Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.10.1880
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- 1880-10-11
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- 11.10.1880
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23«, I I Oktober. Nichtamtlicher Theil. 4,95 Nichtamtlicher Theil. Ein Wort zur Beruhigung in dem Orthographie-Streite.*) Als zu Beginn des Jahres 1876 aus den Ruf des Ministers Falk eine Anzahl Germanisten, Schulmänner und Vertreter des Buchhandels und Druckgewerbes in Berlin zu einer Conferenz zu sammentraten, um über eine Regelung unserer so zerfahrenen Recht schreibung zu berathen, da wurden sie von dem ganzen Volke mit wahrer Begeisterung begrüßt. Man hoffte, daß nach der politi schen Einigung Deutschlands nun auch auf diesem Gebiete die Einheit erzielt werden würde, die von Allen so dringend ersehnt wurde. Als aber vor kurzer Zeit jene so sehr erwünschte Regelung in Bayern und Preußen, zunächst nur sür die Schulen, erfolgte, was fand sie sür eine Aufnahme? Auf allen Seiten hörte man laute Stimmen des Tadels und der Unzufriedenheit. Die Miß stimmung drückte sich vernehmlich im deutschen Reichstage aus, ja bis in die hohen und höchsten Regionen verbreitete sie sich: ich erinnere nur an den bekannten Erlaß des Reichskanzlers und an die Correctur, welche ein amtliches Schriftstück in dem Cabinet eines gekrönten Hauptes erfuhr. Während früher überall der Rus ertönte, der Zustand unserer Rechtschreibung sei unerträglich, es könne so nicht länger sortgehen, es müsse eine Einheit geschaffen werden, wird jetzt auf der Rednerbühne des Reichstags und in der Presse immer und immer wieder gepredigt, unsere Orthographie sei ganz gut, es sei gar kein Bedürsniß zur Aendernng vorhanden, nur die Germanisten und Schulmeister hätten die Orthographie- Frage künstlich erzeugt; ja ein Redner «erstieg sich sogar zu der eigenthümlichen Behauptung, vor allen, sei die Bequemlichkeit des Lehrerstandes an der ganzen Sache schuld, indem sich die Herren den orthographischen Unterricht möglichst erleichtern und abkürzen wollten. Gegenüber dieser Strömung der öffentlichen Meinung, die allerdings zum Theil auf politische Gründe zurückzusührcn ist — bekanntlich spricht man immer nur von der Puttkamer'schen Orthographie, nicht von der Lutzischen, obgleich der Minister Putt- kamer an der ganzen Sache ziemlich unschuldig ist —, gegenüber dieser Tagesstimmung scheint es wirklich an der Zeit zu sein, daraus hinzuweisen, daß diejenigen Kreise, welche bei der Frage am meisten interessirt sind, ich meine die Schule und den Buch handel, von der Nothwendigkeit einer Regelung unserer Schreib weise nach wie vor durchdrungen sind, und daß gerade sie zum allergrößten Theile die soviel geschmähte sogenannte neue Ortho graphie freudig begrüßt haben. Sehr begreiflich. Die Schule bedarf eines bestimmten Schreib- gebranches. Wie soll ein Lehrer orthographischen Unterricht er- theilen, wenn er nicht weiß, was er lehren soll? Wie sollen die Schüler Sicherheit im Rechtschreiben erlangen, wenn sie auf die Frage: Wie wird das Wort geschrieben? die Antwort erhalten: Es wird auf diese und aus jene und auch noch auf eine dritte und vierte Weise geschrieben? Wenn ein Redner im Reichstage gesagt hat, es sei einerlei, ob man gescheid oder gescheidt oder gescheit schreibe, wenn wir nur erst alle wirklich gescheid wären, so sürchte ich, daß unsere Jugend weder von dieser Antwort noch aus dieser Antwort gescheid wird. Die Schüler können nicht untersuchen, welche von den verschiedenen Schreibweisen die bessere ist, sie verlangen von ihrem Lehrer einfach die bestimmte Erklä rung: so und nicht anders sollt ihr schreiben. Wenn freilich *1 Mit gefälliger Erlaubniß aus den „Grcnzboten" abgedruckt. der Lehrer in Quarta das als Fehler anstreicht, was sein Vor gänger in Quinta mit saurem Schweiße eingeübt hat, dann ist es kein Wunder, wenn das lebhafte Gerechtigkeitsgefühl der Jugend sich dagegen empört, wenn die Schüler irre werden an ihren Lehrern, wenn sie unsicher werden in ihrem Wissen. Damit hängt aber noch etwas Schlimmeres zusammen. Wenn ein Schüler bei dem Lehrer einer höheren Classe eine andere Schreibweise lernt, als er bisher befolgt hat, so verbindet sich bei ihm unwillkür lich mit dem Vollgefühl der neuen Weisheit eine Empfindung der Geringschätzung gegen den Lehrer der niedrigeren Classe, welcher noch nicht bis zu jener Höhe der Wissenschaft empor geklommen ist, wie er. Das ist eine nicht zu unterschätzende Schädi gung der Schulzucht. Daß die Buchdrucker und Buchhändler ebenso dringend eine endliche Ordnung des orthographischen Wirrwarrs ersehnen, ist ebenso wenig zu verwundern. Es ist für den Drucker wie für den Druckberichtiger außerordentlich erschwerend, wenn dasselbe Wort bald in dieser bald in jener Gestalt erscheint. Wie weit das gehen kann, mag man daraus ersehen, daß nach der Mit- thcilung des Leiters der Hallischcn Waisenhaus-Buchhandlung das Wort maßvoll in der dortigen Druckerei in nicht weniger als fünf verschiedenen Gestalten gedruckt wird. Daher stehen Buch drucker und Buchhändler, wie vielfache Petitionen beweisen, in der vordersten Reihe der Vorkämpfer sür Herstellung einer ein heitlichen Schreibung; daher auch jene Erscheinung, welche indirekt wohl eine Hauptveranlassung zu der endlichen Veröffentlichung des seit langem vorbereiteten Entwurfs geworden ist: die Einigung einer großen Anzahl deutscher Buchdruckereien und Buchhandlungen zur Herstellung einer gemeinsamen Schreibweise unter der Aegide von Daniel Sanders. Bekanntlich richtete im vorigen Jahre die Buchhandlung von Breitkopf L Härtel an diesen Gelehrten die Aufforderung, zunächst für ihren eigenen Bedarf ein ortho graphisches Hilssbuch als Norm sür Setzer und Druckberichtiger zu verfassen. Sanders entsprach diesem Verlangen, und in kurzer Zeit hatten sich über 400 Druckereien und Verlagsbuchhandlungen in Deutschland, Oesterreich, in der Schweiz und den Ostseeprovinzen seinem Entwürfe angeschlossen — der beste Beweis, wie groß das Bedürsniß nach Regelung der Orthographie in diesen Kreisen ist. Aber eben dieses Vorgehen der Druckereien unter der Führung von Sanders ist lehrreich für die Beurtheilung des gerade jetzt so oft ausgesprochenen und verfochtenen Satzes, eine Orthographie- Reform dürfe nicht vom grünen Tische aus verordnet werden, sie müsse sich organisch aus sich selbst heraus entwickeln. Das ist eine irrthümliche Ansicht von der Geschichte unserer Rechtschreibung. Alle die verschiedenen Entwicklungs-Phasen der deutschen Ortho graphie sind nicht von selbst eingetreten, sondern sic lassen sich im Wesentlichen aus den beherrschenden Einfluß einzelner Sprach- meister zurücksühren, die vermöge ihrer tonangebenden Stellung gewisse Neuerungen zu allgemeiner Anerkennung brachten. Die jetzt übliche Schreibweise heißt die Adelung'schc oder Hcysische, Adelung selbst spricht von einer Gottsched, scheu Orthographie, und vor Gottsched war die Höllische oder Frcyer'sche Ortho graphie die herrschende. Die jetzt viel gebrauchte sogenannte histo rische Schreibweise knüpst sich an den Namen Jacob Grimm's' und die allerneueste phonetische Recht- oder richtiger gesagt Nnrccht- schreibung heißt nach ihrem Hauptvertrctcr die Frikkischc. Was bei einer spontanen Entwickelung herauskommt, sehen wir am besten an dem jetzigen orthographischen Wirrwarr in unseren wissenschast- 577»
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