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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.01.1930
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- 1930-01-18
- Erscheinungsdatum
- 18.01.1930
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- Deutsch
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idi? 15, 18. Januar 1930. Redaltioneller Teil. Börsenblatt f. b.Dtschu. Buchhandel. den Vortragsabenden oder nachher immer Freunde. Me möchte ich auf diese lebendigste Werbung verzichten. Nie habe ich einen Vorleseabend als eine innere Störung empfunden. Wohl aber als sine unerhörte Bereicherung. Denn jedesmal stand ich stau nend vor dem Erlebnis, wie die Menschen, die mir zuhörten, meine Dichtung empfingen, und ich habe dabei verwunderliche Dinge erlebt; daß z. B. innere Wandlungen, die mir selber kaum bewußt waren, durch das innere Mitgehen des Publikums sich mir plötzlich offenbarten ... Ich bin überzeugt, daß die Ent fremdung lder Menschen vom guten Buch auch mit daher kommt, daß der Dichter zu wenig zu den Menschen selber spricht, damit sie erkennen, daß kein unsichtbarer Prediger ihnen eine Welt schenkt, sondern einer, der lebt und leidet wie sie». Die Hauptpunkte meiner Umfrage faßt kurz Stefan Zweig zusammen mit den Worten: »Ich habe Borlesungs abende immer als eine ausgezeichnete Gelegenheit betrachtet, erstens um Städte kennen zu lernen und zweitens mit dem Pu blikum in einen lebendigeren Kontakt zu treten. Was ich dagegen als sehr hemmend und erschwerend empfinde und was sich leider kaum abändcrn lassen wird, ist, daß man immer schon Monate oder ein halbes Jahr früher den Termin seiner Vorlesung an setzen muß. Ich weiß also im August schon, daß ich am 27. No vember oder am 22. März in irgendeiner bestimmten Stadt sein soll, und dieses Bewußtsein drückt schon Wochen voraus sehr schwer auf das Frciheitsgefühl; denn oftmals ist man gerade in solchen Wochen in bester Arbeit und fühlt sich andererseits doch nicht fähig, ein gegebenes Versprechen abzusagen und Leuten, die einen auf das freundlichste eingeladen haben, durch diese Absage unnütze Kosten zu verursachen. Wenn es also gelingen würde, durch irgendeine besondere Art der Organisation die Termine der Bindung kürzer zu fassen, so glaube ich, würden die Autoren sich viel leichter bereit finden, als Vorleser mit ihren Lesern in fremden Städten, also ihren besten Freunden, in Kontakt zu treten». Dieser Vorschlag, die Daten der Borleseabende nicht so früh fcstzulcgen, ist gewiß erwägenswert; doch n>eiß ein jeder Ver anstalter von Vorträgen und Konzerten, wie schwer es ist, eine gesicherte Reihe geordnet zusammen zu bringen und alle Wünsche der Beteiligten dabei zu berücksichtigen. Zahllose Briefe gehen hin und her; und hält man sich nicht beizeiten dazu, dann schie ben sich andere Veranstaltungen störend dazwischen, der geeig nete Saal ist nicht mehr frei und was der Verdrießlichkeiten mehr sind. Aus reicher Erfahrung heraus schreibt Börries Frei herr von Münchhausen, dem wir auch das kleine, vom Vortragsamt des Börscnvereins verlegte Heftchen über die Ver anstaltung von Vortragsabenden verdanken'): »Ich glaube, daß ich mehr öffentlich vorlcsc und vorgelesen habe als jeder andere lebende oder tote Dichter. Das liegt aber leider durchaus nicht daran, daß meine Gedichte besser sind als die anderer, sondern daran, daß ich fast nur Balladen vorlese, und diese sich zum Vor trag hundertmal besser als lyrische Gedichte, tausendmal besser als Prosa eignen. — Ob solche Vorleseabende eine Werbung für meine Bücher sind, weiß ich nicht recht, mein Verlag glaubt es aber. 1927/28 sind z. B. von meinen Bersbüchern 11 473 Stück abgesctzt. Das ist freilich ein arger Rückgang (gegen 1924 etwa auf den fünften Teil) —, ist aber doch wohl immer noch eine leidliche Anzahl. — Einen Anhalt mag Ihnen ein Vortrag aus letzter Zeit (Hamm) geben. Ihr Kollege dort bat mich, die an diesem Abend verkauften Exemplare zu zeichnen, und ich habe also 57 damals und weitere 50 auf seine Bitte oben in dieser Stunde mit meinem Namen versehen, es sind auch dies alles, wie er ausdrücklich schreibt, am Vortragsabend verkaufte Bücher. Bei meinem vorletzten Berliner Bortrage im Herrenhaus habe ich nach Angabe meines Herrn Managers über 200 Exemplare signiert. — Die Vorträge lästig? — wie dürfte es lästig sein, ') Dichtervorträge. Erfahrungen und Vorschläge. Von Börries Frhr. v. Münchhausen. Ladenpreis 2.— NM. — Ferner sei hier empfehlend hingewiescn ans Hest 8 der Schriften zur Bnchwcrbung: Die Technik der Vortragsveranstaltung. Bon Hans Balzer. Eben falls tm Verlag des Börsenvereins erschienen. Ladenpreis 4.— RM. Menschen eine Freude zu machen! Ich habe wenig Verständnis für diejenigen, die sich selber und ihre Stimmungen allzu wichtig nehmen. Unser Inspektor muß auch in den Stall und unsere Leute auch aufs Feld, selbst wenn es ihnen einmal gar nicht paßt, und ich hoffe, daß ich in der Kinderstube gelernt habe, auch zu lästiger Arbeit ein fröhliches Gesicht zu machen und guter Laune zu bleiben. — Und Ihre letzte Frage: seit sehr vielen Jahren wohne ich auf diesen winterlichen Reisen fast immer bei freundlichen Freunden meiner Kunst, die dann abends gern daheim oder im Wirtshaus ihre Bekannten um mich sehen. Ob ich lieber einmal allein bin, das frage ich mich gar nicht erst, sondern denke, daß ein Mann, dem so viel Freundlichkeit entgegengebracht wird, einfach die Pflicht hat, äs pa^sr äs ss persouus, wie die Franzosen sagen». Mehrfach ist in den Antworten der Dichter auf die inneren und äußeren Hemmungen hingewiesen, die ihnen die Vorlese reisen verleiden können. »Natürlich sind Vorlescabende störend und lästig« — schreibt Walter von Molo, der Präsident der Dichterakademie — »in dieser Hinsicht bin ich ganz einig mit dem, was Hermann Hesse sagte. Man wird aus der Arbeit her ausgerissen, man verliert Zeit und Kraft, man wird zu einer Art literarischem Geschäftsreisenden. Aber man muß dabei immer bedenken, und nur dann sollte man Vorleseabende halten, daß man nicht für sich werben will, sondern im allgemeinen für Dich tung und Geist. Und ob man dieser Dinge wegen zu Hause mit Post, Rundfragen und Telefon bemüht wird oder auf Vortrags reisen fährt, das ist schon ziemlich gleichgiltig. — Gewiß ist jeder Borlcscabend bei Menschen, die noch etwas auf Persönlichkeit geben, eine Werbung, und es ist heute, da ein großer Teil der Presse aus Sensationslust und aus einseitigen politischen Grün den verzerrt und jedem Mann im öffentlichen Leben etwas an- hängt, was nicht wahr ist, die einzige Möglichkeit, falsche Nach richten zu widerlegen, sich dem Publikum zu zeigen.« Dieses persönliche Erscheinen des Dichters am Vortrags tisch, die persönliche Einwirkung auf das Publikum ist von wesentlicher Bedeutung. Wenn also Wilhelm von Scholz sagt: »Ich trage gern vor, wenn auch am liebsten den vielen Tausenden am Rundfunk«, oder Robert Hohl bäum: »Zum Unterschiede von anderen Autoren lese ich sehr gerne im Rundfunk. Die Widerstände, die am Anfang überwunden werden müssen, fallen weg und ich habe genügend Phantasie, mir mein unsichtbares Publikum vorzustellen«, so ist dem entgegenzu halten, daß dem Rundfunk doch gerade das Wichtigste fehlt, näm lich das geheimnisvolle Fluidum, das von der Person des Dich ters auf seine Zuhörer überströmt. Ich verkenne die Bedeutung des Radios nicht, und ich verdanke ihm die Bckannntschaft mit manchem Werke der Dichtkunst und der Musik; aber es kann mir nie einen vollwertigen Ersatz für ein Konzert oder einen Dichterabcnd geben, denn es ist unpersönlich und kalt. Und selbst wenn ich das Rasen der begeisterten Konzertbesucher in Stuttgart oder Warschau oder Wien höre, so bleibe ich davon innerlich unberührt. Ganz anders, wenn ich den Künstler oder Dichter oder Redner leibhaftig vor mir sehe! Und wenn dann auch dieser Abend, der wochenlange Vorarbeiten erfordert hat, in wenigen Stunden vorüberrauscht, so bleibt dem Veranstalter doch in den meisten Fällen ein dauernder Gewinn durch die persönliche Füh lungnahme mit einem irgendwie bedeutenden Menschen. Im Hinblick daraus habe ich meiner Umfrage noch die oben schon von Börries von Münchhausen beantwortete Frage angefügt, ob der Dichter nach beendeter Vorlesung lieber allein ist oder in einem kleinen Kreise literarisch Interessierter. Die Antworten haben weine jahrelange Beobachtung bestätigt, daß nur wenige nach dem Vortrage so abgespannt oder innerlich erregt sind, daß sie die Einsamkeit einem geselligen Beisammensein vorzichcn. Bei allen anderen klingt es durch, daß sie gern »in kleinster Ge sellschaft« (A. Ulitz) »in zwanglosem Geplauder» (L. Fulda) »mit guten Menschen zusammen« (G. Frenssen) bleiben. Die weit aus meisten sind »hinterher stets gern im Kreise der Veranstal ter gewesen« (K. Martens); sei es auch nur, daß >»den Herr schaften damit sin Gefallen geschieht« (H. Mann). »Man lernt 83
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