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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.05.1907
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- 1907-05-07
- Erscheinungsdatum
- 07.05.1907
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- Deutsch
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Verlag von Theod. Thomas in Leipzig. England — keine Insel mehr. Ein Kapitel aus dem demnächst erscheinenden Werk „Das Zeitalter der Motorluftschiffahrt" s^i von Rudolf Martin. Eleg. brosch. „E 3. Unter allen politischen Wirkungen der Motorluftschiffahrt ist weitaus die bedeutsamste die Beseitigung der insularen Eigenschaft der großbritannischen Insel. England ist groß ge worden als Insel. Die Auffindung des Seeweges nach Indien und die Entdeckung Amerikas haben die Bedeutung des See handels ungeheuer gesteigert. Auf Grund seiner insularen Lage, feiner zahlreichen vortrefflichen Läsen hat sich England seit etwa dem Jahre 1600 die erste Machtstellung in der Welt erworben. Auf Grund seiner maritimen Überlegenheit übt England in Afrika, in Asien, in Australien und in Amerika einen domi- W nierenden Einfluß aus. Das britische Volk hat es verstanden, W seine insularen Vorzüge und feine maritime Überlegenheit in meisterhafter Weise auszunutzen. Keine andere Nation hat die gleichen Verdienste um das Fortschreiten der Kultur in der ganzen 8 Welt. Der größte Triumph der englischen Nation ist viel- W leicht der, daß sie dem gewaltigen Volk der Amerikaner ihre Sprache und Sitten aufgedrückt hat. Diese gewaltige Epoche der Menschheit findet ihren Abschluß mit dem Aufkommen der Motorluftschiffahrt,.. die die insulare Lage Englands aufhebt und die maritime Überlegenheit der britischen Flotte beseitigt. Die Erfindung des Kompasses und die Ersetzung der Ruder boote durch große Segelschiffe vernichteten den Lande! über Land von Indien nach Westeuropa und unterwarfen Indien der Seeherrschaft Englands Der Landweg wich dem See weg. Der Motor in der Luft bedeutet wiederum den Sieg der Landherrschaft über die Seeherrschaft. Als Landmacht wird Deutschland durch den Motor in der Luft sich einen aus schlaggebenden Einfluß im Orient bis tief nach Persien hinein verschaffen. Der Motor in der Luft ist der Adler, unter dessen Fittichen Preußen seine Macht nach Südosten aus dehnen wird. Wie der Adler sich am wohlsten über dem Lande fühlt und nicht gern weit in das Meer hinausschweift, so auch der Motor in der Luft. Auf dem Lande findet er, wie der Adler, sein Futter und seinen Ruheplatz. Die See schiffahrt hat England mobilisiert, die Motorluftschiffahrt wird Deutschland mobilisieren. Die Größe der Konjunktur und der Konkurrenz hat das arme und träge England des 15. Jahrhunderts aufgerüttelt. Im Seekrieg mit den Spaniern, mit den Lolländern, mit den Dänen sind die Engländer er starkt. Die durch den Motor in der Luft gebotene glänzendste Konjunktur der Weltgeschichte wird das aus jahrtausend jähriger Mißwirtschaft langsam erwachende deutsche Volk ge waltsam aufrütteln und mit ungestümer Tatenlust beseelen. Die Konkurrenz auf dem Gebiete der Aeronautik durch Frank reich, England, Spanien, Italien, Österreich Angarn wird die Deutschen zwingen, so tüchtige Luftschiffer zu werden, wie die Engländer Seefahrer wurden Anter dem Zeichen der Motorluft- schiffahrt wird das Deutsche Reich seine Macht in der Rich tung von Berlin nach Bagdad ausdehnen. Die wahrschein lichen Grundrisse dieser Entwickelung habe ich in meinem Buch „Berlin - Bagdad, Das deutsche Weltreich im Zeitalter der Motorluftschiffahrt 1910 bis 1931" zur Darstellung gebracht. Ist England in der Lage, diese Entwickelung zu verhin dern? Nein, weil England keine Insel mehr ist und weil die maritime Überlegenheit der englischen Kriegsmarine in der Nordsee ihr Ende gesunden hat. Der Motor in der Luft ermöglicht es Deutschland, im Kriege mit England Truppen durch die Luft und zu Wasser nach England zu werfen. Leute ist die Landung einer Armee zur See unmöglich. Im Zeit alter der Motorluftschiffahrt wird aber eine Landung deutscher Truppen zur See in England leicht möglich sein Die eng- lische Marine steht eben nicht nur der deutschen Marine gegen über, sondern wird auch von den deutschen Schlachtluftschiffen unter Feuer genommen. Die Vernichtung der englischen Kriegsmarine in der Nordsee und im Kanal durch die deutschen Schlachtluftschiffe ist in keiner Weise ausgeschlossen. Dann ist aber auch eine Landung großer Truppenmassen zu Wasser möglich. Wir haben oben schon gesehen, daß der —, geb. ^ 4. . Transport einer Armee von 400 000 Mann durch die Luft vom Kontinent nach England in zehn Jahren keinen besonderen Schwierigkeiten begegnet. Eine Landung durch die Luft läßt sich von deutschem Gebiet etwa von Norddeich aus in einer Nacht bewerkstelligen. Leichter wird sich aber eine solche Lan dung von der belgischen oder französischen Küste aus Herstellen lassen. Die Entfernung von Norddeich nach England beträgt 400 Kilometer, von Calais nach Dover aber nur rund 50 Kilo meter. Von Norddeich würde also die Landungsflotte acht Stunden unterwegs sein, von Calais aus aber nur eine Stunde. Eine Landung von Frankreich aus würde also die Möglichkeit gewähren, dieselben Luftschiffe in derselben Nacht etwa achtmal zu verwenden. Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, daß die Lan dung einer deutschen Armee in England jemals stattfinden werde. In Deutschland will niemand einen Krieg mit England. Es ist also sicher, daß die Deutschen stets alles ausbieten werden, um einem Krieg mit dem blutsverwandten Volke der Engländer aus dem Wege zu gehen. In Großbritannien ist ebenso niemand so unvernünftig, einen Krieg mit Deutschland herbeizuwünschen. Die klugen und weitsehenden Engländer werden der Veränderung der Technik durch das Aufkommen des Motors in der Lust Rechnung tragen. Sie werden also die Ausdehnung der Macht des Deutschen Reiches nach Konstantinopel und Bagdad nicht zu verhindern suchen. An ruhigen Zuständen auf der Balkanhalbinsel, an einer Kulti vierung und Zivilisierung der europäischen und asiatischen Türkei sowie Persiens hat auch England das größte Interesse. Auch der Absatz der englischen Ware» in diese Gegenden wird, nachdem sie von den Deutschen der Kultur erschlossen sind, bedeutend zunehmen, sicher sich mehr als verzehnfachen. Be klagt heute irgend jemand in Deutschland, daß Amerika, Kap- land, Australien, Indien durch England der Kultur erschlossen und dem Absatz der deutschen Waren zugänglich gemacht sind? Mit Vergnügen bezieht Deutschland seine Baumwolle aus Amerika und Indien, und seine Schafwolle aus Australien und Kapland. Wenn es nun aber gegen das vitale Interesse beider Nationen doch einmal zum Kriege kommen sollte, wäre es in diesem Falle nicht möglich, daß die englische Aeronautik sich der deutschen überlegen zeigte? Zu einer solchen Annahme liegt kein Grund vor. Für die Entwickelung der Motorluftschiffahrt ist Deutsch- 8 land ein besser geeigneter Boden als England. Da Deutsch land in der Mitte des europäischen Kontinents liegt und eine größere Einwohnerzahl als England besitzt, hat sich in Deutsch land der Automobilsport in viel größerem Amfang entwickelt. Aus denselben Gründen wird sich auch die mit dem Auto mobilismus so eng verbundene Motorluftschiffahrt in Deutsch land in weit stärkerem Maße ausbilden, als in England. Auch der Motor in der Luft gedeiht auf dem Kontinent besser als auf einer Insel. Im Jahre 1905 wurden in Eng land 119415 Kubikmeter Gas für motorlose Luftballonfahrten konsumiert, in Deutschland aber 258410. Mit Ängstlichkeit vermeidet jeder Luftschiffer die See. Die größere der beiden britischen Inseln, die England und Schottland umfaßt, hat einen Flächeninhalt von 224000 Quadratkilometer, während das Deutsche Reich 540656 Quadratkilometer Fläche hat. Überdies steht dem deutschen Automobilisten und Aeronautiker der ganze Kontinent von Europa zur Verfügung Kein Wunder, daß der Automobilismus und die Äeronautik in Deutschland besser gedeihen als in England. Allerdings wird die Motorluftschiffahrt eine ungeheure Vermehrung auch der englischen Aeronautik Hervorbringen, da sich die Engländer des Motorlustschiffes bedienen werden, um den Kontinent zu be suchen. Aber auch die Motorluftschiffahrt wird in den ersten Jahrzehnten am Lande kleben. Die kontinentalen Fahrten werden immer eine weit größere Rolle spielen als die ozeanischen.
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