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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.02.1929
- Strukturtyp
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- 1929-02-26
- Erscheinungsdatum
- 26.02.1929
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iP 48, 26, Februar 1929, Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn.Buchhandel. Ich will nicht sagen, daß das Buch der einzige Weg zur Selbst entwicklung ist, denn das Leben bildet auch andere Formen aus. Man redet von dem Buch der Natur, Auch die Natur kann einem dasselbe sagen wie ein Buch, und ebenso die Kunst, voraus gesetzt, daß man mit dem Auge denken lernt. Man kann dies naiv tun, aber alle Naivität hat ihre Grenzen, und gerade, um in den Werken der Natur oder in den Werken dm Kunst tiefer zu lesen, bedarf es auch wieder einer gedanklichen Einstellung. Zur Vollendung menschlichen Wesens gehört eben mit einem Wort: Kultur, Das Verhältnis zur Kultur ist also nach meiner Auf fassung etwas Sclbstcrarbeitctcs, etwas Persönliches und fußt daher auf der Individualität des einzelnen Menschen. Es darf nicht nur in der Schule angelernt oder später angelesen sein, e s muß erlebt sein. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem der Direktoren eines unserer großen industriellen Konzerne, aus dem mir klar wurde, daß Qualitätsarbeit für den individuellen Menschen allein nie ein großes Unternehmen sichern kann. Ein Unter nehmen von etwa 20 000 Arbeitern braucht Massenartikel, Massenkonsum, Und so ist der in der Großindustrie verkörperte Kapitalismus gezwungen, mittels Presse und anderer Propa gandamittel Massensuggestionen zu erzeugen, damit Massenbe dürfnisse entstehen. Der sichtbarste Ausdruck ist ja die bewußte Organisation der Mode, die nicht etwa von vornherein dem Willen der Konsumenten entspricht, sondern ihnen durch Sugge stion diktiert wird. Freilich in Verbindung mit der der mensch lichen Natur eingeborenen Sehnsucht nach Abwechslung und den Mitteln äußerlicher Geltung. Amerika hat die Organisation des Massendenkens Europa vorgemacht und das Großstadtdeuken Europas ist ihm nach gefolgt, Das Individuelle gilt in der Mentalität des heutigen Großstädters herzlich wenig, aber noch gilt es in der Provinz, die einen stärkeren Zusammenhang mit der Tradition bewahrt, noch gilt cs im Bewußtsein des Buchhändlers, der in seinem Be ruf eine Aufgabe erblickt. Die Mentalität des Großstädters ist auf Raubbau gestellt, dis des Provinzlers auf Pflege. Natürlich will ich damit nicht generalisieren, als dächte jeder Großstädter, als dächte jeder Provinzler so, sondern nur den Typus charakterisieren. Der Raubbau-Mensch wird als Verleger sagen, ich verleae in erster Linie, was mir Geld bringt. Der Raubbau-Mensch als Sortimenter wird denken, ich suche mein Geschäft zu erhalten, indem ich die Schlager mit höchstem Rabatt einkaufe und wird das Wort des Ablaßhändlers Tetzel über seinen Laden schreiben: Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt. Aber mit dem Ablaß hat es auch nur einige Zeit ge dauert, dann kam die Umkehr, genannt »Reformation-, Wird nun eine Regeneration der Kultur in der Art kommen, daß gegenüber dem Materialismus unserer Zeit die Seele wieder zu ihrem Rechte kommt? Daß der Wirklichkeitssinn von heute wieder durchdrungen wird vom Ewigkeitssinn? Das ist die Frage einer inneren Entscheidung, Dem Einen wird es genügen, wenn er, wie in den Zeiten vor der französi schen Revolution denkt: nous Is cketugo, Komme was kommt, wir genießen die Gegenwart, Aber wer sich verantwortlich füblt für Kind und Kindeskinder, wird sich auch verantwortlich fühlen für die kommende Kultur, die sich auf wirklicher Volksgemein schaft aufbauen wird. Es handelt sich also, falls wir heraus aus dem Chaos wollen, beim Zukunftsdcnken um die Frage: soll das individuelle Denken das Massendenken unterkriegen? Es kann gar kein Zweifel sein, daß der Buchhändler sich auf die Seite des individuellen Denkens schlagen muß, als der Bücher, die nicht Lese- sondern Lebens bücher sind. Daß er als Jungbuchhändlcr seine Ausbildung dahin richtet, nicht nur Kundenpsychologie zu treiben, sondern Wertungsbewußtsein zu erlangen. Nicht nur das per sönliche Wertungsbewußtsein, was gefällt mir und was ge fällt mir nicht, sondern das objektive Wertungsbewußtsein, das auf Anerkennung und erlebter Erkenntnis geistiger Lebensgesetze beruht. Er kann dazu aber nicht allein von sich aus kommen, sondern nur im Zusammenhang mit dem Bolksganzen und der Tradition, Wir wissen ja, die Kaufkraft jener Kreise, denen bisher das Buch als Bildungs- und Erkenntnisquelle eine Lebensnotwen- digkcit bedeutet, hat abgesehen von den Folgen der Inflation nachgelassen, weil man nicht weiß, was man lesen soll. Nicht allein infolge der Überproduktion, sondern weil uns heule die inneren Maßstäbe der Kritik fehlen. Wir haben dieser Tage das Lessingjubiläum gefeiert. Was ist dabei herausgekommen? Betrachtungen über historisches Ge schehen, kein Handeln, Die einzig würdige Feier unserer Zeit wäre gewesen in Nachfolge Lessings, für unsere Bücher eine lebendige und fruchtbare Kritik im Sinne Lessings zu schaffen, und die Händler aus dem Tempel zu jagen. Wahrscheinlich sind wir aber nicht reif dafür. Aber wir sollten uns bemühen, reif dafür zu werden, indem wir an Stelle des früheren Bürgertums des Besitzes, das durch die Inflation vernichtet wurde, ein neues Bürgertum als geistige Schicht durch alle Stände bilden, die, unabhängig von der materiellen Lebens unterlage, einfach durch Wille und Verantwortungsgefühl, den ererbten geistigen Besitz des Volkes mit seinen Forderungen für die Zukunft vertritt. Und an dem Werden dieser Schicht zu arbeiten, bezeichne ich als die gei stige Berufsaufgabe des Buchhändlers, sei er Verleger, sei er Sortimenter. Das Buch ist nicht allein für die Bildung dieser Schicht entscheidend, aber sehr wichtig, denn die Zeitung ist heute ein Spielball mammonistischer Interessen und das gesprochene Wort ist entwertet durch die Phrase. III, Gerade weil ich mir Wirklichkeitssinn zuspreche, möchte ich nicht mit dieser allgemeinen Forderung schließen, sondern in das Konkrete gehen und gewissermaßen tastend sagen, wie ich mir den Weg zur künftigen Kultur aus meinem Verantwortungs gefühl als Kulturverleger heraus denke. Meine Ansichten können nur subjektiv sein, denn das Kommende kann man nie wissen, man kann es nur ahnen, und das Zukünftige ist immer eine Sache Gottes. Es kann ganz anders kommen, wie cs sich der Mensch denkt, Gott ist aber nie Willkür, sondern Gesetzlichkeit, Gott ist stets Einheit des ganzen Lebensprozesses und nicht etwa eine menschliche Vorstellung eines persönlichen Wesens. Er wird in gewissen Formen des Lebens sichtbar, wenn die Zeit erfüllet ist. Wir sind dem Leben aber einesteils durch überspitzten Intellek tualismus, der die Dinge trennt und nicht verbindet, fremd ge worden, Anderenteils durch Materialismus, der das Primat des Geistes nicht anerkennt. Jeder Ansatz zu neuer Kultur bildet sich zuerst durch un scheinbare Zellen der Erneuerung, vom Willen zur Aktivität ge trieben, sozusagen gegen den Strom, Das haben wir an der Jugendbewegung erlebt. Diese Zellen schließen sich in weiterem Wachsen zusammen und werden eine Bewegung, wenn sie aus sich heraus führende Kräfte erzeugen. Nicht der Führer fühlt sich als Funktionär der Masse, sondern wächst aus ihr be stimmend und formend heraus, cs kommt ihm nicht auf die wirkungsvolle Phrase an, sondern auf die Gestaltung. Als Verleger bat man vielleicht einen besseren Seismo graphen für die geistig-seelischen Bewegungen des Lebens in der Statistik seiner Nbsatzrifsern als die Regierung in den Akten durch die Vorschläge, die an sie herantreten. So möchte ich den Taa des Buches am 22, März berühren, der nicht in rein mechanische Propaganda ausmündcn darf. Es muß dankbar anerkannt werden, daß die Reichsregierung sich des Gedankens tatkräftig annahm. Aus ihren Vorschlägen bei den Vorverhandlungen für die Hebung des literarischen Interesses hat mich besonders interessiert, daß sie »Kurse für Buchhändler- für notwendig hielt. Ich möchte deren Form so wünschen, daß zuerst einmal ein Volkshochschulheim für Jungbuchhändlcr zur Erzeugung von Zellenbildung in mehrmonatigem Zusammen leben gegründet wird. Aber möge der Tag des Buches ausfallen wie er will, jedenfalls können wir den Adel der Gesinnung und die Energie zum Fort schritt nie durch Zureden zum Lesen wesen t- licherPücher, die dem Volk d u r ch P r o P a g a n d a 211
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