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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.05.1884
- Strukturtyp
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- 1884-05-19
- Erscheinungsdatum
- 19.05.1884
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- Deutsch
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2328 Nichtamtlicher Theil. 116, 19. Mai. den die gewöhnliche Prosa brauchenden Rednern nicht mehr gelingt: die Hörer zu fesseln, — das gelang auch diesmal wieder dem Poeten, der schon so oft unsere Tafelrunde erfreut und erheitert hat, Herrn Professor Wenck. Durch die Liebenswürdigkeit desselben sind wir auch diesmal in den Stand gesetzt, den Wortlaut seines wie immer stürmischen Beifall findenden Toastes wiederzugeben. Als einst vor dem römischen König Tarquin 'ne Lit'ratin in reiferen Jahren erschien. Ihm ein Manuscript zur Verfügung zu stellen, Das Sensationellste des Sensationellen, Darinnen Rom s künft'ge Geschichte tractirt war, (Also Mommsen complet — wo noch gar nichts passirt war!) Nun da wünschte Tarquin (und wer mag's ihm verweisen?) Nicht so auf den Zopf ohne Weit'res zu beißen! „Die Idee sei ganz nett, doch der Handel zu theuer!" Wupp, warf die Sibylle den Codex in's Feuer, Und hat dann, nur noch für 'nen schäbigen Rest, Den Preis, der sür's Ganze gegolten, erpreßt. — Oh daß diese Historie vom alten Tarquine Jedem jungen Verleger zum Beispiele diene. Daß er gern, was der Schriftsteller fordert und beut, Oum Gratia, gut heißt, so lang' es noch Zeit. Um durch Schriftsteller-Bosheit in ähnlichen Schaden, Wie der alte Tarquinius, nicht auch zu gerathen! Aber neben dem Schriftstellerthum und Verlage Kommt ein drittes Wesen für mich jetzt in Frage! Verleger und Antor erbebt, wenn er's nennt, — Und was wären sie doch, von dem Wesen getrennt! — Ein Wesen, wie zeichn' ich's in rechter Gestalt? — Vielköpfig und kopflos, — jung ewig, und alt, — Bewußtlos und selbstbewußt, — Knecht und Tyrann, Jetzt Bannstrahle schleudernd, jetzt selber im Bann, — Ein Wesen, — doch fern sei's, mit Räthseln, mit schweren, Ihr beschaulich verdauliches Dasein zu stören; Aber manch eine Gabel, die schon mit Behagen Leck re Speise zum Mund im Begriff war zu tragen, Fährt krampfhaft zurück, wie durch Zaubergewalt, Wenn vom Mund mir das Donnerwort: Publicum! schallt. Ja, wer mag da den Schauern der Ehrfurcht entfliehen. Und, hätt' er den Hut auf, wer würd' ihn nicht ziehen, 'S is' n Wesen, zu dem muß mer »Heernse« sagen! Seit der Zeit, wo Homeren die Muse sich nahte, Bis zum gegenwärtigen Sonntag Cantate, Seit der Zeit, wo kein Dichter das Schreiben verstanden, Bis daß jetzt fast vor Schreibern kein Dichter vorhanden, Ruht das Wesen, gestreckt über Länder und Zonen, Consument von den riesigsten Dimensionen, Und Verleger und Autor umstehn und beschau'n Und belauschen in Andacht sein großes Verdau'n! O wäre die Zeit doch, die gute, noch da, Wo der Dauungsprozeß fein gemächlich geschah. Wo an einigen angenehmen, bequemen Ein paar unsaub'ren Späßen und ähnlichem Kraut Der Herr Publicus ganze Jahrzehnte gekaut! Da dat doch Gewißheit dem Autor gelacht: »Das macht was! So macht sich's! und so wird's gemacht!« Da könnt' sich Verleger und Autor verstehen: »Gehen so wir zu Werk, wird das Werk dann auch gehen!« Jetzt aber, — o über den Wechsel, den wüsten, Von Indigestion und von hundert Gelüsten, O der Concurrenzwuth, um zehn Appetiten O der Ueberfütt'rung, durch die und durch welche Er ward zum verwöhntesten Strolch aller Strölche! Nun bricht, bald an dem, bald am anderen Eckchen, Ein neues Jdeechen, ein neues Geschmäckchen, Eine Plötzlich empfundene, brennende Frage, Ein dringend gefühltes Bedürfniß zu Tage; Aber rasch, wie empor, taucht's auch nieder sogleich. Gleich dem Haupte des Frosches im ländlichen Teich; Rasch faß' es, sonst schnappt ein College gar keck Dir Frage, Idee und Bedürfniß hinweg! Ach und wie, wenn nun jemals die Stunde erschiene, Wo es. Stopp! hieß' in der Berdauungsmaschine, Wo der Publicus, überfütterungsschwer, Streik machend, erklärte: Jetzt kann ich nicht mehr? Aber nein! so Entsetzlichem Abwehr zu leisten Hat der Buchhandel doch noch die Mittel in Fünften! Noch hält, was die Eßlust am Leben hält, Stich: Reclamen, so unter wie über dem Strich, Placate, die nicht mit Verheißungen geizen, Kunstbeilagen von unermeßlichen Reizen, Aussendnng von Lief'rungen gratis, als Proben, Mit Vermerk: wer auf Bildung je Anspruch erhoben, Der kauft sich dies Buch an! Nun, kaufst Dir es Du? Den Bestellzettel legten bereits wir dazu! — — Ach, und immer, bestrickt von Grazien und Musen, Stürzt der Publicus wieder an Buchhandels Busen, — O fiel, wie sie so in die Arme sich laufen, Doch dazwischen die Leihbibliothek über'n Hansen! — Und so bring' ich's, im Glanze des Buchhandelsfestes, Auf des Publicus hohe Gesundheit und Bestes, Oder besser: ich bring's bei Buchhandels Schmaus Auf einen gesunden Herrn Publicus ans: Gesund an Appetit, so daß an dem Tische Des Buchhandels gern er sich stärk' und erfrische. Und gesund mag des Gaumens Judicium sein, Daß er distinguirt zwischen Essig und Wein! Und was er genießt, mag er wacker vertragen, Daß nicht Schwächezustand und Bleichsucht ihn plagen. Daß kein Nervenleiden ihn peinige, — und Auch der vervus rerum sei stets ihm gesund! — Aber halt da! — mit Schrecken bedenk' ich anitzt. Daß mein Publicum hier doch auch Nerven besitzt, Die verlangen nach Schonung, nach Ruhe, — ich strebe Zum Schluß, — der gesunde Herr Publicus lebe! Hoch! Einige weitere Versuche zum Reden müssen hier übergangen werden, da es unmöglich war, noch etwas zu verstehen. Schade, daß die Trinksprüche nicht früher kamen, denn sie waren, wie man durch Hörensagen erfuhr, auf den Dichter unseres Tafelliedes, Herrn E. Bormann, und auf das Festcomitä ausgebracht, und jeder Anwesende hätte sicherlich freudig mit eingestimmt, wenn er sie nur eben hätte verstehen können. Dagegen fand auch das zweite Tafellied, zu dessen Absingung zum Schluß „verschritten" wurde (um einen bei Leipziger Local reportern recht beliebten Ausdruck zu brauchen), ungetheilten Beifall. Es war memphitischcr Natur, denn es verlegte nach den Stätten uralter Cultur, nach Niniveh, Babylon und Memphis, seine orakel hafte Weisheit über die großen, den Buchhandel bewegenden Fragen und war, mit schönen Illustrationen geziert, in der Weise der Nach ahmungen alter vermoderter und zerbröckelter Codices ausgestattet, wozu Herr Bagel in Düsseldorf in liebenswürdiger Weise das Papier geliefert hatte Es ist wohl geäußert worden, daß der Schluß etwas zu sehr an Unkenruf erinnere; wer möchte aber die aus gesprochene Warnung für ganz unberechtigt halten, und daß das ^Isuo, msus tskel! gerade im Augenblick der höchsten Freude er scheint, hat doch tiefe historische wie psychologische Begründung. Nunmehr aber war es sechs Uhr geworden; vier Stunden lang hatte man allerlei geistigen und materiellen Genüssen bei der Temperatur eines Dampfbades gehuldigt, kein Wunder, daß die Widerstandsfähigkeit erschöpft war, und die Tafel sich rasch auflöste. Aber noch lange saßen Gruppen der Tischgäste im Garten bei Kaffee und kühlendem Biere zusammen und reformirten in ernstem Gespräche rasch noch ein Bischen den Buchhandel. Auch der Montag war ein Tag voll harter Arbeit. Bei der tropischen Hitze im Börsensaale zu rechnen, war keine Kleinigkeit, und sich dann durch die Diners bei den Herren Commissionären und das Bayerische Kellerfest hindurchzuarbeiten, auch nicht. Das letztere bildete einen würdigen und wohlgelungenen Ab schluß der Meßfestlichkeiten. Der große Parterresaal des Krystall-
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