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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.07.1921
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- 1921-07-30
- Erscheinungsdatum
- 30.07.1921
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Börsenblatt f. d. Dtstzn. Buchhandel. »Icdaktioneller Teil. 176, 30. Juli 1921. Reich oder mindestens für die einzelnen Länder fordert, die allgemein gebraucht« werden und »grundsätzlich die gleichen sein sollen«. Zuzugeben ist, daß der Wortlaut des Gesetzes nicht ein deutig ist, und es mag dahingestellt bleiben, ob diese Unklarheit beabsichtigt oder fahrlässig ist. Jedenfalls ist die Bestimmung, daß dem Unterricht »die allgemeingebrauchten« Lehrbücher zu grunde zu legen sind, nicht weniger unklar. Solche Bücher gibt es nicht. Es gibt nicht ein einziges Schulbuch, das im ganzen Reich oder auch nur in einem Lande, ja selbst nur in einer Pro- vinz »allgemein« gebraucht würde. Wie kann also das Gesetz von solchen Büchern als von etwas Vorhandenem sprechen? Will man nicht annehmen, daß dieser Widerspruch zu der klar zutage liegenden Wirklichkeit mangelnder Sachkenntnis entsprungen ist, so bleibt nur die Vermutung, daß sich auf diesem Wege in mög lichst harmloser Weise der Monopolgedanke in das grundlegende Reichsgesetz einschmuggeln ließ, an das dann sämtliche Landes gesetzgebungen gebunden sein würden. Denn wenn nur erst ein mal der Gebrauch einheitlicher Lehrbücher durch Reichsgesetz vor- geschriebcn ist, so ist es eine selbstverständliche Folgerung, daß solche einheitliche »allgemein gebrauchte« Schulbücher eben ge schaffen werden müssen, wenn sie nicht vorhanden sind. Wer sie machen soll, nach welchen Grundsätzen sie bearbeitet werden sollen, wer sie verlegen soll, was aus den jetzt in Gebrauch befind lichen Büchern und ihren riesigen volkswirtschaftlichen Werten werden soll: das alles sind Fragen, an denen Gesetz und Begrün dung abermals in tiefem Schweigen vorübergehen. Es mag auch hier dahingestellt bleiben, ob solche Unklarheit beabsichtigt oder fahrlässig ist. Daran aber ist kein Zweifel: wird dieses »Gesetz« Gesetz, dann ist die unausbleibliche Folge das Schulbuchmonopol in gröbster Gestalt. Nach diesem Gesetzentwurf soll es für jeden Unterrichtsgegenstand in der Volksschule in Zukunft im ganzen Deutschen Reiche »von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt« nur ein einziges Lehrbuch geben; nur ein ein ziges Lesebuch, ein einziges Lehrbuch für Rechnen, Geographie, Geschichte. Es ist hier nicht der Ort, den Streit um das Schulbuch monopol nochmals aufzurollen. Es ist in der Öffentlichkeit — der politischen sowohl, wie der wissenschaftlichen — von Schul männern, Buchhändlern und Volkswirtschaftlern wiederholt und mit durchschlagenden Gründen nachgewiesen worden, daß die Ver staatlichung des Schulbuches für den Unterricht einen unverant wortlichen Rückschritt, für den Buchhandel einen nicht wieder gut zumachenden Verlust und die Vernichtung zahlreicher Existenzen bedeuten würde; es ist nachgewiesen worden, daß alle Versuche, die auf größeren Gebieten mit der Verstaatlichung gemacht wor den sind, zu nichts geführt haben als zu einer empfindlichen Ver teuerung und Verschlechterung des Schulbuches. Das alles braucht hier nicht wiederholt zu werden. In meiner Denkschrift") habe ich die Gründe und Gegengründe, die Rückwirkungen auf Schule und Wissenschaft, auf Schüler und Lehrer, Buchhandel und Volkswirt schaft, endlich die Erfahrungen in anderen Ländern zusammen gestellt und mich bemüht, die Frage mit voller Unparteilichkeit zu erörtern. An dieser Stelle kann ich nur hierauf verweisen. Das Kind hat ein Recht darauf, daß der Unterricht sich seiner Eigenart anpaßt. Das Grotzstadtkind bedarf — schon von der Fibel an — anderen Lesestoffs als das Landkind; die Kinder an der Wasserkante haben völlig andere Apperzeptionskonstanten als die Gebirgler. Dem muß der Unterricht, muß das Schulbuch sich anpassen. Will man das alles über einen Kamm scheren, so be deutet das eine Vergewaltigung der Kindesseele. Der Lehrer hat ein Recht darauf, daß ihm Bewegungsfreiheit beim Unterricht gelassen wird, soweit sie sich mit den lehrplan- mäßigen Unterrichtszielen verträgt. Lehren ist kein Handwerk, sondern eine Kunst. Und wenn Kunst nach Zolas Umschreibung die Natur ist »vu s travers ck'im tsmpsramsut«, so heißt Unterrichten: den Lehrstoff durch die Persönlichkeit des Lehrers hindurch dem Schüler lebendig werden lassen. Dazu bedarf der Lehrer der 'l Das Staatsmonopol für Schulbücher. Köttingen 1N1Ü, Vnnden- Üoeck L Ruprecht. > >36 Freiheit. Das Schülermaterial wechselt von Jahr zu Jahr. Ihm muß der Lehrer sich anpasscn. Auch dazu bedarf er der Freiheit. Das Gesetz aber will ihn an die Longe nehmen und ihn jahraus, jahrein in demselben Kreise Herumtreiben. Das bedeutet eine Vergewaltigung des Lehrers. Ausdrücklich sagt die Begründung: »die Lesebücher aller Volksschulen müssenaus dcnselbenLese - stücken bestehen«. Man denke das nun einmal praktisch in allen Folgen durch, und man wird erkennen, zu welcher tödlichen Einförmigkeit des Unterrichts das führen müßte. Glaubt man, den Militarismus dadurch zu bekämpfen, daß man das Banner ödesten Uniformwesens aufpflanzt? Einschränkend wird allerdings hinzugefügt: »in der Haupt sache«. Was soll das heißen? Wird der Gesetzgeber eine auch nur einigermaßen klare Antwort auf die Frage geben können, welche Hefestücke eines Lesebuches zur »Hauptsache- gehören, welche nicht? Ich möchte es bezweifeln. Abermals eine Unklarheit! Diese Häufung von Unklarheiten ist nur zu geeignet, den eigent lichen Grundgedanken und seine Ungeheuerlichkeit zu verschleiern. Jedenfalls ist so viel sicher, daß für die Lesebücher, wenn sie »in der Hauptsache dieselben Lesestücke« enthalten sollen, ein Kanon aufgestellt werden müßte. Wer soll diesen aufstellen? Natürlich ein Ausschuß! Vielleicht greift man auf Abderhaldens genialen Vorschlag von 1919 zurück und macht »die Lehrerschaft« zum Verfasser der Schulbücher. Die Lehrerschaft »tritt zusammen und wählt aus ihrem Schoß heraus einen Ausschuß, in dessen Hände die Abfassung der einzelnen Schulbücher gelegt wird. Er legt einer gemeinsamen Lehrerversammlung die Handschrist des Schulbuches zur Beratung vor«. Man stelle sich diesen Vorgang einmal in den Einzelheiten vor; man vergegenwärtige sich, wie schwer, ja fast unmöglich es schon ist, auch nur einen kleineren Ausschuß, sagen wir von 10 Köpfen, zur Übereinstimmung in der Einzelgestaltung eines Lehrbuches zu bringen, geschweige denn eine hundert- oder gar tausendköpsige »Versammlung der Lehrer schaft«! Und dabei hat Abderhalden kleinere Kreise im Auge: Gemeinden, Kreise, Provinzen. Aber gleichgültig, ob nun dieser Apparat für kleine Kreise oder für das ganze Reich aufgeboten würde: seine Beratungen müßten notwendig ausgehen wie das Hornburger Schießen, und schon die durch die Ausarbeitung der Handschrift verursachten Kosten würden größer sein als die ganze Herstellung des Buches selbst. Da wäre es immer noch besser, die Bearbeitung einem oder einigen wenigen hervorragen den Fachmännern zu übertragen. Aber wer wird diese Verant wortung übernehmen wollen? Und wie kämen diese Wenigen — mögen sie auch noch so bedeutend sein — dazu, ihre persönliche Ansicht nun den Tausenden ihrer Berufsgenossen aufzuzwin gen? Denn das würde geschehen, wenn das von ihnen geschaf fene Lehrbuch nun »von Staats wegen« überall eingesührt würde. Je höher ein Fachmann steht, um so weniger dürfte er sich zu einer solchen Rolle hergeben. Aber man wird begierig sein, die schwerwiegenden Gründe kennen zu lernen, welche für eine so durchgreifende und folgen schwere Neuerung ins Feld geführt werden. Was sagt die Be gründung? »Bei den vielfachen Übergängen einzelner Schüler von einer Gemeinschasts- zu einer Bekenntnisschule und um gekehrt, die künftig Vorkommen werden, muß eine Gewähr vor handen sein, daß in allen Volksschulen in der Hauptsache dasselbe gelehrt wird.» Das ist alles! Also dieser große pädagogische und wirtschaftliche Umsturz wird in Szene gesetzt lediglich den — verhältnismäßig doch immer wenigen — Schülern zuliebe, die die Schulart wechseln wollen! Ein Gesetz macht man gewöhnlich für die Allgemeinheit. Hier wird es für die Ausnahme gemacht. Man sagt Wohl nicht zu viel, wenn man eine solche Begründung herz lich dürftig nennt und findet, daß sie eigentlich mehr einem Vor wand als einer Begründung gleicht. Die Begründung sagt ferner: »die allgemein gebrauchten Lehrbücher« sollen »grundsätzlich die gleichen sein«. Ich muß be kennen, daß dieser Satz mein Begriffsvermögen übersteigt. Nach meinem schwachen Verstände gibt es nur zwei Möglichkeiten. Ent weder: ein Buch ist »allgemein gebraucht«; dann ist es überall »das gleiche» — tatsächlich, nicht,nnr »grundsätzlich«. Oder: es find nebeneinander mehrere Bücher vorhanden, die
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