die geschickte Kulturpolitik Frank- I rcichs im Orient aus einem ursprünglich rein geopolitischcn Kampf I hervorgegangen, in dem nun auch wissenschaftspolitische Waffen vir tuos gehandhabt werden. In der Türkei, auf dem Balkan, spricht und schreibt man französisch. Bei den slavischen Völkern der kleinen Entente mag eine gewisse Verwandtschaft des Temperaments differen- I zierter Geister die Brücke schlagen Helsen. Bei den Slawen der öster- I reichischcn Nachfolgestaaten sind es aber bekanntlich politische Gründe, denn auf jedem Kongreß beobachtet man, daß sie bei offiziellen Ge legenheiten, wie Vorträgen und Ansprachen, die ihnen schlechter ge läufige französische Sprache gebrauchen und nachher im persönlichen I Verkehr gern wieder besseres Deutsch sprechen . . . Polen wird wohl I ans der alten Tradition immer der französischen Wissenschaftsprovinz hörig sein, Böhmen ging aber in corpore 1918 von einer Provinz in die andere über. In Konstantinopel haben — mit wechselndem politischen Einfluß — Russen und Franzosen wissenschaftliche Institute eröffnet, bei den Deutschen kam es nur zur Absicht. Heute versucht Frankreich wieder dasselbe, denn trotzdem die Angora-Türkei die Entente nicht »liebt, gehört sie doch noch zur französischen Provinz. Die spanische I Wissenschaftsprovinz ist heute rein sprachlich bedingt, aber von siche rem Bestand. In Südamerika ist der deutsche Landwirt und Tech niker gerade so wie der amerikanische Olgeolog und der schweizerische Bergmann gezwungen, spanisch zu publizieren. Die verschiedene Zu gehörigkeit der Skandinavier entspricht ihren wissenschaftlichen und geographischen Bedingungen. Norwegen scheint ganz in die englische Provinz iibcrzugehen, die letzten Festen deutschen Geistes sind die alten Hansestädte Bergen und Drontheim, während Oslo schon ganz englisch publiziert. In Rußland haben sich die Dinge spontan geändert. Trotz der großen Zahl der wissenschaftlich hervorragend talentierten Dcutschbalten in Rußland (und Deutschland) wurde die Zugehörigkeit Izur französischen Provinz zur Zeit des Panslawismus immer deut- ! licher*). Das ist jetzt radikal anders geworden. Wer in Sowjet- ! Rußland reist, kommt mit Französisch bestimmt nicht, mit Deutsch immerhin durch. Einige Bemerkungen über die Wandlungen, die man auf Internationalen Kongressen der Nachkriegszeit beobachten kann, seien im Anschluß an diese Tatsachen gemacht. Auf dem 3. Jnter- ^ nationalen Limnologenkongreß 1925 in Rußland hörte ich französisch nur wenige Gelehrte der vorletzten Generation und die Diplomaten sprechen. Bei der 4. Internationalen Pflanzengeographischen Exkur sion 1925 in Skandinavien, die aus allen Erdteilen besucht war, war die Gebrauchsfolge der Verkehrssprache: deutsch, schwedisch, russisch, englisch. Beim Pedologenkongreß 1923 in Nom wurde Französisch nur in offiziellen Ansprachen gebraucht. Die Franzosen verkehrten eigen tümlicherweise nlit den Tschechen und den Polen mit Hilfe der deut schen Sprache. Da zeigen sich.Wandlungen und radikal andere als die für die deutsche Wissenschaft erwarteten Folgen der französischen Jso- lierungspolitik. Der Internationale Gcologenkongreß zu Madrid 1926 mar wie immer reich von Theoretikern und Praktikern der Boden- ! schätzenutzung besucht. Offizielle Kongreßsprachen waren die vier Wissenschaftsprovinzen. Wenn von den 92 Vorträgen 24A spanisch vorgetragen wurden, ist das natürlich; die unerschlltterte Stellung der deutschen Provinz zeigt aber die nächsthöchste Zahl von 20?L der Vor träge in deutscher Sprache . . .« Auf die Selbständigkeitsbestrebungen kleiner Staaten (Lettland, Finnland, Polen, Tscheche! usw.) macht Wasmund ferner aufmerksam, glaubt aber, daß sie zur Ohnmacht verurteilt sind. Interessant ist jedoch in diesem Zusammenhang, daß Italien auf dem Internationalen Geologenkongreß zu Madrid 1926 die künftige Zulassung seiner Sprache als der fünften Kongreßsprache durchzusetzen vermochte. Das ist eine Bestätigung unserer schon oben geäußerten Ansicht, daß Italien die Schaffung einer eigenen Wissenschaftsprovinz bewußt anstrebt. *) Diese Beobachtung von Wasmund ist nur bedingt richtig, denn neben der panslawistischen Strömung, die in Frankreich vornehmlich den willkommenen Helfer gegen England (Konstantinopcls wegen) er blickte, lief stets eine von der deutschen Wissenschaft (Hegel) sehr stark beeinflußte zweite Strömung einher. Wasmund will durch seine Studie zu Gedanken über die Bedeu tung von Wissenschaftsprovinzen für bie Politik anregen. »Der kluge Kulturpolitiker«, sagt er, »kann mit rechten Mitteln seine Provinz ver größern oder sein Land einer anderen Provinz zuführen, und es mag erhebliche Folgen für das Prestige, den Kredit usw. haben. Die Fran zosen sind hier immer genial gewesen, und gute Teile ihrer Erfolge in der Levante danken sie diesem Vorgehen. Oder es lassen sich für eine vorausschauende Außenpolitik aus der schwankenden, krisenhaften Zu gehörigkeit eines Staates zu gewissen Wissenschaftsprovinzen schon zu künftige Hinneigungen, Bindungen zu den Kernländern ablesen, die später nicht nur dem kulturellen Zentrum der Provinz gelten mögen. Tie Ausnutzung der Situation, die Benutzung kleiner Kennzeichen, das Lenken schwankender Haltungen oder die zielbewußte Erweiterung der eigenen Provinz ist Sache des Kulturpolitikers, aber es gehört nicht nur außenpolitischer Blick, sondern auch reiche Erfahrung im wissenschaftlichen Leben dazu«. »Als bekannte Mittel dieser Bezirke seien folgende genannt: Errichtung von Auslandschulen, von Auslandinstituten im Reich, von eigenen Einrichtungen im Ausland (z. B. Deutsche Biologische Station Neapel, Deutsches Archäologisches Institut Nom, Russisches Archäologisches Institut Konstantinopel, Französisches Institut War schau, die mannigfachen Institute der N. S. F. S. N. zum Studium der Sprachen und Kultur des nahen und fernen Ostens) und schließlich Ex peditionen. Man fördert offiziös die Verbindung einzelner Gelehrter innerhalb der Länder einer Wissenschaftsprovinz, man gründet inter nationale Gesellschaften mit dem Schwerpunkt in einer Provinz. Heute schon beginnen Japan und China, die nun westeuropäische politische Tendenz von beiden Seiten studieren konnten, nicht nur englisch, son dern auch deutsch zu publizieren. Die staatliche Nationaluniversität zu Peking besitzt jetzt ein Germanisches Seminar, an einer großen Zahl chinesischer Hochschulen werden Lektoren für die deutsche Sprache angestellt. Der Vertreter Chinas beim Madrider Geologenkongreß sprach deutsch. Das beste Beispiel für die Einsicht in die Bedeutung der geschilderten Vorgänge bietet der Versuch der französischen Wissen schaftsprovinz, mit Hilfe der englischen die deutsche zu boykottieren und völlig zu zerstreuen. Doch kommt es nicht nur auf die politische Macht, sondern auf innere Durchschlagskraft der Provinz an, und der Versuch ist heute als mehr wie gescheitert anzusehen.« Wasmund hat als Außenstehender des Buchhandels als eines ungemein wichtigen Mittels zur Stärkung einer Wissenschaftsprovinz nicht gedacht, es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß namentlich den Auslandbuchhändlern eine große Bedeutung in dieser Hinsicht zukommt. Sie sind es, die durch ihre Tätigkeit und durch ihre per sönlichen Beziehungen zu den gelehrten Kreisen ihres Landes oft dazu beitragen, die Verbindung oder Zugehörigkeit zu der in Frage stehen den Wissenschaftsprovinz zu kräftigen. Und eine noch größere Nolle spielt in dieser Hinsicht der Verlag, denn er trägt, ein gut Teil der Verantwortung an der Mehrung oder Minderung des Ansehens einer Wissenschaftsprovinz. In seiner Hand liegt oft genug die Entscheidung über die Gestaltung der wissenschaftlichen Aktivität, die im Buch ein wichtiges Mittel des Einflusses besitzt, um eine Wissenschaftsprovinz über ihre sprachlichen Grenzen hinaus zu erweitern, und häufig ver mag die persönliche Initiative des Verlegers Werke entstehen zu lassen, die dank ihrem Zuschnitt auf die besonderen Bedürfnisse eines anderen Landes, durch Stoffwahl und Darstellung geeignet sind, unsere wissenschaftspolitische Bedeutung in jenem Lande nachhaltig zu stärken. Darum ist es ein unbedingtes Erfordernis, daß der Verlag über die Vorgänge sich auf bem laufenden hält, die zu Verschiebungen der Grenzen der Wissenschaftsprovinzen führen, und daß er mit den von ihm abhängigen Mitteln Hilfe leistet, um solche Verschiebungen zugunsten der eigenen Wissenschaftsprovinz zu fördern. Wasmund sagt sehr richtig, daß eine weitschauendc, kluge Hand habung der Kulturpolitik dazu führen kann, die eigene Provinz zu vergrößern oder ein Land einer der großen Provinzen zuzuführen. Auch Wasmund betont, was in den Spalten dieser Zeitschrift ja schon oft ausgesprochen worden ist, daß Frankreich die vorbildliche straffe Organisation und vortrefflich ausgebildete Kräfte dafür besitzt. Frank reich erreicht seine Ziele namentlich auch deswegen, weil Kulturpolitik ihm ein streng kontrollierter, wesentlicher Teil seiner Außenpolitik überhaupt ist, nicht aber, wie z. T. in Deutschland, ein Tummelplatz für jeden, der sich dazu berufen glaubt, die Welt an Ideologien genesen zu lassen. In Frankreich sind auch die Beziehungen zwischen Außen politik und Buchhandel erheblich enger, und mehr als bei uns üblich wird der Buchhandel als eine Stütze der Kulturpolitik betrachtet und gefördert. Freilich muß gesagt werden, daß ein Teil des deutschen Buchhandels sich noch in viel zu geringem Grade um die großen kulturpolitischen Auslanbfragen und -Aufgaben kümmert und offenbar in stärkerem Maße als bisher einer kulturpolitischen Be ratung bedarf, um in die Nolle eines zuverlässigen, vcrantwortungs- 59
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