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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.08.1926
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- 1926-08-21
- Erscheinungsdatum
- 21.08.1926
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Redaktioneller Teil. Das Buch und mein Leben. Zum Preisausschreiben der Münchener Buchwoche, 8. bis 15. November 1925. In Nummer 128 des Börsenblatts wurde zusammenfassend über das Preisausschreiben der Münchener Buchwoche 'berichtet. Nachstehend werden einige der Einsendungen selbst gebracht. Ab sichtlich werden nicht die zwölf besten Arbeiten veröffentlicht, son dern aus jeder Preisgruppe eine oder mehrere. Nummer l—IV sind die mit den vier ersten Preisen ausgezeichneten Arbeiten, die Geld oder Bücher im Werte von 75 und 50 Mark erhielten. Num mer V ist die einzige mit 30 Mark prämiierte Einsendung. Aus der dann folgenden 20 Mark-Gruppe bringen wir ein Beispiel (VI), aus der 10 Mark-Gruppe drei (VII—IX). Nummer X und XI ge hören der 5 Mark-Gruppe an, Nummer XII der letzten, der 3 Mark-Gruppe. Alles Grundsätzliche über die Einsendungen ist in dem genannten Aufsatz gesagt. Zu Schreiben XI sei bemerkt, daß es von einem Portier stammt, Schreiben XII ist von einem 17jährigen Mädchen verfaßt. Die Arbeiten sind so ausgewählt, daß aus den verschiedensten geistigen Schichten unseres Volkes Vertreter zu Worte kommen. So vermittelt hoffentlich die kleine Auswahl ein halbwegs anschauliches Bild vom Wert und Erfolg des Preisausschreibens. Vielleicht gibt sie auch den Veranstaltern zukünftiger Buchwochen Anregung, Ähnliches ins Werk zu setzen. Heute, da die Forderung nach einer Leserpsychologie von der mo dernen Volksbüchereibewegung sowohl wie von einigen voraus schauenden Männern im Buchhandel immer dringender erhoben wird, müssen alle gangbaren Wege beschritten werden, um die Forderung in die Tat umZusetzen. München ist mit bestem Bei spiel vorangegangen. Möge es bald und viele Nachfolger finden! Fr- I. Es ist sehr natürlich; das erste Buch, das ich überhaupt kennen lernte, machte mir einen Eindruck wie keines mehr. Ich konnte selbst noch nicht lesen, als uns der Vater eines Winters den Robinson vorlas. Märchen hatte man uns nie erzählt. Dieses Buch, das nur schilderte, was ein Mensch vor 250 Jahren wirklich erlebt hatte, machte uns mit bestraftem Kindesungehorsam, mit den Qualen der Einsam keit und Reue, mit Todesangst und Lebensmut erst bekannt. Wir kannten bis dorthin weder Abschiednehmen noch Sterben; Freitag, die Errettung von Freitags Vater und dessen Tod waren das erste Heim- weh, die erste erschütternde Wiedersehenssreude, der erste Trennungs schmerz, den wir erlebten. Bei diesem Kapitel ist in der alten Robin son-Ausgabe, die unser Vater als kostbaren Besitz aus seiner eigenen Kindheit heilig hielt, in Randbemerkungen eingetragen, in welcher Reihenfolge wir, der Tränen uns schämend, unter den Tisch schlüpften, bis schließlich sogar unser kleiner tapferer Bruder mit uns Schwestern gemeinsam auf der Fußleiste sitzend heulte. Wir haben aber auch mal praktische Dinge vom Robinson gelernt. Rater brachte uns eine Kokosnuß, die kunstgerecht angebohrt und ge nossen wurde; die Schalen dienten uns lange Jahre. Der Korbmacher, der Hafner, der im langen weißen Bart an der Drehscheibe saß — er nannte die Göttliche Komödie seine tägliche Lektüre und der Ober- -ammergauer Christus Lang ivar bei ihm in die Lehre gegangen —, der Drechsler, der zwei Holzstücke rieb, bis sie zwar noch nicht brann ten, aber doch sehr heiß und schwarz wurden und rauchten, die wurden Zum besseren Verständnis besucht. Wir verdampften Salzwasser, um wie der Robinson Salz zu gewinnen, wir hatten Pfeil und Bogen und ein richtiges Zelt, und jedes von uns in dem dem Garten an grenzenden Wald seinen eigenen Baum, auf dem wir wohl nicht eine stürmische Nacht verbrachten, aber doch manche Stunde des Tages ver träumten. Als man im Krieg sich auf Vorratswirtschaft einrichten mußte, im Winter 1916—17 Dotschen aß, um den größten Teil der geringen Kartoffelernte als Saatgut für das nächste Jahr zu sparen, da war uns das alles die Wiederkehr von längst Erlebtem. Zweck und Wert der Haustiere erkannten wir da. Eine tiefe Überzeugung aber vor allem ist mir von diesen frühen Kindheitsjahren an immer in der Seele geblieben. Es erschien mir so entsetzlich traurig, daß Robinson alle Dinge nur allein auf sich be ziehen mußte, daß er nur für sein eigen Brot säte und erntete, bis Freitag zu ihm kam, was uns wie eine Erlösung war; denn erst die Sorge für andre macht das Leben lebenswert. Das Buch ist eigentlich eine Menschheitsgeschichte. Wir sehen, daß unsere Lebenshaltung kaum mehr eine Ähnlichkeit hat mit jener der primitiven Menschen, die nur zum Schutze bauten und zur Stillung des Hungers pflanzten, daß aber die daraus hervorgehende Verweich lichung und der Glaube an die Zaubermacht der Technik Ursachen sind für den Verfall des Bewußtseins von einem persönlichen Gott, das den einsam der unmittelbaren Natur gcgenübcrstehenden Menschen mit elementarer Wucht erfaßt. Es liegt gerade in der heutigen Zeit für die Kinder, die heran- wachscn sollen zu einer deutschen Jugend, kaum ein wertvolleres Buch auf. Der Hang zur Loslösung von der Familie ist so stark in der neuen Generation. Sie kann am Robinson erfahren, wie der Mensch an sich arm und allen körperlichen und geistigen Ängsten preisgegeben ist, wie sehr er zur Förderung seiner Arbeit und zur inneren Er wärmung das Leben der Gemeinsamkeit, vor allem das der Familie braucht. A. B. II. Im Jahre 1905 wurde ich als Sohn eines Arbeiters geboren. Nach einer in sehr ärmlichen Verhältnissen verlebten Jugendzeit mußte ich,^gedrängt durch die Verhältnisse und materielle Sorgen, in einer Fabrik als Hilfsarbeiter mein Brot verdienen. Dort erlebte ich das Schicksal von vielen Tausenden von Arbeiterburschen und -mädels, aus denen oft die tüchtigsten Menschen hervorwachsen würden, wenn sie von irgendeiner Seite geistige Anregung erhalten würden. Tags über stand ich bei der stampfenden Maschine in eintöniger stumpfer Arbeit, umgeben von abgestumpften, von jahrelanger Arbeit zer mürbten Menschen, die ihr Dasein in Alkohol ersäuften. Abends suchte ich mir durch sogenannte seichte Schundliteratur die Zeit totzuschlagen, nicht aus Neigung zum Schlechten, sondern um mir eine eigene Welt der Phantasie und Romantik aufzubauen. Im Geiste in glänzenden Sälen zwischen vornehmen Herren und Damen bei rauschender Musik war es mir dann für einige Stunden möglich, mein eigenes Schicksal und den Alltag zu vergessen. Eines Tages spielte mir der Zufall ein Buch in die Hände, das, ich darf es wohl ohne Übertreibung sagen, trotz seines eigentlich für das praktische Leben unbedeutenden Inhalts einen bestimmenden Einfluß auf mein späteres Leben haben sollte. Ein guter Freund, der Mitglied eines Jugendbundes war, schenkte mir zu Weihnachten ein Buch, betitelt »Der Zöllncrvon Klausen«. Die wechselnden Gefühle, die sich beim Lesen dieses Werkes in meiner jugendlichen Brust auslösten, zu beschreiben, ist mir unmöglich. Ro mantik, Poesie und Geschichte haben sich zu einem Roman verschmolzen, wie man es selten bei historischen Romanen findet. (Es folgt der Inhalt des Buches.) Fiir meine spätere Zukunft sollte der Roman deshalb wertvoll werden, weil ich durch dieses Buch die erste An regung zu weiterem Lesen von guten Büchern erhielt, die ich nach 1033
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