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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.04.1929
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- 1929-04-06
- Erscheinungsdatum
- 06.04.1929
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X- 79, k. April 1929. Redaktioneller TM. BSrscnblxtt f. d. Dychn. Buchhandel. Welt, auch in Deutschland, im Marsch. Die Bildung hat aufge hört, in Deutschland Monopol einiger Schichten oder gar nur einer Schicht zu sein. Ich sehe auf kulturellem Gebiet aber zwei Mächte, die sich diesem demokratischen Recht von heute, dem Recht der Volks- masscn auf Bildung, entgegenstellen. Ich schweige von der größten Not der Arbeiter und Angestellten, die diese Massen an sich schon unfähig macht, zur Bildung und zur Kultur zu ge langen; denn wer hungert und in einer jämmerlichen, unge heizten Stube wohnt, wird und muß lieber in die Kneipe oder in einen warmen Kinoraum gehen, als nach einem Buche greifen. Von den beiden Mächten aber, die ich meine, ist die erste der Staat selber. Er hat noch immer nicht das Bildungsprivileg der Begüterten aufgehoben. Er verlangt noch immer das Schulgeld an den höheren Schulen. Die zweite Macht aber, von der ich heute hier zu sprechen habe, ist der zu hohe Bücherpreis. Damit ist wider den Willen und wider den Sinn der modernen Gesamtentwicklung festge halten das Bildungsmonopol der Begüterten. Wiederum Wird durch den hohen Bücherpreis nicht die Volksmasse, sondern eine plutokratische Schicht zum Empfänger der lebendigen Bildung —> was durchaus nicht heißt: zum Trägerder lebendigen Bildung —, und die Folgen dieses Steckenblerbcns liegen auf der Hand und sind zum Greifen. Jetzt wird nämlich nicht mehr Bildung aufgebaut, jetzt wird nicht mehr kontinuierlich entwickelt und der Grundstein zu einer späteren deutschen Tradition gelegt; jetzt geht es plutokratisch hin — wohin? — auf die Sensation! Sie ist cs, die in der unnatürlichsten Weise, auch in der sozial schäd lichsten Weise den kulturellen Verlag statt zum Dienst am Werk oder gar am Autor von Novität zu Novität treibt. Sie selbst ruiniert auch den kulturellen Verlag. Sie treibt ihn zu der schon genannten ungesunden Überproduktion. Es wird viel zu viel gedruckt. Die Verleger aber schlagen sich nicht auf die Brust und fragen: Woher kommt das? Sie werden getrieben durch die Schicht, auf die sie bauen wollen und die ungesund ist. Die Sensation einer im tiefsten erschütterten bildungsfrcmdcn Schicht ist es, die nicht mehr kulturell sammelt, die nicht fcsthält, sondern wie in der Konfektion auf den ckernisr cri der Mode horcht. Es ist diese Schicht, die ja letzten Endes im Zerfall ist und vom Geistigen nur noch historische Vorstellungen hat. (Händeklatschen.) Aber der heutige kulturelle Verlag glaubt weiter folgen zu müssen. Der heutige kulturelle Verlag glaubt folgen zu müssen auch mit den Einbänden, dem Buchschmuck und dem ganzen über betonten Ausstattungsfimmel. Das sind die Leser, die uns vom Verleger als Normalleser vorgestellt werden und die wir nicht wollen, und diese Leser sind cs, die die Bücher in die Schränke stellen, gelesen oder — meist — nicht gelesen, und diese verlangen die schönen Einbände. Und das ist die Gefahr der Bibliophilie und die Diktatur des Snobs. Wir gehören aber nicht in die Schränke, sondern in die Köpfe und in die Seelen. (Lebhaftes Händeklatschen.) Und wenn der kulturelle Privatverlag glaubt, dieser genannten Bildungsfchicht — oder Unbildungsschicht — folgen zu müssen, so leidet er nach unserer Ansicht, nach der An sicht der meisten lebenden Autoren und nach Ansicht von mir selbst an einem Konstruktionsfehler, und seine Stunde hat in diesem Augenblick, sofern er daran festhält, geschlagen. Die Sensationslust und dis Novitätenjagd des kulturellen Verlags erscheinen übrigens, bemerke ich nebenbei, drolligerweise mit einem Gesicht, das sich uns, den Autoren, liebevoll zuwendet. Das ist die Pflege der jüngsten Begabung, die literarische Säug- lingspslegc. (Heiterkeit. — Händeklatschen.) Unser heutiges lite rarisches Leben, soweit cs besonders vom kulturellen Privat- vcrlag gespeist wird, mußte notwendigerweise zwei Kräfte produ zieren: erstens die U«»isoll«,-Wirtschaft und zweitens jene Säug lingspflege. Man kann nach unserer Ansicht seine Uninteressiert heit an den kulturellen Dingen nicht deutlicher zeigen, als wenn inan zwei Gesichtspunkte maßgebend werden läßt: das neueste und das meistgelesene Buch, den letzten Autor und Ken N«»i«oil»k. Wir haben deni gegenüberzustellen literarische Llualität und das vvnltauum und Wachstum der Bildung. Ich muß vorwegnehmen, daß noch schlimmer als der oft notgctriebene Privatverlag der Mammutverlag, der Jndustrieverlag hier sündigt, der von Haus aus Massenproduktion treiben mußte. Ich füge hinzu, was sich aus dem Vorigen ergibt, daß ein wesentlicher Schaden des kulturellen Verlags die im übrigen gut gemeinte, gut gesinnte und schlecht gekonnte Reklame ist. Im Kampf um den Platz an der Sonne, um den Lestsettsr-Sitz, sind die sinnlosesten Anpreisungen den Verlegern gut genug. Ich kann nicht umhin, zu bemerken, daß ich die Propagandanotizen der kulturellen Verlage vom Autorenstandpunkt aus für un würdig halte, und ferner halte ich sie, wie einer meiner Vor redner, für gänzlich nutzlos. Es glaubt doch niemand diesen Notizen, wonach wir von lauter Genies umgeben sind. Wir brauchen eine starke fachmännische Buchkritik. Wir werden nach her davon etwas hören. Nach meiner Ansicht ist diese fachmän nische Buchkritik in Deutschland noch nicht existent. Ich habe Ihnen die Tragik fast der gesamten Autorenschaft von Deutschland gezeigt, die schreiben muß für eine Leserschaft, die sie nicht kennt und zum großen Teil nicht mag. Die breiten Bildungsschichten, soweit sie lesen, halten sich an die freien Autoren und leben in der Mentalität von Gustav Freytag und noch weiter zurück, in der Mentalität von vor 30 und bO Jahren. Man läßt uns also nicht Triebkraft und Geist der Leute von heute sein. Wir werden erst in 30 und SO Jahren, wenn wir nicht mehr Geist und Triebkraft sind, lebendig. Das ist ein Unfug. Hier liegt die schwerste kulturelle Schädigung, die das zu teure Buch verursachen kann: Rückständigkeit der großen Masse, die nicht am geistigen Leben von uns, ihren Köpfen, teil- nehmen darf, und andererseits Abtrennung von uns, den Köpfen, von den Massen, für die wir da wären. Schuld daran ist das zu teure Buch. Wie kann einer sagen, daß das zu teure Buch keine Not und keine Gefahr wäre? Es war nun, beabsichtigt oder nicht beabsichtigt, eine erfreu liche Selbsthilfeäußerung der Leser der Buchgemeinschaften, daß sic diese literarischen Konsumgemeinschaften aus privatkapitalisti scher oder gemcinwirtschaftlicher Basis aufbauten. Ich habe diese Buchgemeinschaften sehr zu loben. Sie sind keine Avant garde im Literarischen wie unsere Privatverlage, sie sind aber eine Avantgarde im Kulturpolitischen. Sie machen den Autor unabhängig von diesem Leserstab, den er nicht mag. Sie geben ihm einen festen kulturfähigen Leserstamm und machen ihn un abhängig von einer Zufallsreklame oder von einem Konjunktur- crfolg. Sie gewähren auch dem Autor einen großen ideellen Vorteil mit diesen weiten Lesermassen. Während der Privat- vcrlag von Fall zu Fall seinem Autor wie ein Kondottiere ein Söldnerheer warb, steht hier das Heer parat, und es werden nur von Zeit zu Zeit die Offiziere gewechselt. Enorm ist nun und muß sein der Antrieb, der dem Autor solche Verbindung gibt. Es folgt für ihn daraus auch die Bindung an diese Masse, die produktionssteigcrnd ist, — geistig produktionsstcigernd. Ganz besonders ist das der Fall bei den ideell gebundenen Buchgemeinschaften, bei den weltanschaulich oder politisch gebun denen Buchgcmeinschaften. Sie lobe ich am meisten. Sie er hebe ich über die neutralen — weltanschaulich neutralen — Buchgemeinschaften; denn nichts ist für einen Autor wichtiger als eine feste, ideelle Hand. So also die evangelischen, katholi schen und meinetwegen auch die völkischen Buchgemeinschaften! Es wird sich freilich noch zu erweisen haben, was diese kul turpolitischen Avantgarden, die langsam in indifferente Leser- schichten eindringen, auch für den lebenden Autor leisten. Es besteht ja bei diesen Verbänden die Gefahr, daß sie, statt die Massen zu führen und zu infiltrieren, der Schwerkraft dieser Massen folgen und die Massen mit einem flachen Lesefuttcr tibcr- sättigen. (Sehr richtig!) Vor allem stellt der lebende Autor fest, daß er selbst bet diesen Typen stark zu kurz kommt; denn von einer kontinuierlichen Pflege des Autors, wie der Privatvorlag sie un» »»gedeihen läßt, von einem Schutz des Trägers der Pro duktion ist bis heute bei den Buchgemeinschaften noch nichts zu merken. Dieser Typ aber, modern und zukünftig, wie er ist, hat genau wie der Jndustrieverlag eine Gefahr: oben diese Gefahr »7S
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