Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.11.1880
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1880-11-17
- Erscheinungsdatum
- 17.11.1880
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18801117
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-188011173
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18801117
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1880
- Monat1880-11
- Tag1880-11-17
- Monat1880-11
- Jahr1880
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bisweilen mochte wohl der Kunstsinn eines hohen Herrn einen Schriftsteller, dessen Talent er ehrte, unterstützen; aber selbst in diesem günstigsten Falle hat die Sache für unser Gefühl doch »och immer etwas ungemein Verletzendes. Ein moderner Schrift steller, der sich der Gunst irgend eines Geheimen Commerzien- rathes, sagen wir: Freiherrn von Mäcenas zu erfreuen hätte und von dessen Liberalität umfassenden Gebrauch machen würde, würde nach unfern heutigen Auffassungen eine keineswegs an genehme Rolle spielen. Er würde die schärfste Beurtheilung zu erfahren haben, und man würde es nicht begreifen, auf welche Eigenthümlichkeit er den Anspruch begründet, seine Existenz aus andern Mitteln zu bestreiten als andre anständige Menschen: nämlich aus dem Ertrage seiner Arbeit. Aber ich habe hier noch den günstigeren Fall citirt: daß die Unterstützung durch den Kunstsinn des Gebers veredelt wird. In vielen, ja in den meisten Fällen war es kleinliche Eitelkeit, die den großen Herrn dazu veranlaßte, die Börse für den armen Poeten zu ziehen, und er erkaufte damit Schmeicheleien. Wenn man heutzutage die Widmungen liest, welche die größten Dichter Frankreichs, Männer, die im Uebrigen durchaus edle und lautre Naturen gewesen sind, an die Fürsten und sonstigen hohen Gönner gerichtet haben, so steigt einem die Schamröthe in die Wangen. Nicht der servilste Lump würde es heutzu tage fertig bringen, in dieser hündisch winselnden Weise vor den Großen zu kriechen, wie es die reinsten und vornehmsten Geister der französischen Nation im 17. und 18. Jahrhundert, wie es selbst Männer wie Moliöre, Lafontaine, Boileau rc. ohne Bedenken gethan haben. Der Schriftsteller fand es ganz in der Ordnung, von den Großen Geldgeschenke anzunehmen und dafür mit den unglaublichsten Schmeicheleien zu danken. Der Dichter schien damals gar nicht zu empfinden, daß die Stellung eines hesoldeten Lakaien, von dem man eine bestimmte Dienstleistung in Schmeicheleien beansprucht, der Würde seines Berufs und der Würde seines Charakters Abbruch thue. In den für die Zeit sehr charakteristischen und treuen Aufzeichnungen von Tallemant des Röaux befindet sich ein Passus, der die Stellung des Schriftstellers zu jener Zeit in drastischer Weise veranschaulicht. Es heißt da von einem der bedeutendsten, von Malherbe: „Der König beauftragte Herrn von Bellegarde, ihn (nämlich Malherbe) zu behalten, bis er aus die Liste der Pensionäre gesetzt werden könne. Herr von Belle garde gab ihm tausend Thaler Gehalt, freien Tisch, einen Lakaien und ein Pferd. Beim Tode Heinrich's IV. bewilligte Maria da Medici Malherbe eine Pension von fünfhundert Thalern, so daß derselbe seit jener Zeit Herrn von Bellegarde nicht mehr zur Last war. . . Herr Morand versprach Malherbe eine Pension von vierhundert Livres für ich weiß nicht mehr was; er lud ihn auch zum Essen ein. „Malherbe erklärte indessen, daß er nicht kommen werde, wenn man ihm nicht einen Wagen schicke. Zuguterletzt stellte ihm der Edelmann ein Pferd zur Verfügung. Nach dem Essen wurde ihm das Geld ausgezahlt." Die Situation des sogenannten „Hauptes der klassischen Dichter" Frankreichs, des Bahnbrechers der Corneille, Racine und Moliöre, läßt sich nicht knapper und betrübsanier schildern, als in diesen wenigen Malherbe gewidmeten Zeilen. Die Schrist- stellerei war eben zu Ausgang des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts nichts Anderes als ein Luxus, den sich ein hoher Herr gönnen durfte. Wenn der König kein Geld hat, überläßt er den Schriftsteller einem reichen Hosmann und ersucht ihn, denselben einige Zeit zu füttern, wie er ihm etwa ein seltenes Thier überlassen würde, an dem er sich später in seinen königlichen Mußestunden ergötzen könnte. Der König stirbt früher, da nimmt ihn die Königin auf eigene Rechnung. Die Schrift steller von damals, sagt Zola, sind seltene und kostspielige Vögel, die die großen Herren sich gegenseitig leihen, schenken, ablassen, um ihren Geschmack zu bekunden und ihren Reichthum zu offenbaren. Was Zola besonders in dem citirten Passus auffällt, ist der Stolz, den Malherbe in seiner traurigen Situation als Schmarotzer noch bewahrt. Freilich will der Schriftsteller von Herrn Morand Geld in Empfang nehmen, aber er verlangt, daß man ihm einen Wagen schicke, um es abzuholen, und nimmt schließlich mit einem Pferde fürlieb. Ist das nicht charakteristisch? Die Entgegen nahme von Almosen hat nichts Entwürdigendes; die Bedingungen, unter denen das Almosen verabfolgt wird, müssen indessen vor nehme sein; man fährt in der Equipage betteln. An einer andern Stelle sagt derselbe Tallemant: „Der Herzog von Longueville hat dem Herrn von Noailles den Dichter Chapelain, der von diesem in brutaler Weise behandelt worden war, weggenommen. Er zahlt dem Dichter ein Jahresgehalt von zweitausend Livres. Für seine Ode an den Minister Mazarin hat er ihm eine Pension von fünfhundert Thalern ausgeworfen." Also die ersten und angesehensten Schriftsteller der Zeit — denn Chapelain, der Typus des persecten Akademikers, darf trotz aller Schwächen und Lächerlichkeiten zu diesen gezählt werden — wurden unter Umständen von ihren Brotgebern maltraitirt, und dies wurde von andern reichen und vornehmen Leuten be nutzt, um sich die Betreffenden als Luxusartikel zu pachten oder zu kaufen. „Die Bedienten wechselten die Herrschaft, wenn sie von dieser geprügelt wurden", sagt Zola. Man darf also in der Thal die Stellung des Schriftstellers in jener Zeit in folgender Weise definiren: Der Schriftsteller kann nicht von seiner Feder leben; der König allein und die großen Herren können sich den Luxus gönnen, sich ihren Schrift steller zu halten. Der hohe Gönner gibt seinem Schriftsteller Haares Geld, Kost und Logis und dieser widmet ihm dafür seine Werke, lobt die Großmuth des hohen Herrn und bringt dessen Namen aus die Nachwelt. Die Lage des Schriftstellers in unsrer Zeit ist eine zum Glück vollkommen andre geworden. Sie hat sich durchaus frei gemacht von dem entwürdigenden Parasitenthum. Durch die kolossale Verbreitung der Tageszeitungen, die einer sehr großen Anzahl von Schriftstellern ein gesichertes, bisweilen nur be scheidenes, bisweilen aber auch ganz erhebliches Einkommen ge währen, durch die Herabsetzung der Bücherpreise und den da durch bedingten größeren Absatz, welchen die Bücher finden, durch die Einführung der Autorenrechte für dramatische Werke hat sich der Schriftsteller ebenso wie in Frankreich und England allmählich auch in Deutschland, wenn er nur die erforderliche Begabung für seinen Beruf besitzt und fleißig ist, aus seine eigenen Füße gestellt und von der Gunst der Großen dieser Welt emancipirt. „Das Schmarotzerthum", sagt Zola, „ist aus unfern Sitten geschwunden. Ein Schriftsteller ist ein Arbeiter wie jeder andere, der sich durch seine Arbeit sein Leben verdient." In Deutschland wird nun zwar auch heute noch behauptet, daß die Schriftsteller in andern Kulturländern, namentlich in Frankreich und England ungleich günstiger gestellt seien. Zola aber, der doch im Stande ist, die französischen Verhältnisse ganz genau zu kennen, führt einige ziffcrmäßige Thatsachen an, welche geeignet sind, diese Behauptung als eine fragwürdige hinzustellen. Er spricht zunächst von den Romanschriftstellern, und die Zahlen, die er ansührt, beweisen, daß die ersten französischen Roman schriftsteller bescheidenere Honoraransprüche machen, als unsre ersten
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder