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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.01.1931
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- 1931-01-10
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- 10.01.1931
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Quadratzcntimetcrn. Eifrige würden zetern über die Miß geburt einer seelenlosen technisch verseuchten Gegenwart. Der Erfinder würde zwar auf die bequeme Aufbewahrungsmöglich keit und die jederzeit mögliche Reproduzierbarkeit Hinweisen. Aber man würde ihn fragen, ob denn wirklich alles in litera rischer Form Gedachte wert sei, aufbewahrt zu werden. Man würde ihn auf den Heimsprechfilm aufmerksam machen, der ja auch jederzeit beliebige Wiederholungen gestatte. Diese umgekehrte Utopie') ist natürlich grotesk und über trieben zugespitzt. Aber es ist doch ganz gut, sich einmal eine geistige Welt ganz ohne Bücher vorzustellen. Wir Buchhändler haben keinen Grund zu irgendwelchem Pessimismus. Noch jede technische Entwicklung hat gezeigt, daß bei kluger Abgren zung für die verschiedenen Verfahren nebeneinander Platz ist. Das Buch ist natürlich nicht zu ersetzen. Abgesehen von dem wahrscheinlichen überwiegen des optischen Typs ist es eben leich ter zu bewegen, stört nicht den Nebenmenschen und verlangt keine technische Wiedergabeapparatur. In einer Beziehung müssen wir heute schon dem Rundfunk dankbar sein. Denn er übernimmt in steigendem Maße^ litera rische Werke, die nur für den Augenblick geboren sind und nach einer gewissen Wirkungsdauer ohne Schaden völlig verschwinden können. Bisher mußten diese Sachen meist in Buchform heraus kommen und belasteten mit ihrem äußeren Anspruch auf Ewig keitswert die Bibliotheken und Bücherschränke. Dieser Über gang von Werken mit Tagesbedeutung auf den Rundfunk wird eines Tages eine Entlastung des Buchmarktes bedeuten, wenn erst der literarische Atavismus der geistig Schaffenden über wunden ist, die meinen, ihre kleinen, für den Rundfunk ge schaffenen Werke müßten unbedingt gesammelt in Buchform er scheinen. Aber wir müssen uns trotz aller Überzeugung von der nicht zu erschütternden Hauptstellung des Buches darüber klar sein, daß manche geistigen Werke das Buch nur als behelfsmäßiges Wiedergabemittel gewählt haben. Man denke an Sprachunter richtswerke, an die komplizierten Systeme, die zur Verdeut lichung der Aussprache erfunden wurden. Ganz deutlich geht neben dem Rundfunk ein technischer Weg über die Zwischenstufe der Schallplatte zum Heimsprech- und -bildsilm. Wir werden uns damit abfinden müssen, daß namentlich Bildungsarbeit jeder Art von der Hochschule bis zum Selbstunterricht in ge wissem Umfang aus das Lehrbuch in der bisherigen Form ver zichten wird. Gewiß, das Buch wird bleiben, man kann nicht darauf verzichten. Aber sein Verwendungsumfang wird kleiner werden und das bedeutet gleichzeitig Verschmälerung der wirt schaftlichen Grundlage für den Verlag und ganz besonders fürs Sortiment. überblicken wir einmal, was es aus diesem Gebiete heute schon gibt, über die Rundfunkprogramme ist jeder unterrichtet. Hinweisen möchte ich aber auf die Einrichtung des fremdsprach lichen Schulrundsunks, wie er z. B. in die Programme der bayerischen Sender ausgenommen ist"). Die Schallplatte be schränkt sich schon nicht mehr auf die Musik, man höre sich einmal die literarischen Schallplatten der Electrola-Gesellschaft an"'). Es gibt heute schon vier Sprachunterrichtssysteme auf Schallplatten, bei denen das Buch nur noch eine ergänzende Rolle spielt. In Vorbereitung befindet sich ein Redekurs auf Schallplatten. Soeben erschien für Mediziner ein Diagnose kurs über Herzkrankheiten auf Schallplatten. Einen bedeuten den Fortschritt versprechen die Erfindungen der Selenophon- ") Ich entnehme einige Gedankcngängc dieser Movie einem in anderem Zusammenhang in einer Runbsunkzeitschrist erschienenen Aussatz. "> Vgl. Scherer, Schulfunk in Bayern jNeues Land Jg. 1830. H. 12). '"") Ich nenne als Beispiele die Platten: v 8 510: Monolog aus Hamlet, gesprochen von Alexander Moissi: 8 ll 87: Goethe, Der Türmer, gesprochen von W. Hofsmann-Harnlfch; 0 8 513: Monolog aus »Faust«, gesprochen von Alexander Moissi; v 8 541: Traumerzählung aus den »Räubern«, gesprochen von Alexander Moissi: 8 o 218: Grimm, Bremer Stadtmusikanten: 8. 0 1051: Gedichte von Rilke, gesprochen von N. Schoenfcld. Gesellschaft in Wien, die Musik- und Sprechtexte auf e! billigen Papierband mit einer Spieldauer von 38—72 Mini herausbringt. Sie behauptet, damit nicht teurer zu sein! eine normale Schallplatte. Auch verschiedene Volksbildungskreise befassen sich berci mit der Schallplatte'). Katholische Volksbildner haben zvl katholische Schallplattenunternehmen gegründet: »SpielmanW und »dlusina soora«. Ich erinnere weiterhin an die »JnternatüH nale Phono-Liga- und die Vorträge auf der 2. Schallplatte:! Konferenz, die im November 1930 in Mannheim ftattsanll -Grund genug für den Buchhandel, diese Vorgänge aufmerls sam zu verfolgen. X Fragt sich nun, was der Buchhandel tun wird. Er wird viel-l leicht einmal vor der Entscheidung stehen, ob er Händler mit Büchern bleiben will oder ob er seine Aufgabe darin sieht, Händler mit allen materiellen Ausdrucksmitteln geistiger Arbeit zu werden. Hoffentlich räumt dann der Buchhandel nicht das Feld und nimmt sich des Vertriebes von literarischen Schallplatten, Sprachsystemen auf Schallplatten usw. an. Auch hochwertige klassische Musik, namentlich solche mit musikpädagogischer Bedeutung, käme in Form von Schall platten als Nebenartikel in Frage. Damit erhält die oft diskutierte Frage, der Aufnahme von Nebenartikeln zur Ver breiterung der geschäftlichen Grundlage für das Sortiment ein neues Gesicht./' Die Schaklplattengeschäfte würden diese Sachen garnicht rich tig vertreiben können und so würden die Fabrikanten gezwungen, neue Absatzwege neben dem Buchhandel zu suchen. Muß das denn sein? Und wenn in absehbarer Zeit der Heimsprechfilm handelsfähig wird, dann wird hoffentlich der Buchhändler sich nicht auf den Standpunkt stellen, er sei kein Filmhändler. Er wird dann hoffentlich das Geschäft aufgreifen und wird die Ein führungsvorlesung in die Physik als kombinierten Sprech- und Bildfilm ebenso verkaufen (oder verleihen) wie heute das Hand buch der Experimentalphysik. Handelstechnisch sind für den Buchhandel nur drei Heimkonserven möglich: das Buch, die Schallplatte, der Heimfilm. Das ist das eine, was der Buchhändler machen kann: sich als Produzent und als Händler der technischen Weiterentwick lung anpassen. Er wird aber weiterhin auch vieles zum Schutze des Buches tun müssen. Und da erheben sich zwei pädagogische Forderungen. Buch wie Hausmusik lassen der Schallplatte, dem Rundfunk und dem Film gegenüber Raum zu individueller Interpretation. Diese individuelle Interpretation ist ein aus jeder Kultur nicht fort zu denkender Bestandteil. Die erste pädagogische Forderung lautet daher: »Aufklärung über die kulturellen Eigenwerte dieser Interpretation und Erziehung zu ihrer Möglichkeit«. Das führt unmittelbar zur zweiten Forderung: »Unterricht in der Lesetechnik auf breitester Grundlage«. Milch kann jeder trinken, Anzüge tragen auch — ob elegant, ist eine andere Frage, jedenfalls glaubt es der Käufer, und darauf kommt es an. Deshalb sind diese Waren auch verhältnismäßig leicht einzeln und gemeinschaftlich zu propagieren. Aber Bücher lesen? Nein, das können nur wenige. Mit Einbildung ist da nichts zu ma chen. Nur zu rasch merkt der Leser, daß er keinen rechten Ge winn, keinen Zuwachs an Lustgefühlen aus der Lektüre ge zogen hat. Daß man Klavierfpielen lernen muß, ist allgemein bekannt; fast garnicht, daß zum Lesen mehr gehört als das rasche und fließende Aufnehmen von Buchstaben und Wortbildern. Das Elend der Buchwerbung besteht ja darin, daß wir,die Käufer zwar zum Lesen veranlassen können, daß wir ihnen aber nicht gleichzeitig die richtige Lesetechnik verkaufen können. Lese- technik kann nur die Schule lehren, die Beeinflussung der Volks bildung ist aber dem einzelnen Verleger und Sortimenter uni- möglich. Die Durchsetzung dieser beiden Pädagogischen Ford«^ rungen ist deshalb m. E. die Hauptaufgabe der kulturellen Innenpolitik des Gesamtbuchhandels. *> Vgl. Ackerknecht, Bildungspslege und Schallplatte (Bücherei und Bildunaspfleae. Jg. 10, Heft 1). — Boelltz, Die Schallplatte im Unterricht (Pädagog. Zentralblatt. Jahrg. 1828, Heft 3).
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