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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.04.1929
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- 1929-04-06
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- 06.04.1929
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Risiko. Man ist nicht absolut sicher, wieviel Exemplare man von dem einzelnen Buche los wird. Es kann sehr große Schwan kungen geben, und es gibt sie auch. Es können Bücher den Erfolg haben, daß sie beinahe von allen Mitgliedern verlangt werden, während andere wieder nur von einem sehr kleinen Teile der Mitglieder verlangt und abgenommen werden. Das Risiko ist also wieder da. Immerhin ist es durch die Organisationsform gegenüber dem freien Verlagsbuchhandel doch sehr deutlich be grenzt, und das schon erwähnte Organ, die Zeitschrift, bietet eine Möglichkeit, an den andern Mitgliederkreis heranzukommen und ihn propagandistisch zu bearbeiten, die ja weit stärker ist als all das, was der freie Verlag in der unbegrenzten Öffentlichkeit durch Inserate erreichen kann. Die Bücher, die diese neuen Organisationen, diese Buchge meinden, ihren Mitgliedern — wie gesagt, es sind schon ungefähr eine Million Menschen in Deutschland — bieten, sind nun bei den weiteren Organisationen jedenfalls sowohl wissenschaftlicher wie belletristischer Art, und sie umfassen sowohl klassisches Gut, be kannte Autoren, wie neue Werke. Sowohl freie wie Honorar pflichtige Bücher werden, beide in ungefähr gleicher Stärke, von den großen Organisationen herausgebracht. Die Behauptung, daß die Buchgemeinschaften nur mit klassischem Gut, nur mit freien Büchern arbeiteten und für die neue Produktion nichts täten, entspricht nicht den Tatsachen. Sowohl Wissenschaftler wie Dichter sind während der letzten Jahre nicht nur als Her ausgeber und Bearbeiter, sondern auch als Verfasser von allen Buchgemeinschaften sehr häufig beschäftigt worden. Eine der großen Buchgemeinschaften hat sogar einen besonderen Jugend- prels für erzählende Kunst gestiftet. Dieser Preis wird verwaltet vom Verband Deutscher Erzähler, und er gibt dieser Buchgemein schaft die Möglichkeit und legt ihr die Pflicht auf, jährlich einen oder mehrere ganz neue Autoren herauszubringen und ihren Mitgliedern zu zeigen. Die materiellen Chancen für den Autor innerhalb der Buch gemeinde sind so beschaffen, daß, am einzelnen Exemplar ge messen, der Autor keinesweg höhere Honorare bezieht, als der freie Verlagsbuchhandel ihm bieten kann. Aber dadurch, daß hier das Risiko geringer ist, können doch in vielen Fällen die Buch gemeinschaften den Autoren eine höhere Auflage garantieren und auch vorausbezahlen, als der freie Verlagsbuchhandel das kann. Was die Mitglieder betrifft, so setzen sie sich in den Fällen, die ich habe studieren können, ganz wesentlich aus den sogenann ten «kleinen Leuten- zusammen. Leute mit Hochschulbildung sind in der Mitgliedschaft der Buchgemeinschaften außerordentlich selten. Es handelt sich in der Hauptsache um kleine Beamte, um kaufmännische und andere Angestellte, um bessergestellte Arbeiter. Die zuweilen gehörte Meinung, daß es sich bei den Buchgemein- schaftcn um Leute handle, die sich einen dekorativen Bücherschrank anlegen wollten und gar nichts läsen, ist nun ganz bestimmt un zutreffend. Solche «unechten- Bücherbezieher, die nicht lesen, sondern irgendeinen gesellschaftlichen Schein bewahren wollen, sind sicher unter den reichen Leuten, die zu sehr hohen Preisen in den Läden einkaufen, viel zahlreicher als in den Buchgemein schaften. Die Leute in den Buchgemeinschaften sind mit ganz verschwindenden Ausnahmen wirklich echte Leser. Dafür hat man sehr viele Proben und Beispiele in der großen Korrespondenz, die von allen diesen Buchgemeinschaften geführt wird. Sie sind so gar leidenschaftliche Leser, denen es am Inhalt der Bücher liegt. Die Tatsache, daß alle diese Buchgemcinden mit der Anpreisung schöner und dauerhafter Einbände propagandistisch zu wirken versuchen, beweist durchaus nicht das Gegenteil. Wenn wir nicht alle der Meinung wären, daß der Buchbesitz dem bloßen Buch lesen einen inneren kulturellen Wert hinzufügt, so könnte sich ja unsere ganze Tätigkeit auf die Pflege des an sich sehr wichtigen und unentbehrlichen Leihbibliothckswescns beschränken. Die ganze Agitation, die wir hier für den Buchkauf treiben, wäre ja überflüssig, wenn wir nicht die Meinung hätten, daß das be sessene Buch, mit dem jemand zusammenlcbt, das er täglich zur Verfügung hat, einen neuen Wert darstellt gegenüber dem Buch, das er nur einmal liest und dann aus der Hand gibt. Also daß hier versucht wird, den Leuten auch klar zu machen, daß ein Buch schön aussehcn und daß man es lange behalten und in den Schrank stellen soll, ist kein Beweis dagegen, daß es sich hier in erster Linie darum handelt, die Leute zum Lesen und zur An eignung von geistigen Werten zu führen. Die Frage freilich, ob das Organisationswesen der Buchge- meinden nun tatsächlich ganz neue Volkskreise für das Buch er obert und Menschen überhaupt erst an das Buch gewöhnt hat, die ihm sonst fremd gegenüberstanden, oder ob diese Millionen Mit glieder sich mehr aus Leuten zusammensetzen, die sonst in die Buchläden gehen und kaufen würden — diese vielumstrittcne Frage dürfte sich schwerlich mit Sicherheit entscheiden lassen. Hier wird wohl Meinung gegen Meinung stehen; denn niemand kann statistisch feststellen, was jemand getan haben würde, wenn er etwas anderes nicht getan hätte. Dagegen ist feststellbar, daß die bestehenden Buchgemeinden, ob man nun ihre Tätigkeit für sozial nützlich im weitesten Sinne des Wortes hält oder nicht, doch keineswegs rein soziale, ge schweige denn sozialistische Organisationen sind. Nur einige kleinere, weltanschaulich gebundene Buchgemeinden schließen durch ihr Organisationsstatut Gewinnerzielung aus; die anderen Organisationen stehen bei sozialistischer Technik in der kapita listischen Form. Sie haben eine kapitalistische Spitze. Das stelle ich hier natürlich nur fest, ohne irgendeine Wertung daran zu knüpfen. Ebenso fehlt zu einer wirklich sozialen Organisation eine durchgeführte Einflußnahme der Mitglieder als Bezieher dieser Bücher aus die ganze Leitung der Produktion. Ein derartiger Versuch ist meines Wissens noch nie in einem wirklichen Maße ge macht worden. Immerhin haben einige dieser Buchgemeinden einen Beirat, der sich zusammensetzt aus Vertretern von Orga nisationen, von denen man annimmt, daß ihre Mitglieder unter der Mitgliedschaft der Buchgemcinden auch sehr stark vertreten sind. Aber das ist, wie gesagt, nur eine Andeutung, nur ein Er satz für eine Form, die gefunden werden müßte, wenn es sich um ein rein sozial durchgebildetes Institut handeln sollte. Etwas ganz anderes als diese ja erst in der Entwicklung be griffene, noch nicht zehn Jahr alte, ganz junge und unfertige Form der Buchgemcinden, etwas ganz anderes als dieser Ver such, durch sozialorganisatorische Maßnahmen von unten her den Buchbezug neu aufzubauen, sind die staatspolitischen, die staats sozialistischen Versuche, die Kulturproduktion von oben her zu fördern oder gar zu übernehmen. Eine Art Zwischenstufe in dieser Entwicklung — eine ganz interessante Zwischenform — bedeutet z. B. die Tätigkeit der Deutschen Dichter-Gedächtnis- Stiftung, die zum Teil von öffentlichen Mitteln gestützt wird und die gegen ihren Mitgliedsbeitrag kleine Bücher liefert, die eine Art Prämie, ein Anreiz für die Mitglieder sein sollen, die aber ihr eigentliches Kapital, ihre eigentlichen Einnahmen dazu be nutzt, um an kulturell wichtigen Stellen Bücher in großer Zahl gratis auszuschütten, also Literatur ins Volk zu bringen. Es ist ja ferner bekannt, daß wir eine staatliche »Nothilfe für das wissenschaftliche Buch- in Deutschland haben, und daß viele und große Verlage, die offiziell noch ganz privat sind, von dieser staatlichen Subvention zum großen Teil leben und mit ihr ar beiten. Bekannt ist auch, daß Ähnliches ja erwogen und angebahnt ist für den belletristischen Verlag. Die Formen, in denen dann der Staat an der Produktion auch auf belletristischem Gebiet tcil- haben wird und kann, werden ja erst zu finden und zu prüfen sein; aber sicherlich wird das zu einem wichtigen Resultate führen. Es wird gewiß niemand glauben, daß eine dieser erst im Werden begriffenen sozialen Organisationen — weder die von unten kommende Gemeindebildung noch eine staatliche Buch- wirtschast von oben — die Arbeit der freien Verleger und der buchhändlerischen Vermittler je wird überflüssig machen und völlig ablösen können. Das wäre nur bei einer äußersten Ver kennung des kulturellen Interesses überhaupt möglich, und die werden wir gewiß alle nicht wünschen. Sonst wird für die un ermeßliche Weite des geistigen und künstlerischen Lebens, in der wir heute stehen, immer wieder die Unternehmungslust vieler Individualitäten notwendig sein, um das große Gebiet zu he- 373
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