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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.04.1929
- Strukturtyp
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- 1929-04-09
- Erscheinungsdatum
- 09.04.1929
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81, 9. April 1929. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s.d.Dtschn.Buchhandcl. schweigsamen Pasquille zum Reden zu bringen. An ihn heftete man — gewöhnlich nächtlicherweile — verfängliche Kragen, begierig, was jener tags darauf dazu sage. Und oft löste man ihm die Zunge. Ein altes Pasquill berichtet von solchen Wechselrcden, die dann nicht immer nur von Mund zu Mund gingen. Schriftlich, später auch ge druckt, machten viele ihren Weg durch die ganze damals bekannte Welt. Begreiflicherweise war es nicht nach jedermanns Geschmack, auf solche Weise populär — der allgemeinen Aufmerksamkeit, dem Ge lächter und Gespött preisgegeben — zu werden, und es half Pasquills nichts, daß er sich mit seinem Recht »die Wahrheit zu sagen» aus den Papst, ja aus die Bibel jEzechiel 83, 7—8 und Jesata 88, 1) berief. Mehrere Pasquillen bezeichnen ihn als aus Rom flüchtig, andere als von dort vertrieben. Wohin wandte er sich? Nach Deutschland, wo er meintet hier werde es ihm besser ergehen. Schon der Reichstags- abschieü vom Jahre 1524 tat ihm die Ehre an, seiner zu gedenken: mehrere Pasquillen hatten die kaiserliche Majestät höchstselbst in den Harnisch gebracht. Da wurde er denn scharf auss Korn genommen, aber alles, was man dagegen beschloß und versuchte, fruchtete nichts. Als »Fliegende Blätter- bekamen die Pasquille Schwingen, und ihre Zahl wurde Legion. Schon im Jahre 1S44 brachte Cölus Secundus Curio in Basel zwei Sammclbände lateinischer Pas quille heraus. Der Grund, weshalb damals und später alle Edikte nichts da gegen vermochten, war nicht zuletzt, daß just die Führer unse res Volkes, die geistigen wie die weltlichen, ihre unverhohlene Freude an dergleichen Scherzen hatten — sofern sie nicht aus sie selbst gemünzt waren. Gelehrte und Standespersonen tauschten unter einander Pasquille aus und sandten sie an die fürstlichen Höse, mit denen sie in »vertrauter Korrespondenz» standen. Philipp Me - lanchthon schickte ein Pasquill, das er dem berühmten Nürn berger Theologen Veit Dietrich verdankte, an den Herzog Albrecht von Preußen weiter. Der Landgraf Wil helm von Hessen erhielt im Jahre 1485 ein »Pasquill über die Zustände in Frankreich» von dem kurfürstlich sächs. »mcdicus von Haus aus« Joachim Camerartus »com- muntzicrt», der mit allen bedeutenden fürstliche» Persönlichkeiten jener Zeit in Korrespondenz stand. Ein »Lasquill. Sanctus pontikex aä imperatorem« <1568) im Wolsenbtitteter Archiv wurde, wie es scheint, dem Herzog Julius von Braunschweig von Kur fürst Augusts von Sachsen Geh. Rate Christoph v. Carlowitz »aus der Grafschaft Mansfeld mit den Zeitungen geschickt». Selbst Frauen sanken daran Geschmack: Elisabeth, Gräfin von Senneberg, eine geborene Markgräfin zu Brandenburg, sandte einmal dem Her zog Albrecht von Preußen, ihrem »freundlichen, lieben Bruder und Vettern, ein hübsches Lied wider das Interim . . . freundlich zu». Lieder solcher Art sind in den Sammlungen Geschriebener Zeitungen äußerst selten. Im Dresdner Archiv findet sich ein »New Lied von der Holzersparungskunst sin den Salzbergwerken! zu Halle» <1574). Besonders interessant ist ein Blatt im Schweriner Archiv: »Zeitung von dem Unglück, so sich zu Waldenburg in der Grafschaft Hohenlohe bei einer Mummerei zugetragen Ao. 1570»; es enthält dieselbe Nachricht in Prosa und in Versen, ein seltenes Beispiel dafür, wie manches Gedicht entstand. Ebenfalls im Schweriner Archiv befindet sich ein »Pasquill auf Herzog Heinrich von Braunschweig« — unter einem Schreiben eines Ungenannten aus Wittenberg vom Jahre 1540 an Heinrich Schulcrus in Rostock, welches letztere, übrigens auch nur in aller Kürze, Me- lanchthons Abreise nach Weimar zu einer Disputation meldet. Fer ner ein »Römischer Pasquill» vom Jahre 1574, ein »Pasquill: Evan gelium Gundermannt« sein in die kryptokalvinistischen Händel ver strickter sächsischer Geistlicher) vom Jahre 1682, und eins von der Jahrhundertwende: »Der bald tot bald lebendige Kurfürst von Bayern». Ein »Pasquill auf den am 12. April 1587 in Stuttgart Hingerichteten Goldmacher Georg Hanauer» hat seinen Weg in die Hoskorrespondenz Landgraf Wilhelms von Hessen gefunden, ein zier lich-bissiges lateinisches selbst in die »Fuggerzeitungen»: LugUcus, Lnglious est, cui uunquam crsckvrc las sst. Ein passendes Motto sür ein späteres »Engländisch Mandat wegen der Lstländisch Kauflcut, daß sie aus Engellandt mit ihrer Handlung sollen geschafft werden» <1588). Nicht immer reden aber nur eine oder zwei Personen. In manchen Pasquillen treten ihrer viele aus, und dann ähneln sie geradezu höfischen Reigen und Tänzen. Unter einer kleinen Anzahl Schreiben aus den Jahren 1880 bis 1684 In der Weimarer Bibliothek, die, wie es scheint, alle von dem Grasen Gottlicb v. Win- dischgrätz aus Regcnsburg stammen, befindet sich ei» Blatt »Das 384 nagelneue Piquet-Spiel»: Frankreich, Holland, Spackien, Schweiz, Kaiser, Herzog von Limburg, England, Stratzburg, Regens burg, Reichstag, Philtppsburg, Speyer und Worms, Gemeine katho lische Geistlichkeit, Kurpsalz, Kursachsen, Schweden, Dänemark, Graf Tecklenburg, Türk sagen nacheinander ihre gereimten — nach damali gem Geschmacke gepfefferten — Sprüche aus. Ein anderes solches Stück war schon dem ersten Jahrgange der »Leipziger Zeitung» zur »Kurzweil des neubegierigen Lesers» angehängt: »Königliches Ballet Anno 1680 durch einige Potentaten der Christenheiten, Papst und Türken getanzt»! Das waren wahrhaftig »Jeu; d'esprtt«. Zu ihnen gehören weiter auch allerhand Prophezeiungen. Im Schweriner Archiv ver meldet ein Blatt: »Dieses Nachfolgende ist aus das 1562. Jahr von des Kursürsten zu Sachsen Astronomts geprophezeiet«. Fast genau so liest man es hier auch im Jahre 1570, und bcidemale heißt es merkwürdigerweise vom 12. Juni: »Jämmerliche Zei tung»! Im Dresdner Archiv befindet sich u. a. vom Jahre 1578 eine »Prophezeiung von einer neuen Monarchie«, im Marburger ein »Prognosticon de anno 1580«, in den Kuggerzeitungen ein »Pro gnostiken Anno 1582 Argentinae inventum« mit dem Zusatz: »Die unbekaandt Spraach Ist die Lottringische». Das alles wurde bitter ernst genommen! Im Jahre 1565 schickte vr. Timotheus Jung, ein hoher kaiserlicher Beamter, dem Herzog Ulrich von Mecklenburg unter anderen Schreiben »Cyprioni Leonictj vrtheil nach mathe matischer kvnst vnd rechnung von itzt werender Expedition wider den Türken-, Herzog Ulrich selbst aber ließ den großen Tycho de Brahe in den Jahren 1587 bis 1588 dreimal durch seinen Schwa ger Heinrich Below um Deutung mehrerer Prognosttca ersuchen und erhielt jedesmal von der Uraniborg ausführliche Auskunft. Von da zu Mirakeln aller Art war nur ein Schritt. In der Zcitungssammlung des Dresdner Archivs befindet sich »ein wunder lich Geschicht, welches sich am 29. Heumonats <1566) zugetragen hat mit einem Medlein in einem Garten in der Stadt Prag, daß sich ihr etwas wie ein kleines Kindlein erzeigt und zu ihr wunderlich geredet hat», in der des Schweriner Archivs — vom Kurfürsten August von Sachsen dem Herzog Ulrich zugesandt — »ein Extrakt aus Breiten- bach bei Heilbrunn vom 21. August 1583 über ein schrecklich Wunder geschrieben vom dortigen Pfarrer Wolfgang Dreistorius- und noch mehrere Zeitungen aus Vaihingen ähnlichen Inhalts, in den »Fug- gerzeitungcn» ein »Bericht des fllrgcbenen Bluetregnens zu Wien vor dem Schottentorc 18. Julij 1587» und ein anderer über ein »Gesicht eines zehnjährigen Spandauer Mädchens». Darüber hatte im Dezember 1584 ein gewisser Lipcorpius aus Berlin seiner »Lieben Frau Mutter« nach Leipzig geschrieben, deren anderer Sohn, der dortige Magister Hermannus L. den Brief dann gleich weiter- schickte. Wer weiß, wie er nach Augsburg kam. In einem andern solchen Kalle konnte man sich mit Berichten schier nicht genug tun. Es sind das die »Nachrichten von wunderbaren Heilungen eines Ein siedlers von Burgund« oder, wie cs ein andermal heißt, die »Historia cks sancto ineckico Lurgunckio». Viermal, auf deutsch und lateinisch, auch in einem »Schreiben des v. Bernh-ard Vuger an seinen brüderlich lieb Herrn und Schwager Doctor Reinhardt von Caun» und unter dem Titel »Newe Zcittung schreibt Hannß Ko gel von Dilllngen dem Anthons Bimmel jBürgermeister von Augsburg) 25re Junij Anno 1587» kann man in den »Kuggerzeitun gen» davon lesen. Was hier geschildert wurde, sind Formen, die amRanbe des Blätterwaldes wucherten. Auf alle Fälle gehörten sie aber Mit dazu. Alle diese »Jeux d'esprtt» finden sich inmitten großer Zettungssammlungen und sind nicht von ungefähr dazwischen hinein gekommen. So sonderbar das auf den ersten Blick erscheinen und so sehr es in manchem einzelnen Falle überraschen mag: auch das wurde seinerzeit »Zeitung« genannt. Zeitung war — und ist — eben alles und jedes, was irgendwie interessiert. Für die buchhandlerische Fachbibliothek. Alle für diese Rubrik bestimmten Einsendungen sind an die Schrift- leitung des Börsenblattes, Leipzig C 1, Gerichtsweg 28, Postschließ- fach 274/75, zu richten. Vorhergehende Liste s. 1829, Nr. 72. Bücher, Zeitschriften, Kataloge usw. A D B-Mitteillingen. Hrsg, vom Arbeitgeberverband der Deutschen Buchhändler, Sitz Leipzig, Gerichtsweg 26. 8. Jahrg., Nr. 8/8. Aus dem Inhalt: Sozialpolitische Streiflichter. Der freie Angestellte. 83. Jahrg., Nr. 7. Berlin. Aus dem Inhalt: W. Rothenfelder: Di« Deutsche Bücherei in Leipzig.
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