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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.07.1929
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1929-07-04
- Erscheinungsdatum
- 04.07.1929
- Sprache
- Deutsch
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schnell, daß die Druckereien nicht Nachkommen. (Vergessen wir nicht: 80 000 Exemplare bei einem Kriegsbuch ist ein sensationeller Erfolg! Wie lange aber hat es gedauert, bis es bei Nenn soweit war?) — Schlimm, weil sehr unüberlegt, ist, daß das Sortiment die Novitäten sucht noch unterstützt, daß es selbst solche Dinge glaubt wie die, daß heute ein Roman, überhaupt ein großer Erfolg sich in kurzer Zeit unbedingt totgelausen haben müßte, daß das Sortiment also sei nen eigenen guten Geschäften auf diese Weise das Grab graben hilft. Und die literarischen Zeitschriften? . . . schimpfen auf das Übel, gehen aber zur Zehn-, Fünf-, Treizeilen-Kritik über, um ja alle Novitäten besprechen zu können. Einige nur würdigen auch ältere Werke systematisch (darunter eine, die monatelang von der Presse angebellt wurde, bis sie sich durchgesetzt hatte). Dein ernsthaften Bücherfreund ist nur mit verantwortungsbewußter Auswahl gehol fen, und das Sortiment in allererster Linie sollte solche Bemühun gen unterstützen. Der sechste Fall: ». . . Kriegsbüchcr längst kein Interesse mehr . . .«. Neulich stand's sogar im Börsenblatt: ». . . was wohl auf die momentane Übersättigung an Kriegsliteratur zurückzuführen ist . ..«. Recht so, helfen Sie nur mit, die »Konjunktur« zu erledigen! Meine Herren vom Sortiment: Nehmen Sie nicht jeden Dreck auf Lager, aber werben Sie für die guten, großen Kriegsbücher. Es braucht noch lange nicht zu Ende sein und es darf auch noch lange nicht zu Ende sein. Lange genug hat die jämmerliche Angst des Publi kums vor allem, was Krieg hieß, angehalten; jetzt endlich denkt man wieder an die bitteren Jahre, jetzt endlich besinnt man sich auf die Zeit, die hinter uns liegt — und macht nicht mehr die Augen zu. Es kann nur Gutes aus dieser Flut steigen. Ihre Ausgaben als Kauf leute decken sich hier einmal mit Ihren Aufgaben als Buchhändler. Empfehlen Sie Jünger und Schauwecker neben Remarque und Nenn — aber machen Sie es sich zur Pflicht, Schlechteres nur denen zu empfehlen, die die großen Kriegsbücher, das heißt: die ehrlichen, schon gelesen haben. Noch eins: Remarque braucht noch lange nicht zu Ende sein. Wer Ohren hat zu hören, der hört und liest in so mancher Kritik den blassen grünen Neid. Warum lassen Sie solche Kritiken Macht über das Publikum gewinnen? Und wer von Ihnen rechts steht, meine Herren: an diesem Buch entzündet sich viel Widerstand! Dieses Buch zwingt zur Lektüre der anderen. . ., denken Sie daran! Noch fehlt uns die Kriegsliteratur der anderen Völker. Wird sie uns gebracht werden? Und wird das Sortiment die großen Aussichten hier selbst zerstören helfen? Oder wird es, wie es dennoch fast den Anschein hat, zupacken und sich einen neuen Erfolg schaffen? Der siebente Fall: ».. . es gibt viel zu viel Ehebücher ...«. Man lese den vorhergehenden Absatz noch einmal und setze statt Remarque einen anderen Namen ein, der hier nicht erst genannt zu werden braucht. Man lese besonders den vierten Satz noch einmal, laut, mit erhobenem Zeigefinger! Noch einmal. So, das genügt. Der achte Fall: ». . . trotz Sonderfenster leider keinen Er folg . . .«. Wie oft liest das der Verleger! Es kann viele Gründe dafür geben, berechtigte Gründe; einmal, zufällig, konnte ich den Grund seststellen: ein Freund geht, durch das S o n d e r s e n st e r für ein einziges Buch angelockt, in den Laden, will aber, be vor er sein Buch kaust, vom Verkäufer Aufklärung: »O ja, es ist sehr gut besprochen worden . . .« sagt der Jüngling. Aber der Kunde wußte, daß es überhaupt noch nicht besprochen worden war; er will — berechtigterweise — genauere Auskunft, bevor er kaust, wendet sich an einen zweiten Verkäufer, der ebenfalls keine Ahnung von dem Buche hat und nicht die geringste Auskunft geben kann. »Können Sie mir nicht jemand bringen, der das Buch ge lesen hat?« Der Schaufensterdekorateur wird geholt, er endlich kann Positives sagen, und das Buch lpird gekauft. Wenn aber der Kunde nicht so zäh gewesen wäre? . . . Wenn ein Sonderfenster ge macht wird, haben alle Verkäufer sich über das ausgestellte Buch (die ausgestellten Bücher) zu unterrichten: ein Fünf-Minuten-Vortrag vorher von einem, der das Buch gelesen hat, würde fast genügen, aber besser noch: selber lesen. Oder ist Ihnen der Raum in Ihrem Fenster, in Ihrem Allerheiligsten, so wenig wert, daß Sie ihn acht, zehn, vier zehn Tage einem Buch überlassen, das abzusetzen Sie sich keine Mühe geben? Es wird wohl eben doch nur ein Rcgiefehler gewesen sein! Ter ^eunte Fall: ». . . bei der heutigen Wirtschaftslage nur Einzelexemplare bestellen können . . .«. Der erste sprach's vor, der zweite sprach's nach, der dritte begriff's und lächelte . . . Zwanzig glauben es . . . und die ärci ersten machen das Geschäft, indem sie Partien bestellen. So ist es. Die Wirtschaftslage ... ja ja. Ta fällt mir eine wahre Geschichte ein: Vor dem Kriege verirrte sich ein Angebot eines deutschen Verlages auf Ski-Literatur auch bis in eine deutsche Buchhandlung in Kairo. Der erste Gehilfe, der dieses sah, stand eines Abends plötzlich da . . . und schrieb mit Rotstift »Uber Leipzig zurück«: »Auch die ältesten Araber können sich nicht entsinnen, an den Pyramiden je Ski gelaufen zu sein . . .«. Auch die ältesten i Leipziger können sich nicht entsinnen, daß es dem Buchhandel je gut! gegangen ist . . . Die Araber haben zweifellos recht, aber — die s »Leipziger« auch? »Schluß mit dem Gejammer!« hieß es hier im Börsenblatt vor! einiger Zeit. Sehr richtig, und aus ganzem Herzen Beifall: »Schluß mit dem Gejammer!« Denn zuletzt glauben wir selbst daran — und damit kommen wir zum Kern. Der Verlag hat dem Sortiment in Vorträgen, im Börsenblatt, ! sogar in der Öffentlichkeit erklärt, die Spesen des Verlags wachsen immer mehr, weil das Sortiment nur noch einzeln bestellt, weil es nichts mehr aus Lager nimmt. Folge: Die Sortimenter, die bisher Partien bezogen, merkten, daß andere offenbar auch mit Einzel- bestellungcn auskommen und gingen vom Partiebezug einzelner Werke zum Einzelbezug möglichst vieler verschiedener Werke über. Natürlich ist die Wirtschaftslage auch schuld daran, sicher, sogar in der Haupt sache. Aber ebenso sicher ist, daß das Sortiment heute kaufmüder ist, als I es dieses nötig hätte. Wie man bei der Konjunkturkrise seinerzeit in allen Zeitungen ununterbrochen die Frage aufgestellt hat: »Ist die Konjunktur auf dem Höhepunkt? Ist der Höhepunkt noch nicht er reicht? Wird er bald erreicht werden? Geht es schon abwärts?« und wie man auf diese Weise vor der Konjunkturkrise eine Ver trauenskrise geschaffen hat, die dann endlich auK zur tatsächlichen I Wirtschaftskrise geführt hat, oder exakter ausgedrückt, die dann das Herannahen der Wirtschaftskrise wesentlich beschleunigt hat — so hat Man auch von Verlagsseite aus dem Sortiment immer wieder seine Klagen über Einzelbezüge vorgehalten und hat auf diese Weise die Entwicklung noch beschleunigt. Eine psychologische Sünde! Dem Publikum beweist man ununterbrochen in der Presse und I sonstwo, daß Bücher nicht zu teuer sind, und zwar auch dort, wo An griffe auf Bücherpreise noch gar nicht erfolgt sind. Was liegt für-Has Publikum näher als die Folgerung: »Hui 8'exeu86, 8'aeeu8e!«. «gt doch sogar der Sortimenter unaufgefordert seinen Kunden, wenn ein >H»ch mehr als 10—15 Mk. kostet: »Das Buch ist allerdings ziemlich ^ HLuer, aber . ..« — Eine psychologische Sünde! ». . . An Kriegsbüchern längst kein Interesse mehr! . . .« Wer I zweifelt daran, daß man das nicht nur dem Verlag schreibt, sondern daß man es auch seinen Kunden persönlich erzählt? Wenn ein Käufer fragt: »Geht Remarque noch so wie früher?«, so antworten sicher 5l>"/o aller Sortimentsgehilfen: »O nein, schon längst nicht mehr!« Sollen sie lügen? Nein, natürlich nicht, aber sie könnten sagen (falls Remarque tatsächlich nicht mehr so geht): »Dafür werden aber andere Kriegsbüchcr stark gekauft!« — Aber man redet und redet, und redet sich das eigene Geschäft kaputt. — Eine psycho logische Sünde! »Das Publikum hat nur Interesse für die allerletzten Neuig- I ketten!« Das ist dem Verlag vom Sortiment, dem Sortiment vom Verlag im Börsenblatt, bei Aussprachen, an allen möglichen Orten immer und immer wieder gesagt worden. Wer zweifelt daran, daß es auch dem Publikum gesagt wird? So Hilst der Buchhandel selbst auch hier die Mode schassen. Auch das ist eine psychologische Sünde schlimmster Art. Man sollte vielmehr, statt diese Sucht so zu för dern, systematisch auf ältere Bücher Hinweisen. Die Kritiker, statt auf die Novitätensucht zu schimpfen, sollten I lieber von Zeit zu Zeit (und das soll heißen, möglichst oft) ältere wert volle Werke besprechen! Aber welche Zeitung, welche Zeitschrift bringt denn noch einen Hinweis auf ein älteres Werk? (Beeinflussung der Presse in diesem Sinne wäre eine Aufgabe der Werbestelle.) Man überwindet eine Krise nicht dadurch, daß man dauernd von I der Krise spricht. Binsenwahrheit? Gewiß, eine Binsenwahrheit. Aber warum handelt man denn nicht danach? Bisher ist noch immer der Optimist besser gefahren als der Pessimist. Seien Sie Optimist und wenn Sie das nicht sein können, seien Sie wenigstens Psychologe! Jeder weiß: es gibt viele (sogar sehr viele) gute, rührige Sor timente in Deutschland, sehr viele sehr ungeschickte Verlage. Meine Worte sollen also kein Angriff auf das Sortiment sein. Wir haben alle schon einmal zu uns selbst gesagt: »pater, peecavi« — um es nicht auf urbayerisch auszudrücken, wobei es dann' wesentlich kräf tiger tönen würde —, wir werden es auch alle noch oft genug sagen. Und auch diese Zeilen sollen nichts anderes sein — nur nicht gleich immer vom »Versagen« oder »Schlafen« sprechen! Es schläft heute niemand gut. »Es ließe sich alles trefflich schlichten, könnte man die Dinge zweimal verrichten«, so ungefähr sagt's Goethe irgendwo. Wir! können im Buchhandel vieles hundertmal tun, warum nicht gleich I aus dem ersten Mal lernen?! Eberhard Weißkönig. I Verantm. Schriftleiter: t. V. C u r t S t r e u b e l. — Verlag DerBörsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Deutsche» Buchhändlerhaus. Druck: E. H e d r t ch N a ch f. Sämtl. tu Leipzig. — Anschrift d. Schrtstlettung u.Expedition: Leipzig E 1. Gerichtsweg 28 lBuchhändlerhauSI. Postfchliebs.274/7S. 724
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