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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.07.1930
- Strukturtyp
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- 1930-07-03
- Erscheinungsdatum
- 03.07.1930
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- Deutsch
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X- ISl, 3. Juli 1930. Fertige Bücher. Börsenblatt f. b.Dtschn.Buchhandel. 5031 4 4 4 14 4 Erzieher gegen Wahrheit Eine unhalibare Maßregelung Ein Kölner Stubienrnt, vr. K-rl Pretz, hat unter dem P,eu- donym Karl Blitz einen Pädagogischen Roman »Studl-nrat Hancke« «Gebrüder En ° ch - B - rl ° g, Hamburg) p-schri-b-n. Dieser Roman ist literarisch wertvoll. Er behandelt eine ^chulsensation, natürlich wie das in Romanen zu sein pflegt - zugespitzt und manchmal über steigert, wie sie noch in manchen Gegenwartsschulen ähnlich vorhanden ist. Er stellt nebeneinander den Lehrer mit vollem Jugendver ständnis, den Lehrer, der seine Stunden abreißt, und den Lehrer, der sein «Fach« gewissenhaft betreibt. Der letzte Typus kommt dabet durchaus nicht schlecht weg. Er muß allerdings, wie sich das gehört, den Zusammenbruch seiner, angeblich sachlichen, Paukerem- st-llung erleben. Aber der Roman schließt harmonisch versöhnlich: Es wird der voll- Akkord zwischen Lehrern und Schülern erreicht. Man kann an diesem Roman bemängeln, daß er die sozialen und politischen Probleme, die im Leben der Gegenwartsjugend bereits eine so stark- Rolle spielen, nicht genügend behandelt, daß der Ver fasser vielmehr das Schulleben, wie es aber der Schnlwirklichkeit rheinländischer Schulen zum Teil noch entsprechen mag, von dem son stigen Weltgetriebe isoliert. Es geht in diesem Roman ausschließlich um Schul-, Sport- und Liebesdinge. Aber dies — wie bereits ge sagt — in durchaus taktvoller Form. Der Roman ist von wirklichem Belang. Der Verlag hat bas Werk dem Volksbildungsminister Adolf Grimme übersandt, und dieser hat in einem persönlichen Schreiben für die Übersendung des Buches, das ihn »lebhaft interessierte«, ge bankt. Das Provinzialschulkollegium des Nheinlandes aber maß regelt den Verfasser wegen seiner schriftstellerischen Leistung. Durch die Indiskretion eines Buchhändlers wirb bekannt, wer der Verfasser ist. Das Kollegium der Schule, an der er wirkt, faßt darauf die Sache persönlich. Offenbar müssen sich dort Dinge er eignet haben, deren Abschilderung in dem Roman ein forschendes Auge entdecken konnte. Das Kollegium verlangte in einer Eingabe an bas Provinzialschulkollegium, daß gegen den Verfasser einge schritten werde. Man durfte, ganz abgesehen davon, wie weit dieses »kollegiale« Vorgehen Zeugnis für ein schlechtes Gewissen war, ge spannt sein auf die Entscheidung des Provinzialschulkollegiums, von dem man nicht weniger Einsicht und Geschmack als vom Minister erwarten durfte. Das Provinzialschulkollegium aber entschloß sich zu einem selt samen Vorgehen höchst mittelalterlicher Art. Der Direktor der Anstalt wurde beauftragt, an den Studienrat vr. Pretz die Autorfrage zu stellen.' Man legt also im modernen höheren Schulwesen neuerdings wieder die Daumenschraube an und züchtet statt der totalen Persön lichkeit die totale Verknechtung! Als vr. Pretz die Beantwortung dieser inkriminierenden Frage mit Recht ablehnte, erklärte der Direk tor sich als vom Provinzialschulkollegium bevollmächtigt, den Studien, rat wegen »Unkollegialität« von seiner Lehrtätigkeit zu entbinden. Die katholischen Vereine von Euskirchen, wo die betreffende Schule liegt, und die Eifelpfarrer nahmen prompt Anstoß an dem Roman und sandten einen flammenden Protest an das Provinzialschulkol legium, in dem der Dezernent der betreffenden Schule selber katho lischer Geistlicher ist. Diese höchst strittige Angelegenheit fand dann ihre Erledigung darin, daß der Studienrat vr. Pretz ohne Verfahren, ohne Verhör und Verhandlung aus »dienstlichen Rücksichten« an die kleinste höhere Schule des Rheinlandes, die Aufbauschule in Odenkirchen, versetzt wurde. Auf seine Beschwerde wurde ihm anheimgestellt, sich um die Wahl an eine städtische Schule in Köln, wo Pretz Hauseigentum hat, zu bewerben. Dorthin versetzen könne man ihn nicht. Es bleibt also dabei, daß ein Studienrat wegen einer literarischen Leistung, deren Qualität natürlich nicht durch einen klerikalen Vor gesetzten geprüft werden darf, strafversetzt wird. Ja, das Provinzial schulkollegium geht soweit, damit allem sozialen Verständnis ins Gesicht schlagend, von dem Studienrat vr. Pretz zu verlangen, baß er innerhalb der nächsten vier Wochen seinen Wohnsitz aus dem eigenen Hause in Köln nach Odenkirchen verlege. Das Provinzial schulkollegium hält sich also für befugt, obgleich doch die katholische Kirche das Eigentum für heilig eicklärt, einen Beamten aufs schwerste in seinen Besitzverhältnissen zu schädigen. Mir scheint, und ich habe als ein unermüdlicher Sachwalter republikanischer Freiheit ein Recht zu solcher Feststellung, daß hier der Herr Minister aufs schärfste eingreifen muß. Der Studienrat Vv. Pretz hat einen wertvollen und verständnisvollen Roman ge schrieben. Niemand in Deutschland außerhalb Euskirchens hat ge wußt, auf welches Milieu sich dieser Roman bezog. Durch eine Indiskretion, die wohl die Folge irgendeiner Spitzelet gewesen sein wird, wird der Name des Verfassers bekannt. Und nun soll sich das Unerhörte ergeben, daß ein deutscher Staatsbürger als Beamter dafür gemaßregelt wird, daß er als Schriftsteller eine qualifizierte Leistung vollzieht. Wenn der Herr Minister das zugibt, so wird sehr bald jeder Mut eines fortschrittlichen Menschen vogelfrei sein. Es muß verlangt werden, daß der Studienrat ve. Pretz, wenn die sogenannte »Kollegialität« in Euskirchen ihn nicht länger ertragen kann, an eine Anstalt in der Weife versetzt wird, daß wohl von einer Beruhigungsmaßnahme, nicht aber von einer Bestrafung die Rede sein kann. In der Beamtenschaft wird nur dann der Geist der Verantwortung wach sein können, wenn man dem einzelnen außer halb seiner amtlichen Sphäre die Bürgerrechte sichert. Paul Oestreich. Vitts ins ksnstsr ksngsni Ssnulrsn Sie cjis ^mpöi'ung UbsE rlos ssibslkoi'i'lickis Vongsksn «Iss Pi°ovinriolsckul- koUsgiums, das von pi-ofssson Osstnsick im „Voi'vöi'ts" vom 24. 4uni gsgsiüslt vindl ^ — KsrI Mitr: Ltuiiisnrs» ttsncks — S seskvoen euocn venl./v6 / i 677*
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