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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.03.1927
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- 1927-03-16
- Erscheinungsdatum
- 16.03.1927
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mit dem Idealismus, gute Bücher billig für das Allgemeinwohl zu retten, sondern Verleger aus dem profaneren Wunsche, ihren Maschinen Futter und wieder Futter zu geben und eine Ware zu produzieren, zu der sie das Rohmaterial als vogelfreien Wert fanden. Der honorarfrei gewordene Autor war für sie das will kommene Ausbeutungsobjekt. So haben wir bei allen in den letzten Jahren frei gewordenen Autoren gesehen, daß sich Dutzende von Unternehmern, die plötzlich zu Verlegern geworden waren, auf dieses frcigewordene Gut stürzten, um es in ihrem Sinne aus zuwerten, d. h. in ungeheuren Auflagen auf den Markt zu werfen. Vor dem regulären Verlage hatten die neuen Verleger von vorn herein den ungeheuren Vorsprung ihrer gemischten Be triebe. Blieb beim »Verlegergeschäft- kein Gewinn und mußte der Druck auch ohne wesentlichen Überschuß kalkuliert werden, so verdiente die Buchbinderei in das gemeinsame Portemonnaie. Da das zuflicßende, wirklich wertvolle Material an freiwerdendcn Autoren dem Hochbetriebe dieser neuen Verleger nicht genügte, mußte natürlich auch Minderwertiges kritiklos mit hereingenom men oder an sich Wertvolles weit über Gebühr hinaufgelobt wer den. So kam es, daß uns nun etwa nach Freiwerden von Gustav Freytag seine Werke in Millionen von Exemplaren wie eine neue Offenbarung geschenkt wurden, d. h. daß Millionen von Büchern eines längst Gestorbenen, der von unserer Zeit, wenn sie bei aller Ehrerbietung auch ehrlich sein will, doch nur noch aus den Gesichtspunkten der Kulturgeschichte ge wertet werden kann, honorarfrei auf den Markt strömten und den Markt für die Stimmen derer verstopften, die noch im Leben stehen und die den Lebendigen und Vorwärts st re denden wahrhaftig mehr zu sagen haben als jene verblaßten, zu künstlichem Dasein neu aufgeschminkten Werke, deren beste Verdienste in einer vergangenen Epoche ruhen. Auch ein nur mittelmäßig Schaffender aus unseren Tagen hat, wenn er fest im Leben seiner, unserer Umwelt steht, als Anreger und Aus blicker mehr motorische Werte für die zeitgenössische Allgemeinheit zu geben — als wir -sie etwa von der Auffrischung irgendwelcher verstaubten Makartbuketts erwarten dürfen. Der Kampf der Lebendigen geht um den freien Weg, den ihnen der schwunghafte Mumienhandel versperrt. Denn fragt man sich vor dem Problem der etwaigen Bei behaltung einer 30jährigen Schutzfrist heute: cui bono?, so gibt cs nur eine einzige Antwort: Zugunsten von ein paar Dutzend neuer Verleger, die aus der Not ihrer Falz maschinen und Schnellpressen zur Tugend des Verlegens kamen, um alte Literatur auf neu ausgebügelt zu vertreiben. Zum Wohl der deutschen lesenden Massen? — kaum noch in irgendeiner Weise! Möge sich einer von denen, die mit großen Worten für breiteste Vervolkstümlichung des gei stigen Gutes stimmen, ehrlich fragen, ob der Entwicklung unseres deutschen Volkes damit ein Dienst erwiesen worden ist, daß es — um bei dem einmal aufgegriffcnen Beispiel zu bleiben — in diesen letzten anderthalb Jahren rund 3 Millionen Bände Freytag scher Werke aufzunehmen bestimmt worden ist durch eine faszi nierende Billigkeit des Preises, durch eine posthume, übersteigerte Verhimmelung, auf die diese Werke angesichts unserer heutigen Lebensnotwendigkeiten Wohl kaum noch ein Recht haben! Ich möchte ein Beispiel anführen: Ich hatte vor Jahr und Tag Gelegenheit, einen jungen Menschen zur Konfirmation zu beglückwünschen; auf seinem Gabentische lagen, von verschiedenen Verwandten und Angehörigen gestiftet, fünfmal Freytags -Soll und Haben-, und ich frage: würde diesem jungen für die Zukunft zu bildenden Menschen ein nicht unvergleich lich größerer Dienst erwiesen worden sein, wenn er statt dieser 5 Stücke eines guten, aber doch veralteten Romans 5 Werke von lebendigen Menschen erhalten hätte, die ihm und seiner auf kommende Lebensarbeit gerichteten jungen Seele etwas Positives gegeben hätten, etwas Positives im Hinblick aus Einblick in unser gegenwärtiges Leben, etwas Positives im Hinblick auf die Wege, die wir zur Erreichung einer neuen, gefestigten Selbstän digkeit zu gehen haben? Ich will mit all dem nicht etwa sagen, daß Freytags »Soll und Haben» nicht auch seinen Platz in der Literatur des Heranwachsenden jungen Menschen finden soll, die Art aber, wie dem deutschen Volke durch die übersteigerte Industrialisierung des Nach drucks Valeurs von nur sehr begrenzter, oft auch von nur sehr Problematisch gewordener Bedeutung mit den suggestivsten Mit teln der Reklame als heiligstes Literaturgut zum Schaden des aus der Zeit entstehenden aufgedrängt worden sind, ist ein Unding, und es ist dringend notwendig, daß dessen Quelle dadurch verstopft werde, daß den bloßen Nachdruckern der Brot korb zunächst auf 20 weiters Jahre höher gehängt werde. Lassen Sie mich nun die Auswirkung der Tätigkeit dieses Auch-Vcrlegertums auf den regulären Verlag und auf die schaffen- den Autoren betrachten. Statt der 5 Exemplare von »Soll und Haben-, die auf dem Tische jenes jungen werdenden Kaufmanns lagen, hätten, wenn jenem Auch-Vcrlegertum die Zügel etwas kürzer gehalten wären, aller Wahrscheinlichkeit nach 5 Werke des regulären Berlages und von lebendigen, für Gegenwart und nahe Zukunft bedeutungsvollen Autoren gelegen. Wir klagen immer wieder über den notleidenden belletri stischen Verlag, und wir sehen wankende Firmen und Zusammen brüche in unseren Reihen. Wir suchen die Schuld in der der Kultur und Literatur abgewandten Zeit, wir suchen sie beim überhand nehmen des Sports und Tanzes, beim abziehenden Kino und Radio, wir suchen sie bei den Magazinen und Buchgemeinschasten. Schwerer als alle diese Faktoren wiegt das immer höher anschwel lende Übel der spekulativen Nachdrucke frcigewordener Autoren. So wie der lebendige Autor heute mit seinem Buche keinen Weg mehr zu den Lesern findet, weil die Straße zu ihnen verstopft ist durch die Massen der künstlich mobilisierten Toten, die man dem deutschen Volke heute wieder als höchstes Gut zu billigsten Preisen anbietet, so ist der moderne belletristische Verlag, der mit dem lebendigen Autor verbündet ist, mit seiner neuen Pro duktion vom Markte verdrängt durch die Buchmassen der Auch-Verleger, die jährlich Millionen auf Millionen von honorarfreien Bänden auf den Markt werfen und die Käufer schichten damit saturieren. Vor kaum 14 Tagen hat auf Anregung des neugegründeten »Aktionsausschusses- eine Sitzung im Reich swirtschafts- rat stattgesunden, zu der die Delegierten aller interessierten Kreise der künstlerischen und buchhändlcrischen Verbände geladen waren. Hier fanden sich unter andern der Schutzverband deut scher Schriftsteller, die Verbände deutscher Bühnenschriststeller, deutscher Erzähler, deutscher Filmautoren zusammen mit den Verbänden der Musikalienhändler und Musikalienverlegcr, dem Reichswirtschaftsverband bildender Künstler, dem Deutschen Bühncnverein, der Arbeitsgemeinschaft der Verlegerverbände für Plastik und dem Buchhändler-Börsenverein. Während alle Verbände restlos vor den Delegierten der Reichsbehörden unbedingt für die 50 Jahr- Frist eintraten, blieb es allein dem Buch händler-Börsenverein Vorbehalten, sich als »30 Jahr-Kämpfer» zu manifestieren. Meine Herren, es ist schon betont worden, daß der Buch händler-Börsenverein sich seinerzeit gewissermaßen optierend auf die Idee der 30jährigen Schutzfrist gestellt hat. Das alte Lateiner- Sprichwort heißt: erraro buinsnum est — turpo in errvl'0 porso- veraro. Der Buchhändler-Börsenvercin sollte diese Weisheit sich endlich zu Gemütc führen, denn der Standpunkt, den er bisher vertrat, führt zumRuin desregulären lebendigen Verlages und führt zum Ruin der lebendigen Autoren. In der erwähnten Propagandafchrift -30 oder 50 Jahre?» ist die Wechselwirkung zwischen der Bemessung der Schutzfrist und dem Wohle der Lebendigen so vollkommen verkannt, daß auf Seite 9 in Sperrschrift der folgende Satz verewigt ist: »Geistige Arbeiter? Was hat deren Not mit einer Frage zu tun, die erst ihre Erben dreißig Jahre nach ihrem Tode überhaupt zu berühren anfängt? Wie kann eine Verlängerung der Schutzfrist auf die Lage der
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