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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.03.1884
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1884-03-31
- Erscheinungsdatum
- 31.03.1884
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- Deutsch
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1LS8 Nichtamtlicher Theil. 78, 31. MLtj. der Mönche zu so großer Herrschaft gelangte, daß beinahe alle Klostermauern und Beinhauswände mit de» damals sehr beliebten „Todtentänzen" bemalt waren. Namhafte Künstler, wie Hol bein und Andere, bemächtigten sich dieser grotesken Figur, deren Darstellung in Bildern von großem räumlichen Umfange und bedeutender geistiger Conception sich in den Todtentänzen zu Basel und in anderen Orten bis in die Neuzeit erhalten hat. Erfreulicher Weise tritt diese abschreckende mittelalterliche Figur des Todes in den Bildern unserer Zeit, wenn überhaupt, nicht mehr so aniprnchsuoll hervor, der Teufel dagegen zeigt sich sehr dauerhaft, er ist in der Caricatur immer noch eine Lieblings figur des Volkes, wenn auch, wie erwähnt, in der veränderten Darstellung als lustige Person. Für die düstere Komik der Jahrhunderte vor der Refor mation besitzen wir heute noch einen anderen beredten Zeugen. Ich glaube nicht fehlzugreifen, wenn ich jene grotesken Unge heuer, die häßlichen Zwittergestaltcn mit Riesenbeinen und weit ausgerissenem Maule, jene Zwergleiber mit dürren Froschbeinen, wie sie uns an den alten Gebäuden in Nürnberg, Braunschweig, Lübeck und Danzig begegnen, wenn ich sie als eine Persiflage aus den Teufel bezeichne. Wir begegnen diesen carikirten Ge stalten ferner häufig in den Miniaturmalereien der Mönchs handschriften aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Eigenthümlich ist der didaktische oder symbolische Charakter, welcher durch die damalige Darstellung hindurchgeht. Erst mit dem Bekanntwerden des „Reineke Voß" tritt ein drittes, für die Composition der Caricatur seitdem sehr wichtig gewordenes Element hinzu, das der satirischen Metamorphose. Das genannte herrliche Epos, der Vorläufer der geistigen Freiheit des Zeitalters der Refor mation, gab der Caricatur eine ganz andere, freiere Gestalt, die überraschend erscheint, weil bei der nahezu unbeschränkten gei stigen Herrschaft der Geistlichkeit zu jener Zeit die oft sehr kecken Angriffe auf das Pfaffenthum doch sehr gewagt waren. Aber thatsächlich spottete man damals nicht des Teufels allein, son dern mehr noch derjenigen, welche ihn ausstellten, wozu die wüste Klostcrwirthschaft allerdings einen überreichlichen Stoff bot. Als dann Luther den schlummernden Funken der Erkennt- niß bei den Denkern zur Hellen Flamme ansachte, als mit der Erfindung der Buchdruckerkunst die technische Herstellung und Vervielfältigung der geistigen Products in neue, großartige Bahnen getreten war, da vereinigten Pasquill und Caricatur sich zu dem edlen Zwecke, die Fesseln des so lange in düstere Banden geschlagenen Geistes zu sprengen, da fegte die Spott schrift wie eine literarische Stnrmfluth Alles hinweg, was der freien Bewegung im Wege stand. Ich hatte vor Kurzem in Dresden Gelegenheit, die Klemm'sche Sammlung kirchenhistorischer Mannscripte und Druckwerke zu sehen; sie enthält eine große Menge jener Flugschriften aus der Rcformationszeit, in denen sich die damaligen geistigen Kämpfe getreu widerspiegeln. Mit Ehrfurcht, und doch auch mit dem Behagen des Buchhändlers, dem ein solcher Schatz nicht oft vor Augen kommt, hielt ich die ersten Originalausgaben der seltensten Schriften in den Händen. Beispielsweise vr. Johann Eck's be rühmte Disputation mit Luther und Carlstadt, Bruder Johann Tetzel's „Vorlegung über den bebstlichen Ablas", beide im Jahre 1518 gedruckt; ferner Lnther's polemische Schriften aus den ver schiedenen Perioden seiner dreißigjährigen schriftstellerischen Thä- tigkcit, auch die gegen ihn geschleuderte päpstliche Bulle vom 17. Juli 1520 in der lateinischen Ausgabe: Rom 1520; die Streitschriften der Hutten, Melanchthon, Ulrich Zwingli und des Erasmus von Rotterdam u. A. m. Für die schon damals herr schende elastische Grobheit der Gelehrten citirc ich aus dieser kostbaren Sammlung die Streitschrift Lnther's gegen Hieronymus Emser in Leipzig, die er im Jahre 1521 veröffentlichte unter dem Titel „an den Bock zu Leipzig", weil nämlich Emser einen Bock in seinem Familienwappen führte. Dieser antwortete ihm in einer erbitterten Flugschrift, betitelt „an den Stier in Wittenberg" u. s. w. Der Totaleindruck dieser Rüstkammer einer der großartigsten geistigen Völkerschlachten, die jemals geschlagen sind, war ein mächtiger; deutlich erkennbar war dabei, daß zu den schärfsten der damals geführten Waffen auch die Spott- und Schmähschriften gehörten. Aus jener Zeit also datirt die noch heute beliebte Form der feineren Caricatur, die satirische Metamorphose, in welcher neuerdings, unter Anlehnung an die alten Motive, Kaulbach und auch Grandville so Ausgezeichnetes geleistet haben. Derzeit schon spielten Fuchs und Esel eine Hauptrolle, wenn es galt, den Mönchen eins auszuwischen; hier finden wir den Esel predigend aus der Kanzel, dort sehen wir den Fuchs im Beicht stuhl, einer, Gans das Bekenntniß ihrer Sünden abnehmend, sehr beliebt war es auch, einen Schafbock die Messe lesen zu lassen u. dgl. m. Pasquill und Caricatur erfuhren in jener Sturm- und Drangperiode der zweiten Hälfte des 15. Jahr hunderts mit dem Volksleben eine vollständige Umwandlung, die sich auch darin besonders kennzeichnet, daß beide sich viel mehr als früher der Politik zuwandten. Es setzt eben dieses Gebiet eine größere geistige Entwickelung voraus. In demselben Maße, als das Volk seit jener Zeit in dieser Beziehung Fort schritte machte, in gleichem Maße bemerken wir, daß die Spott- Schristen und -Bilder die politischen Ereignisse mehr in's Auge fassen. Man kann diese Entwickelung genau verfolgen Mit jeder neuen, epochemachenden Weltbegebenheit schwingen sich Pasquill und Caricatur auf eine immer höhere geistige Stufe, bis sic in unserem Jahrhundert zu ständigen, ganz bedeutsamen Factoren des modernen Culturlebens sich zugespitzt haben. (Schluß folgt.) MiScellrn. Verbot. — Wie mir gerichtlich mitgetheilt wurde, ist das Buch: Vasill, la. sooivtö cko Uarliu, in Berlin wegen Majestätsbeleidigung verboten worden. Leipzig, 27. März 1884. E. Twietmeyer, Ausländisches Sortiment. Wie uns mitgetheilt wird, wird die Leipziger Vcrlagsfirma I. I. Weber eine Zweigniederlassung in Berlin begründen, um daselbst durch persönliche Vertretung die Interessen der Firma, be sonders aber der in ihrem Verlage erscheinenden „Jllustrirten Zeitung", in ausgedehnterer Weise zu fördern. Prämiirung. — Vero Shaw's illustrirtes Buch vom Hunde, übersetzt und vermehrt von R. v. Schmiedeberg, (Verlag von E. Twietmeyer in Leipzig) erhielt auf der soeben stattgehabtcn kynologischen Ausstellung in Wien den ersten Preis, die silberne Medaille. Personalnachrichten. Ernennung. — Herr P. I. Tanger in Köln wurde von Sr. kaiserl. Hoheit dem Kronprinzen des Deutschen Reiches zu höchstdessen Hoflieferanten ernannt.
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