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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.02.1929
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- 1929-02-26
- Erscheinungsdatum
- 26.02.1929
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48, 26. Februar 1929. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f.d Dtschn. Buchhandel. nach amerikanischer Methode nahegebracht werden, erzeugen, wir können ein Verhältnis zu Seele und Geist nur aus uns selbst heraus erleben. Wie gewinnen wir diesen aber im Zeitalter der Technik, des Großstädtertums mit seiner Entfremdung von der Natur, der überspitzten Jntellektualität und des rücksichtslosen wirtschaftlichen Kampfes? Wir reden in hohen Tönen von dem Zeitalter der Technik. Aber was ist für die menschliche Seele gewonnen, ob ich in 3 oder in 6 Tagen nach Amerika fahren kann? Das Autofahren ist etwas sehr Schönes. Aber es-wird sinnlos, das heißt unfrucht bar, sagen wir, wenn ich von Hannover nach Rom fahre und mit den Augen nur kinohaft sehe und nicht mit dyn Augen denke, also das Werden der Erscheinungen in Natur, Städten und geistigen Denkmalen der Kunst nicht in mir nacherlebend auf steigen lasse. So möchte ich fast sagen, wer ein Auto besitzt, hat erst recht Bücherkäufer zu sein. Heute ist es fast umgekehrt der Fall. Durch unsere Zeit geht aber trotz den zivilisatorischen Er folgen der Technik, wenn auch noch unbewußt, die Sehnsucht nach Naivität, nach den Ursprüngen des Lebens, nennen wir es Kör persinn, Abenteuersinn, oder nach Erfassung des Raumgefühls, wie es die moderne Architektur jetzt stark ausbildct. Wir haben uns in der Kunst auch in den letzten Jahren eifrig mit den Pri mitiven künstlerischen Ausdrucksformen unzivilisierter Völker beschäftigt. Was will das alles bedeuten? Es will bedeuten, daß wir wieder eine Verbindung zum Symbol und Mythos suchen, ein Verbundcnsein zu Mutter Erde und zu Vater Himmel. Also, wir spüren nicht nur unser Verhält nis zur Erdkraft als etwas neu Erlebtes an sich, sondern auch unsere Verbindung mit der Weite des Kosmos. Ich möchte diese Sehnsucht nach ursprünglichem Denken als eine kommende Auseinandersetzung mit dem Schicksalsgeschehen deuten, als eine Sehnsucht nach einem Leben in Symbol und Mythos. Denn ein solches Leben bedeutet Einheit im Gemein samen, also den Gegensatz von Trennung. Es bedeutet Verein fachung in Monumentalität. Das Symbol kann ein Wort sein wie Gott, wie Christus. Es können die Farben einer Fahne sein mit einer bestimmten Aufschrift. Es kann ein Bauwerk sein, wie ein Bismarckturm, das dem Feuerkultus dient, und für den Bis marck, fast möchte ich sagen, nur den zufälligen Namen gibt. Es kann ein Kunstwerk sein, wie ein Madonnenbild das Symbol der Mutterschaft ist. Es kann eine neue Legende sein, die wie die Weihnachtslegende den ewigen Wechsel und die ewige Wieder geburt im Kinde zum Ausdruck bringt. Vielleicht ist es unser kommender Weg, uns als Menschheit unter neuen Symbolen zu einen. Sei das neue Symbol meinetwegen das Flugschiff, in dem wir die Überbrückung der Entfernung, das Aneinanderwachsen der Menschheit zu einer einheitlichen menschlichen Kultur emp finden, nicht eines Kulturbreis, sondern einer Symphonie der verschieden gestalteten Kräfte. Wir sind auf dem Wege, das Leben, ohne gerade abstrakt zu spekulieren, denkend zu erleben und von dem Wirklichkeits empfinden der Gegenwart zu einem symbolischen Realismus zu kommen, sodaß wir dann von dort aus zum Reich der Ideen, zum Religiösen gelangen. Ich schaue drei Wegstationen unserer literarischen Entwicklung: 1. ein vertieftes Verhältnis zur Natur als symbolischen Realismus, 2. ein lebendiges Erfassen der Geschichte als erweiterte Wirklichkeit, 3. ein neues religiöses Gefühl kosmischer Verbundenheit als neue Einstellung zu den Ideen. Gewiß kommen wir geistesgeschichtlich von einem natur wissenschaftlichen Zeitalter her, dem darwinistischen Entwick lungsglauben. Dieser hat sich aber zu Ende gelebt. Für uns Heutige handelt es sich nicht um den Glauben an den Natur- Mechanismus mit seinem Auslesekampf, sondern um das Ein dringen in das Wunder von Form und Farbe. Ich nenne nur den Namen von KarlFörster mit seiner Zeitschrift -Garten schönheit-. Wir gewinnen wieder Sinn für farbige Flächen im 212 Garten durch Blumen und deren Zusammenstimmcn, und wer es möglich machen kann, legt sich einen Steingarten an. An die Kultur des Gartens reiht sich ein tieferes Eindringen in die Psychologie der Tiere, ich nenne nur die Namen Beugt Berg und Svend Fleuron. Und auch der Mensch besann sich auf seine körperliche Natur, sein Körpersinn sucht jetzt einen organi schen Zusammenhang mit den Aufbaugesetzen des Geistes. Noch fehlt die nächste Stufe, ein lebendiges Erfassen der Ge schichte, das uns Distanz zu den Gegenwartsfragen gibt. Ge schichte ist nie Tatsachenbericht, sondern ein Verdichten der Er eignisse und ein Erkennen allgemein gültiger Lebensgesetze. Wenn unsere Zeit nicht so kurzlebig im Denken wäre, hätte sie Nietzsches Einstellung »vom Nutzen und Schaden der Geschichte- nicht vergessen. Aber schon zeigt sich eine Unterströmung des kommenden Geschichtsdenkens in einem ganz merkwürdig starken Interesse für die Prähistorie, wohl mit bedingt durch das an wachsende Interesse für Rassensragen. Ausgerechnet in der Zeit des stärksten Wirtschaftskampfcs flüchten sich die Interessen von oft mitten nur im praktischen Leben stehenden Menschen in die fernste Vergangenheit. Bachofcn kam wieder heraus und wir stehen dicht vor einer Neubelebung der Naturphilosophie des Mittelalters, die sich um den Namen Paracelsus gruppiert. Die Menschheit steigt, wenn sie ihres Intellekts überdrüssig wird, notgedrungen wieder zu den Müttern. Diese Gewißheit gibt mir die mich selbst überraschendeAufnahme meinesVcrlagswerkes -Der Aufgang der Menschheit- von Hermann Wirth, in dem er das Denken des Steinzeitmenschen ergründet. Selbst die modernsten Philosophen und Schriftsteller interessieren sich da für, ich nenne nur Graf Keyserling und Fritz von Unruh. Viel leicht deswegen, weil es von Zeiten redet, wo Denken und Fühlen eins war, wo Wort und Sprache sich aus den irrationalen Kräften der Seele bildeten, weil der Mensch eben im Fühlen und Denken mit Himmel und Erde verbunden war. Hermann Wirths Absicht ist, mit seinen Forschungen auf das gegenwärtige Leben zu wir ken, die nordische Erbmasse der Menschheit wieder zur religiösen Tat zu lösen, den Menschen wieder in engste geistige Verbindung zum kosmischen Geschehen zu bringen. Wir leben in einer mate rialistisch gesinnten, unreligiösen Zeit, umso sicherer ist, daß eine Umkehr kommen wird. Die gegenwärtige als Reaktion auftretende religiöse Bewegung in Rußland ist der beste Beweis für meine Behauptung. Sie zeigte sich aber auch bereits im religiösen Tasten der Jugendbewegung an, freilich fehlen uns noch alle Formulierungen eines neuen religiösen Denkens. Jedenfalls wird das Verhältnis zum Schicksal, das den Griechen und Ger manen besonders nahe lag, eine bestimmte Formulierung empfangen und die Vorstellung von einem persönlichen Gott eine Erweiterung erfahren. Alle Regeneration unserer Kultur kann nur erfolgen durch ein Nachdenken über den Sinn des Lebens und aus einem Ver hältnis zu der Einheit alles Lebens. Albert Schweitzer kommt in seinem Buch -Verfall und Wiederaufbau der Kultur- bei dem Thema -Wiederaufbau- zu dem Resultat: »Weil das Leben letzter Gegenstand des Wissens ist, wird das letzte Wissen notwendigerweise denkendes Erleben des Leben s.- Jch komme zum Schluß. Bor uns liegt die Aufgabe, die Herrschaft über die Naturkräste durch die Maschine nutzbar für das Geistige und damit für die sozialen Verhältnisse zu machen. Alle sozialen Kämpfe können nur fruchtbar sein, wenn sie von Seele und Geist, also auch von der Liebe getragen sind, die die Härte des Lebenskampfes mildert. Das kann aber nicht geschehen ohne wahrhaft empfundene Volksgemeinschaft, die ver pflichtet. Der Kapitalismus braucht nicht unbedingt ausbeutend zu sein, er kann auch sozial angewendet werden. Alles Tiefe, die letzte Wahrheit ist immer ein Einfaches, es hat die Beziehung auf die ganze Wirklichkeit des Lebens. So möchte ich sagen: Lebe von Deinem inneren Zen- trumaus,nicht von d e r P e r i p h e r i c d e s L e b e n s her. Damit mindert sich auch alle hemmende Problematik, an der wir heute leiden.
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