Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.10.1928
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1928-10-04
- Erscheinungsdatum
- 04.10.1928
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19281004
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192810040
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19281004
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1928
- Monat1928-10
- Tag1928-10-04
- Monat1928-10
- Jahr1928
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ 232, 4. Oktober 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. nie war es vielleicht ein größeres Kunststück, vor Gott angenehm zu sein, als heute. Das Gute zu tun, der Zeit zu dienen, das Leben und die Entwicklung zu fördern, sind viele bemüht; aber auch der Beste noch vermag es nur fragmentarisch und unge nügend zu tun, denn er ist einzeln und allein. Der Beitrag des Verlegers dagegen an die Zeit, an die Entwicklung ist nicht individuell, er ist organisatorisch; er ist — ich sage cs mit jenem Neid, besten ich eingestandenermaßen diese Existenzform sür wert halte — geistig genommen sowohl bequemer als großartiger. Der Verleger ist kein Solist der geistigen Anstrengung, er ist ihr Kapellmeister. Wo der Schriftsteller, in seiner öffentlichen Einsamkeit, nur auf sich selbst gestellt, sich sür die Zeit, für sein Volk notdürftig-ichbedingt ,ins Rechte denkt', um Goethes schönes Wort zu gebrauchen, da zieht der Verleger, überschauend, von der Gesamtbemühung all das an sich, was seinem Instinkt, seinem Gefühl des Notwendigen recht, gut und förderlich scheint, übernimmt es, drückt ihm das Zeichen seines Unternehmens auf und wirst es gesammelt ins Tressen des Lebens gegen die Mächte der Renitenz, der Dumpfheit und des Todes. Welch ein herrlicher Beruf diese Mischung aus Geschäftssinn und strate gischer Geistfreundschaft!- Den besonderen Charakter und Wert des Verlags Reclam, dessen Ursprünge und Entstehung, das Werden und Wachsen er dann schilderte, erkennt Mann in seiner unverwüstlichen Jugendlichkeit und in dem sozialen Idealismus, beides vom Gründer als Impuls ererbt und von dessen Nach folgern unverkürzt erhalten und weiter gepflegt. Seine per sönliche Stellung zur Universalbibliothek insbesondere erklärte Mann dahin: »Was mich heute an diesen Platz geführt und mich bestimmt hat, die ungewohnte Rolle des Festredners zu übernehmen — es ist Dankbarkeit, es sind Gefühle herzlicher Pietät für ein Werk, eine Kulkurtat, die meiner Jugend be hilflich war, wie sie der Jugend und Bedürftigkeit von Millionen behilflich gewesen ist. Ich denke der fernen frischen Zeiten, als meine Büchersammlung sich fast ganz aus den gelbroten Heftchen der Universalbibliothek zusammensetzte, ich denke ent scheidender Eindrücke, bildender, stärkender, begeisternder, die sie mir vermittelte. Die deutschen Romantiker Hoffmann, Eichendorsf, Arnim; Tolstois moralistische Riesenkraft; die form volle Melancholie Turgenjews; die skandinavischen Familien romane, mit deren Lektüre ich mich auf das eigene Jugendwerk vorbereitete; die rafsinierte Exaktheit der Goncourts, deren Scheinleichtigkeit dazu verlocken mochte, es ebenfalls mit einem Roman zu versuchen: dies alles und anderes wirkte auf den jugendlichen Sinn zuerst in dieser Gestalt. Was Wunder, wenn ich sie liebte in des Wortes vollster und zärtlichster Bedeutung, wenn der sinnliche Begriff des Buches, des literarischen Werkes sür mich beinah zusammenfiel mit der Vorstellung dieser Hefte, und wenn es mein Traum war, ein Erzeugnis meines eignen Geistes nach ihrer Art gedruckt vor mir zu sehen? Was Wun der nun heute, wenn es mich glücklich macht, danken zu können und, indem ich von mir spreche, zugleich auch sür all die Zahl losen das Wort zu führen, die dem Werke Philipps und Hans Heinrich Reclams Ähnliches schuldig geworden sind? Schon ist das Verzeichnis der Sammlung durchsetzt mit Namen von Heu tigen; Hauptmann ist da und Schnitzler; Stehr, Wassermann und die Huch; Ponten und Schäfer und Scholz, Meyrink und Zweig und wer nicht alles; ich selbst bin da und Jüngere und Allerjüngste; nicht erst dreißig Jahre nach unseres Fleisches Hintritt, nein, schon zu Lebzeiten sind wir eingczogen in Philipp Reclams Pantheon, und alle dürfen wir unter seiner Riesen kuppel uns ein wenig unsterblich dünken.- — Der Redner schloß: »Eine Medaille, die ein slorentinischer Künstler für Lorcnzo de Medici Prägte, zeigte auf einer Seite das Bildnis des Magni- sico, aus der anderen aber Moses, wie er Wasser aus dem Felsen schlägt, und dazu die Umschrift: ,vt bibst populus' — .Damit das Volk trinke'. Den Spruch hätte das Haus, das wir feiern, zu seinem Wahlspruch machen können an dem Tage seiner Grün dung. Es ist ein großes Glück, einem gebildeten, wissenden und gesittungsvollen Volk anzugehören, das dem Schicksal gewachsen ist und es meistert mit verständiger Hand. An der Erziehung aber unseres Volkes zu so hoher Tauglichkeit hat das Verlags haus Reclam durch ein Jahrhundert ehrenvollen Anteil gehabt. Es lebe und wirke fort noch in den Enkeln der Enkel, das Gute verbreitend, ein lebendiger Born, daran das Volk trinke. Und mit ihm, in ihm lebe der reiche, freie und immer junge deutsche Geist!- Der reiche Beifall, den der Redner erntete, galt nicht nur ihm und der Kunst seiner Gestaltungskraft, er war auch Ausdruck der Zustimmung zum Inhalt seiner formvollendeten, geistreichen Ausführungen und so in der Tat wie diese eine Huldigung für die Jubelfirma. Der Gesamtbuchhandel kann stolz sein auf diesen Tag, der sür Philipp Reclam jun. aber der schöne, verheißungsvolle Anfang eines neuen erfolgreichen Säkulums sein möge. Erinnerungen an Georg Müller. Von Reinhard Piper. Es mar im Oktober 1899, als in die Weber'sche Buchhandlung in Berlin, Ecke Charlotten- und Behrenstraße, ein »Neuer« einlrat. Wir anderen Gehilfen suchten natürlich bald Näheres zu erkunden« Er hies; Georg Müller, war gebürtig aus Mainz und Sohn eines Ledergros;händlers. Er kam ans Wien, von dem großen Sortiment Wilhelm Frick. Der Neue lispelte etwas beim Sprechen und trug die dunkelblonden Haare lang nach hinten gestrichen, so daß sie in Löckchen ans dem Rockkragen endeten. Diese Haartracht gab ihm etwas ausgesprochen Sanftes und Jünglingshaftes. Man hätte ihn für einen Predigtamtskandidaten halten können. Aber der Spitz name, den ihm diese Haartracht eintrug, ging in andere Richtung, er hieß Fräulein Müller. Das Rheinische und Wienerische in ihm brachte in unser Gehil- sen-Ensemble einen neuen angenehmen Ton. Ich selbst mar vor einem Jahr von München nach Berlin gekommen, hatte unter den anderen Kollegen noch keinen rechten Anschluß gefunden und brachte bald heraus, daß sich Georg Müller gleich mir sehr lebhaft für Lite ratur, Kunst und Musik interessiere, kurz, — auch ein »Idealist« sei. Kein Wunder, daß wir uns bald aneinander anschlossen. Ich war eben Zwanzig geworden, er ein paar Jahre älter. Unser Chef, Adolf Weber, genannt »der Kleene« — er ist längst gestorben — war ein liberaler, wohlwollender Herr und so fiel auch im Geschäft manches ungeschäftliche Wort. Aber das genügte nicht. Oft besuchten wir uns abends auf unseren möblierten Zimmern. Müller schwärmte für Wagner, mit dem ich mich noch nicht recht ein gelassen hatte, denn mit Wagner ließ sich am Klavier nicht viel machen. Er meinte, vor allem müsse ich das Albumblatt und das Siegfried-Idyll spielen. Wir warteten gar nicht ab, bis die Noten aus Leipzig mit Rabatt kämen, sondern kauften beides gleich in der nächsten Mittagspause bei Bote L Bock, dazu ein Wagner-Album und setzten uns abends ans Klavier. Müller sang zu meiner Begleitung aus dem Lohengrin: »Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?« Er hatte einen hübschen kleinen Tenor. Jeden Mittwoch abend wurde so musiziert. Es wurde immer sehr spät, bis wir uns trenn ten, denn damals gab es noch den zehnstündigen Arbeitstag. Der Laden schloß erst um Acht und bis wir bei mir draußen am Schlesi schen Bahnhof ankamen, war's schon Neun. Müller interessierte sich, wie gesagt, aber auch für Kunst. Sein Bruder war der Tierzcichner Lorenz Müller, sein Schwager der be kannte Radierer Peter Halm. Damals hatten Bruno und Paul Cassi- rer eben ihren revolutionär wirkenden Knnstsalon in der stillen Biktoriastraße eröffnet und zeigten die modernen Deutschen und Franzosen. Wir liefen in der Mittagspause hin und holten uns in diesen Ausstellungen reiche Anregung. Meist waren wir die ein zigen Besucher. Heute wimmelt cs dort von Knnstsalons. Wir waren beide auch Bücherkäufer. (Ja, sogar dazu langte cs noch, bei einem Monatsgehalt von 90 Mark!) Ich kaufte mir hie und da einen Knackfuß, denn das waren damals ungefähr die ein zigen Künstlermonographien, die es gab. Aber sehr erstaunt war ich, als Müller mir erzählte, daß er alle Knackfllße ohne Ausnahme besitze und auch auf alle künftigen Bände subskribiert sei. Ich konnte das kaum glauben, denn wie konnte man sich gleichzeitig mit Leonardo und Laszlo, Giotto und Grützner, Dürer und Defregger befassen! Aber Müller ging schon damals aufs Ganze und ich mußte bei seiner späteren ins Unabsehbare schweifenden Verlegcr- tätigkeit oft an diese sämtlichen Knackfußbändc denken. Nach unserer Berliner Zeit trafen wir uns 1901 in München wieder. Ich war bei Callmey im Kunstmart-Verlag, wo damals die ersten Meisterbilder und Kunstmart-Mappen erschienen, er bei Bruckmann tätig. Es waren für uns beide die ersten Stellungen in einem Verlag. Bis dahin hatten wir uns noch für werdende Sorti menter gehalten. Er wohnte in der Nymphenburgerstraße und wir 1091
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder