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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.08.1929
- Strukturtyp
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- 1929-08-19
- Erscheinungsdatum
- 19.08.1929
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- Deutsch
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8996 X- 191, 19. August 1929. Fertige Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. von Wilhelm von 8 c li r 3 m m Es gibt jetzt in Deutschland vortrefflich geschriebene, unter haltsame Bücher genug; wir haben im letzten halben Jahrzehnt einen ansehnlichen Zuwachs von bemerkenswert guter Gebrauchs- litcratur erhalten, die mit Geschmack, Kenntnis, Intelligenz und ansprechender Form den immer noch kräftigen Lesehunger un serer Nation befriedigt — und trotzdem ist es ganz selten ge worden, daß man von einem neuen Buche persönlich berührt und tiefer ergriffen wird. Entweder herrscht eine sichtbare Tendenz oder etwas Neutrales, Glattes, Zurechtgemachtes; wie selten fühlt man sich wie in einem lebendigen Strome von großen bedeu tungsvollen Erlebnissen! Aber Plötzlich geschieht das Wunder. Man hat viele Dutzende Bücher gesehen, in ihnen geblättert, sie angelesen, das eine und andere auch bis zu Ende gebracht, man hat die Neuerscheinungen der bekannten Namen mit einer Art Spannung und Neugier ver folgt, ob in ihnen vielleicht von Tieferem, Ungesagtem die Rede sei — dazwischen hat man auf einmal das Buch eines Unbe kannten durch Zufall zur Hand genommen, sogleich gelesen — und findet da hundert und tausend Bücher bekannter Namen in Schatten gestellt. So ist es mir mit dem Buche »Partcnau» von Max Rens Hesse ergangen; es war zwischen Pflicht lektüre das außergewöhnliche, nachhaltige Ereignis. Bei einigen Büchern geschieht es so, als hätten sie Stimmen in uns geweckt. Eine sonderbare Gewalt ist in ihnen, die uns berührt und den Geist in eigene, freie Tätigkeit versetzt: Sie mobilisieren gleichsam verborgene Gedanken und bisher uns selbst noch unbewußte Empfindungen; wenn man sie liest, werden neue ungewöhnliche Fragen und Dinge wach und die ganze Zeit be kommt oft ein anderes Gesicht durch sie. Partcnau ist ein solches Buch. Es gibt den Lesern neue Aspekte und beschwört eine Welt wieder herauf, von der man glaubte, daß sie versunken sei und kein geistiges Recht mehr in unserem zivilisierten Leben besitze. Diese Welt ist die Welt eines großen, freien Soldatentums. Etwas Ursprüngliches wird in »Partcnau- wieder lebendig, und zwar viel mehr aus einem inneren Kern als durch äußere Schil derung. Der soldatische Geist eines Volkes erfährt hier wieder eine künstlerische Bcrlciblichung durch eine neue Generation. Der individuelle Vertreter dieser Generation, dichterisch gesehen und gesteigert, ist Partcnau, Oberleutnant der Reichswehr, Regi- mcntsadjutant, im Kriege hervorragend ausgezeichnet, aber nun wieder in enge, unkriegerische Verhältnisse eingespannt, die seine wahre Begabung nicht mehr zur Entfaltung kommen lassen. Er ist hart und klar, nüchtern, männlich skeptisch und streng, aber zugleich phantastisch, reizbar, ein Denker und schöpferischer Ge lehrter, der sich nun mit strategischen Schreibtischarbeitcn be gnügen muß. Das Paradoxe des echten Soldaten und geborenen Fcldherrn, die innere Gegensätzlichkeit, aus der die großen Ge danken kommen, lebt auch in dieser Brust. Er ist durchaus ein Künstler, ein Umgcstalter und umstürzender Geist auf seinem Gebiete. Wie an der Front, so steht er als Mann einer neuen Generation jetzt auch im Frieden gegen die militärischen Hand werker und Spezialisten in einer heimlichen, aber entschlossenen Opposition, obwohl er mit ihnen durch Disziplin und Kamerad schaft verbunden ist. Im Grunde gehört dieser Partenau ande ren, größeren: vergangenen oder zukünftigen Zeiten an. Man wird schon nach dieser kurzen Charakteristik das Unge wöhnliche dieses Buches erkennen, das nicht durch seine Form, sondern durch seinen Inhalt und dessen Hintergründe vor allem wichtig ist. Sicher gibt es sehr viele, erheblich leichter und be seelter geschriebene Bücher, aber kaum eines, das so an die tiefere, sonst von den Vorurteilen verschüttete Schicht einer Nation zu rühren wagt. Man denke nur einmal daran, daß vier Jahre ge kämpft worden ist; kriegerische Talente und soldatische Eigen schaften, damals erweckt, loben heute noch weiter; kein Befehl, kein Parteiprogramm, keine Entwaffnung wird sie vernichten können. Das Soldatische ist schon ein Urphänomen unter den Deutschen. Und als solches, jenseits von Gut und Böse, einfach als Lebensform unseres Volkes, parteilos, voraussetzungslos, er scheint es wieder in Partcnau. Die Handlung des Buches geschieht unter Reichswehroffi- ziercn. Aber es ist darum doch kein »Reichswehrroman«, es ist viel mehr. Es bringt, im Gegensatz zu der zivilisierten eine solda tische und in dessen Umkreis auch eine feudale Welt und Gesell schaft zur Anschauung. Der Stoff ist ungewöhnlich und ohne Vorbild, nicht immer vollkommen in Form gebracht, manchmal noch hart und mit gewissen militärischen Herkömmlichkeiten be lastet, aber danach fragt in den entscheidenden Teilen niemand mehr. Dort wirkt das Buch ganz gegenwärtig, ja äußerst modern. Wunderbar farbig und klar, voll großem, gesellschaftlichem Leben ist die Gestaltung etwa einer Schnitzcljagd, aber das eigentliche, ganz originale Kernstück des außergewöhnlichen Buches ist das nächtliche Kriegsspiel zwischen dem Fähnrich Kiebold und Par tenau. In diesem Kriegsspicl verdichtet sich hinreißend dramatisch die soldatische Leidenschaft einer im Kriege gewordenen Gene ration. Hunderttausende junger Männer in Deutschland haben sol datisch denken gelernt, ihren eingeborenen Sinn für die Dinge des Kampfes, Taktik und Strategie, in vier Jahren ausgebildet und bewährt. Ihr bubcnhastcs Soldatcnspicl von früher war blutiger Ernst geworden; in diesem Buche ist es wieder Spiel. Aber ein geistiges Spiel auf hoher Stufe zwischen erfahrenen Männern, mit gegebenen Größen, mit den Gesetzen der Wirklich keit, mit vielfach bedingten Realitäten. Das Kriegsspiel Parte- naus — ein hypothetischer Krieg zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarstaaten — wird von uns allen, den Lesern, mit- gcspiclt, die, wie Schachspieler in ihren Figuren und Zügen, ein mal in Aufmärschen, taktischen Möglichkeiten, Kampflagern den ken lernten, Es ist ein Triumph der unendlich bewegenden, aber zugleich ungeheuer exakten soldatischen Phantasie. Die nach schwingende Erregung so langer Kricgsjahre wird hier im Gegen-
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