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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.01.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-01-19
- Erscheinungsdatum
- 19.01.1915
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. „V 14, 19. Januar 1915. briefe-Ausgaben) gern gekauft. Nicht dasselbe kann ich sagen > von geographischen und Reisewerken, von denen übrigens nicht viel an Neuigkeiten vorlag. Dagegen sind Kriegspredigtcn und ähnliche ernste Bücher viel zu Geschenkzwecken gekauft worden; auch meine ich, daß der Absatz an Gesangbüchern viel stärker war, als er sonst zu Weihnachten zu sein Pflegt. Es haben doch viele Leute in dieser ernsten Zeit den Weg zu den Kirchentüren wieder gefunden, der ihnen vorher in den früh- lichen Tagen viel zu dumpf und schattenvoll erschien; »Siehe, um Trost war mir sehr bange, du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen!« Das alles sind verheißungsvolle An zeichen im deutschen Volke. Ich mutz für meinen Teil in freudiger Reue gestehen, daß ich den deutschen Volkskörper für kränker gehalten habe, als er sich jetzt erweist. Die Krankheitssymptome waren nur von außen angeflogen und hafteten deshalb auch nur an der Oberfläche des Körpers Wären sie von innen hcrausgewachsen, bei Gott! unser Volk hätte sich nicht so stark, so tatenlustig, so hofsnungsfreudig er weisen können, wie es in diesen Kriegsmonaten vor aller Welt geschehen ist. Unsere Jugend zeigt sich einfach herrlich! Ich hatte, ich gestehe es offen, befürchtet, daß das Kunst- und Kultur-Ästhetentum mit seinem aufdringlichen schwülen Ero tismus, der schließlich uns allen zum Überdruß und Ekel ge worden war, unsere Jugend mindestens angegiftet und sie unlustig gemacht hätte für Waffentanz und Schwerterklirren; doch »Es sind die alte» Schwerter noch, Es ist das deutsche Herz, Man zwingt sie nimmermehr ins Joch, Sie halten aus wie Erz.« Ich glaube, es war Johannes Höffner, der ganz zu An fang des Krieges an irgend einer Stelle aussprach, daß das beschauliche Studium Goethescher Lebenskunst einstweilen zu Ende wäre und nun die Schillersche Freudigkeit zum Sterben auf den Plan treten würde. Unsere Jugend nicht nur, unser ganzes Volk hat diese Prophezeiung wahr gemacht. Bei solcher geistigen Atmosphäre war freilich kein be- sonderes Begehren nach künstlerischen und ästhetischen Werken, hier im echten Sinne gemeint, zu verspüren. Die Luft strich rauh einher. Mars regierte und regiert noch die Stunde; da wagten sich die heiteren Kinder gerade dieser Musen nicht hervor. Selbst in der Belletristik machte sich dieser Zug bemerk bar. Nicht in der Zahl wie früher wurden Romane ge kauft; die aber noch am meisten gekauft wurden, hatten vaterländisches und kriegerisches Gepräge. Obenan stand Walter Bloem. Ich schätze seine Romane als Romane, als Bücher von literarischem Wert, nicht besonders hoch ein; aber seine Kriegsschilderungen sind meisterhaft Ich las, daß er jetzt verwunde! wurde, und da ich weiteres nicht erfuhr, hoffe ich, daß er genesen sein und uns künftig den Krieg aus eigener Anschauung schildern wird. Daneben erfreute sich noch Rudolf Herzog der Nachfrage. Aber was Romane beschau licher Art anbelangt, so war davon nicht viel Absatz zu er zielen. Ich habe aus persönlichem Interesse an dem Verfasser einiges verkauft von »Marx Möller, Wem Gott will rechte Gunst erweisen«, halte dies Buch auch der Empfehlung wert; aber viel war von Büchern aus behaglicher, aus still- sriedltcher Atmosphäre wirklich nicht zu verkaufen. Da ich gerade von Romanen spreche, muß ich hier meinen Freund Emil Sandt erwähnen. Er hatte im Börsenblatt, ganz dicht vor Weihnachten, auf Aufforderung ein geistvolles Feuilleton veröffentlicht, das ganz vom Buchhandel, richtiger noch von zwei Sortimentsbuchhändlern, handelt. Es wird wegen der Un gunst der Zeit nicht allgemein so gelesen worden sein, wie es diese Plauderei anläßlich seines 50. Geburtstages verdient hätte. Möchte die Nummer vom 23. Dezember doch wieder hervorgeholt und gelesen werden! Zwar waren die beiden Sortimentsbuchhändler so stark idealisiert, daß ich Emil Sandt bei einem Besuche an seinem Geburtstage <27. Dezember) sagte, so famose Buchhändler gäbe es überhaupt nicht. Aber das schadet nicht, es ist immer gut, wenn man Ideale vor! 70 < Augen gestellt bekommt, damit man sich selbst sagt: so müßtest du eigentlich sein, der Abstand ist aber noch himmelweit. Die Romane von Emil Sandt verdienen ernste Beachtung. Hinzufüaen möchte ich nur noch, daß Emil Sandt seit 8 Mo naten von Gicht furchtbar gequält wird und entsetzliche Qualen auszustehen hat. Gebe Gott, daß das Übel ihn bald verläßt und er wieder fähig wird, uns noch mit manchem guten Buche zu erfreuen! Vor wenigen Tagen brachte das Börsenblatt einen Brief des amerikanischen Verlegers Putnam an die Londoner «Times». Nachdem ich den Brief gelesen hatte, fragte ich mich: was nützt alle von deutscher Seite geleistete Aufklärungs arbeit im Dienste der Wahrheit, wenn sie doch nicht geglaubt und beachtet wird? Herrn Putnam ist sicher das Telegramm unseres Kaisers vom 8. September vorigen Jahres an den Präsidenten Wilson vor Augen gekommen, in dem auf die Grausamkeiten, die Belgier an wehrlosen Deutschen verübt haben, nachdrücklich hingewiesen wurde. Ebenso mutz Herr Putnam Kenntnis genommen haben von der kurz darauf ver öffentlichten amtlichen Bekanntmachung des deutschen Reichs kanzlers, die etwa 15 Schandtaten von Belgiern und Fran zosen aktenmätzig feststellte. Gleichfalls mußte Herr Putnam Kenntnis haben von der Erklärung, die 0 amerikanische Kriegs korrespondenten mit voller Namensnennung unter dem Da tum des IO. September 1914 veröffentlicht haben, deren An fang lautet: «Der Wahrheit die Ehre zu geben, erklären wir einstimmig die deutschen Greuel, soweit wir es bcobachnn konnten, für unwahr. Nach zweiwöchigem Aufenthalt im Heer, die Truppen über hundert Meilen begleitend, sind wir tatsächlich nicht i» der Lage, auch nur einen einzigen Fall unverdienter Strafe und Vergeltungsmaßregcln zu berichten. Wir sind ferner nicht ln der Lage, Gerüchte bezüglich Mißhandlung von Gefangenen und Nichtkombaitanten zu bestätigen.« Daran werden dann zahlreiche Einzelangaben geknüpft. Der volle Wortlaut ist u. a. nachzulesen in «Chronik des deutschen Krieges« (Beck'sche Verlagsbuchhandlung in München) Seite 184/85. Aber für Herrn Putnam existieren alle diese Zeugnisse nicht; er verdammt die Deutschen trotzdem und hängt sich dazu den Mantel der Wissenschaft um. Selbst in den wilden Kriegen Napoleons, so schreibt er, wären solche Grausamkeiten nicht vorgekommen. Zwar hätte Napoleon 1812 Palm erschießen lassen — die Redaktion des Börsen blatts hat schon darauf hingewiesen, daß dies 1806 ge schah —, was ein Verbrechen gewesen wäre, aber sonst Hölle Napoleon sich keine Grausamkeiten zu schulden kommen lassen, wie die Deutschen im August 1914 in Belgien. Herr Putnam weiß gar nicht, daß Napoleon die Erschießung hervor ragender Bürger nur als Avschreckungsmaßregel sehr häufig befahl. Man lese z. B. aus der Sammlung »Aus vergilbten Papieren« /Georg Wigand) den Band die Hansestädte be treffend, wie Vandamme auf seinem Vormarsch vom Nieder rhein aus nach Hamburg im Frühjahr 18 l3 in Oldenburg und in Bremen verschiedene angesehene Leute aus Vorbeugungs gründen erschießen ließ. Und daß Napoleon u. a. seinem Marschall Oudinot beim Vormarsche gegen Berlin im August 1813 den Befehl gab, Berlin bei der geringsten Widersetzlichkeit in Brand stecken zu lassen, ist Herrn Putnam ebensowenig be kannt. Auch weiß er nichts davon, daß im Mai 1813 zehn der angesehensten Bürger Hamburgs, darunter der Buch händler Friedrich Perthes, auf die Liste der zu Erschießenden gesetzt wurden, die weiter nichts getan hatten, als nach Ab zug der Franzosen sich an die Spitze des organisierten Wider standes zu setzen. Herr Putnam hält es für das gute Recht jedes Farmers, tagsüber den lahmen Mann zu simu lieren, um dann nachts die Flinte zu nehmen und heimtückisch ehrliche Soldaten zu ermorden. Wenn das 1864 beim Vormarsch durch den Staat Georgia so geschehen ist, ohne daß der kommandierende General — irre ich nicht, war es Sherman — dies Meuchelmörder-Gesindel unschädlich ge macht hat, so hat er gegen die sittlichen und militärischen Grundgesetze verstoßen. Ebenso hängt Herr Putnam sich den Mantel der Wissen-
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