Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.12.1884
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1884-12-10
- Erscheinungsdatum
- 10.12.1884
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18841210
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-188412109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18841210
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1884
- Monat1884-12
- Tag1884-12-10
- Monat1884-12
- Jahr1884
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ 287, 10. December. Nichtamtlicher Theil. 5909 Reichstag gerichtet, dahingehend, daß diese Materie gesetzlich ge regelt werden möchte. Im Plenum ist diese Frage nicht mehr zur Verhandlung gekommen, aber zur Verhandlung gekommen und Gegenstand sehr ausgiebiger Diskussionen geworden in der Petitionscommission, einer sehr zahlreichen Commission, in der alle Parteien des Hauses ihrem Stärkeverhältniß nach vertreten sind, — und die Commission hat einstimmig beschlossen über den Antrag zur Tagesordnung überzugehen. Warum? Weil man sagte, daß dieser Antrag in den Rahmen des Gesetzes vom II. Juni 1870 absolut nicht paßte, und weshalb er nicht paßte, hat Herr Wiehert schon auseinandergesetzt: daß man es nicht an der Zeit hält, in dieser Materie gesetzgeberisch vorzugehen; und dann der andere Punkt ist der, daß der Antrag durchaus — dem Schein nach wenigstens — illiberal ist, und alle Par teien — auch die konservative — im Reichstage, mit Vergnügen die Gelegenheit ergreifen, einmal liberal zu sein, und so ist mit einem sehr geringen Auswande von Beredsamkeit einstimmig der Antrag zu Falle gekommen. Man könnte gegen den Antrag ein fach sagen: ihr vertheuert dem armen Volke die Bildung, — die Volksbibliotheken habe ich ausgenommen —. Wie unsere Zustände sind, sind die Leihbibliotheken ein außerordentlich wichtiger Factor der Cultur und Vermittler zwi schen dem producirenden Schriftsteller und dem consumirenden Publicum. Es ist nicht richtig, wenn man sagt, der Mann, welcher gegenwärtig zehn Pfennige Leihgebühr zahlt, der gibt auch fünfundzwanzig Pfennige, denn der Mann steht schon viel fach an der Physischen Grenze seines Portemonnaies, und wenn der Preis so erhöht Ivird, ist er vielleicht nicht mehr in der Lage ein Buch leihen zu können. Und nun, was wollen Sie damit schaffen? Der Gedanke ist mir insofern klar geworden, daß ich sage: der Antragsteller meint es so: die Leihbibliothekare müssen mehr zahlen für die jenigen Bücher, die bestimmt sind für sie, gewerbsmäßig verliehen zu werden. Deshalb nimmt also der Buchhändler von den Leih- bibliothekarcn mehr, der Leihbibliothekar hat mehr Einnahme von seinen Kunden, und schließlich bekommt — das wäre das einzige Interesse, das wir hätten, — der Schriftsteller ein höheres Honorar. Wenn Sie sich darin nur nicht täuschen! Bei allen den Vertheuerungen wird der Profit immer kleiner, je höher man aus der Leiter kommt. Wenn die Lesegebühr auf fünfundzwanzig Pfennige beispielsweise erhöht würde, so ist klar, daß der Leih bibliothekar dem Buchhändler mehr bezahlen müßte für das, was er verleiht, das ist mir auch klar; aber, meine Herren, ob nun der Schriftsteller ein höheres Honorar bekommt, das ist mir sehr unklar; wahrscheinlich würden die beiden in der Mitte liegenden Factoren, Buchhändler und Leihbibliothekar, in den Gewinn dieser Maßregel sich theilen, der arme Mann müßte mehr für das Buch bezahlen und der Schriftsteller bekommt doch nicht mehr für sein Manuskript. Das würde nach praktischen Erfahrungen der Gang der Dinge sein. Nun hat Herr Wiehert schon angedeutet, daß es ein ganz anderes Ding ist, ob etwas gesetzlich geschieht oder vertragsmäßig, oder ob etwas der Willkür der Einzelnen überlassen ist, — und der ist hier nichts überlassen, gerade so wenig, wie, wenn ich beim Schneider einen neuen Frack bestelle und der Schneider mir den Frack zuschickt mit einem Zettel: „Der Frack darf nicht ver liehen werden", dieser Zettel rcspectirt wird. Hat mir als Leih bibliothekar der Buchhändler das Buch gegeben, so kann ich es verleihen. Etwas anderes ist es, wenn der Buchhändler sagt: „ich gebe Ihnen das Buch nicht, weil Sie Leihbibliothekar sind". Sie sagen: der Leihbibliothekar verleiht die Werke des Autors und entzieht demselben dadurch einen Theil seines Gewinnes. Warum? Wenn der Autor in der Lage wäre für einen Groschen in der Woche das Buch zu verleihen, dann würde ihm durch den Leihbibliothekar ein Gewinn entzogen werden. Aber andererseits wird der Ehrgeiz am meisten befriedigt durch die Leihbiblio theken. Was ist unser Ehrgeiz? Doch, möglichst viel gelesen zu werden, und ich kenne Schriftsteller, die alle Bücher lieber einem Journal geben, das für den Bogen fünfzig Thaler zahlt, aber einen größeren Leserkreis hat, als einem andern, das sechzig Thaler gibt, aber einen kleineren Kreis von Lesern hat. Dies ist eine ideale Seite unseres Berufs, und dieser muß man Rech nung trage». Wenn in dem Prinzip, welches Sie ausstellen, Logik liegt, dann müssen die Cafes und Restaurants, die Zeitungen aus legen, für die Zeitungen, die sie beziehen, mehr Geld bezahlen als der Privatmann, der sich die Zeitungen hält. Die Leute nehmen zwar nicht unmittelbar für das Zeitungslesen Geld, aber sie locken manchen Gast an, der eine bestimmte Zeitung lesen will, und deswegen in das bestimmte Caso geht. Und schließ lich, wenn Sie das Prinzip bis in die äußersten Consequenzen verfolgen, ist Niemand mehr berechtigt, der ein Buch gekauft hat, dasselbe auch nur von einem Anderen lesen zu lassen, weil er den Autor dadurch schädigt, denn hätte er das Buch dem Andern nicht gegeben, dann — nun kommt der Trugschluß — würde der Andere es sich gekauft haben. Das glauben Sie doch ja nicht. Die meisten Menschen lesen Bücher, weil sie entweder sie umsonst gewährt bekomme» oder in Leihbibliotheken zu billigerem Preise haben können, aber kaufen können und wollen sie nicht. Es ist auf Frankreich cxemplifizirt worden. Frankreich ist dasjenige Land, dessen Gesetzgebung über das geistige Eigenthum die ausgedehnteste, schärfste und den Schriftsteller am meisten schützende ist. Beiläufig vermochte Victor Hugo die erste Auf führung des Rigoletto in Paris zu Hintertreiben, weil das Li bretto nach einem seiner Stücke gearbeitet war und der Librettist sich nicht mit ihm in Verbindung gesetzt hatte. Soweit geht man in Frankreich. Aber trotzdem ist es dem Franzosen noch niemals eingefallen, eine so ungeheuerliche Beschränkung ein führen zu wollen, wie die ist, welcher die Leihbibliotheken nach dem vorliegenden Anträge unterworfen werden sollen, daß sie Bücher, die sie gekauft haben, nicht sollen weiter verleihen dürfen. Der Vergleich mit dramatischen Produkten hinkt, dazwischen besteht keine Aehnlichkeit. Bei den letzteren ist überhaupt das Gedrucktwerden absolut Nebensache; die dramatischen Produc- tionen werden lediglich zum Zwecke der Aufführung geschrieben, und das Lesen ist ganz nebensächlich, und nur durch den ver größerten Verkehr und unsere technischen Fortschritte ist cs mög lich geworden, daß Jedermann, der gute oder schlechte Stücke schreibt, sie sofort drucken lassen und gedruckt an die Direktoren von Bühnen versenden kann. Es hat sehr gute Stücke gegeben, besser als viele der jetzt ausgesührten, die nicht gedruckt worden sind, weil damals nicht jene Verschwendung an Druckerschwärze möglich gewesen ist wie heutzutage. Ich glaube nach alle dem: wir thun am besten, diesen An trag, der materiell die Lage der Schriftsteller absolut nicht ver bessert, der sie in ihrer idealen Position nach meiner Ansicht empfindlich schädigt, — denn ein echter und rechter Schriftsteller muß lieber einen Thaler als einen Leser verlieren, — und einen Antrag, der, solange er auf der Tagesordnung bleibt, eine sehr ehrenwcrthe, sehr zahlreiche und zum Theil sehr nützliche Classe der bürgerlichen Gesellschaft gegen uns erbittert, abzulehnen. Ich sage Ihnen, es ist gegenwärtig keine Möglichkeit vorhanden, demselben praktische Folge zu geben, und namentlich mögen Sie einen Reichstag nehmen, wie Sie wollen, es wird keiner diesem Gesetze jemals seine Zustimmung geben. (Schluß folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder