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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1930
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- 1930-05-06
- Erscheinungsdatum
- 06.05.1930
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- Deutsch
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103, 6, Mai 1S30. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. solchen, die von Chauvinismus oder Nationalciielkeit diktiert sind, sondern nüchterner Betrachtung politischer und psycholo gischer Tatsachen. Sie sind von solcher Schwere, so viel gewich tiger als alle Gcgengründe, das; damit die eigentliche Entschei dung gefallen ist. Grenz- und auslanddeutsche Lebensnotwcndig- kciten erfordern, daß der Geltungsbereich der Fraktur nicht mehr eingeengt werden darf, diese vielmehr sogar gepflegt werden muß. 2. Das Auslandreichsdcutschtum in den romanischen, angel sächsischen und überseeischen Ländern, welches keine Ver teidigungsstellung ciuzunchmcn gezwungen ist, steht in der Mehr heit (die weit schwächer ist und durch eine verschwindend kleine Minderheit aus der ersten Gruppe ergänzt wird) auf dem Stand punkte, daß die Beibehaltung der Fraktur das deutsche Volk wirtschaftlich und politisch schädige. Diese Mehrheit sicht in der Wahl seiner Schriftart nur eine Erwägung der Nützlichkeit und betrachtet die Fraktur nicht als Symbol des Deutschtums. 3. Die Mehrheit der Angaben geht dahin, daß der Aus länder deutsche Schrift ohne große Schwierigkeiten lesen kann. Denn für alle Länder mit Ausnahme Rumäniens, Griechen lands, Italiens und Japans wird bejaht, daß die sogenannte gotische Schrift für Ditclköpse und dekorative Schriftsätze ange wendet wird. Der Einwand, der Ausländer könne eine nor male deutsche Druckschrift nicht lesen, muß also dahin abgeändert werden, er wolle sie nicht lesen. Es ist fast übereinstimmend sestgestellt worden, daß in den nichtdeutschen Schulen des Aus landes durchweg deutsche Schrift gelehrt wird, daß also das Aus land die deutsche Schrift als einen mit der deutschen Sprache untrennbar verbundenen Bestandteil deutschen Wesens betrachtet und sich (wie in Italien) jeder Entdcutschungsfeldzug gerade auch gegen die deutsche Schrift richtet. 4. Die überwiegende Anzahl der Berichterstatter ist ent schieden gegen eine Änderung des gegenwärtigen Zustandes der Zweischrift-igkeit, bemerkenswerterweise auch solche, deren Vor liebe für die Fraktur unverkennbar ist. Ebenso unverkennbar aber ist es, daß sich für bestimmte Wissensgebiete, und zwar namentlich für wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Druckwerke die Überzeugung ziemlich allgemein herausgebildet hat, sie müßten zweckmäßigerweise in Antiqua gedruckt werden.» Von ganz hervorragender Bedeutung sind die beiden Bei träge Or. Wilhelm NieINehers, des Direktors der Kunst- gewcrbefchule in Hamburg: »Sprachbau und Schrift (Mitt. d. Dtschn. Atad. 1927, Heft 16 S. 610—673) und »D a s Sprachgebot der deutschen Sprache» (1929, Heft 6 S. 3S5—408). Es verbietet sich leider, auf dem diesem Bericht gesetzten knappen Raum auch nur andcuten zu wollen, mit welch tiefem Verstehen und Schwung des Vortrags Nicmcyer von dem Zusammenhang von Sprache und Schrift spricht. Man wird die Arbeiten selbst lesen müssen, davon aber hohen Genuß haben. Hier müssen einige Anführungen aus dem Abschnitt »Deutsche Schriftpflicht und Antiquavorurteil» genügen. »Der deutsche Handel glaubt vielfach die Fraktur im Welt verkehr vermeiden zu müssen, weil man fürchtet, daß die Ab weichung vom angelsächsischen Schriftgebrauch der fremden Ge schäftswelt als Betonung des Deutschtums mißfällig sei. Diese Rücksichtnahme müßte folgerecht dazu führen, die deutsche Sprache im geschäftlichen Verkehr zugunsten des Englischen überhaupt aufzugeben. So weit geht der deutsche Kaufmann freilich noch nicht, aber er begeht den seltsamen, bei den sonst so klugen und weitläufigen Männern des Handels schwer verständlichen Irr tum, zu meinen, er erleichtere den Fremden die Schwierigkeiten der deutschen Sprache, wenn er sie in Antiqua drucke. Welche Begriffsverwirrung! Wer nicht Deutsch versteht, dem ist Deutsch auch in Antiquaschrift unzugänglich, wer aber deutsch spricht und liest, der nimmt es, wie viele ausdrückliche Erklärungen amerikanischer und anderer Ausländer bewiesen haben, lieber in der besonderen und charakteristischen Schrift entgegen, die ge schichtlich zur deutschen Kultur gehört und die kennen zu lernen bei der nahen Verwandtschaft aller europäischen Schrift etwa eine Mühe von drei Stunden erfordert.» »Nun wird aber der wachsende Weltverkehr, die immer engere Berührung der Völker im Zeitalter des Völkerbundes und der Ozeanflügc die Deutschen zwingen, sich zu ihrer Sprach- fchrift zu bekennen. Schon heute besteht bei den Ausländern mehr Befremdung über unsere Zwcischriftigkcit und die darin liegende Unklarheit und Verstecktheit unseres Wesens als über unsere besondere Schriftart. Die große kommende Erdgemeiu- samkcit der Völker wird ja keinesfalls die Wirkung haben, alle Eigenart und allen Eigenwuchs auf der Erde dauernd aus zulöschen, vielmehr werden wie in allem früheren geschichtlichen Leben Angleichung und Besonderung ihr Gegenspiel treiben. Berechtigte und begründete Eigenheiten werden eben in das ge meinsame zukünftige Leben cingchcn und allgemein anerkannt werden. Was aber von dieser kommenden Gemeinsamkeit der Völker gefordert werden wird, ist Deutlichkeit und Eindeutigkeit einer besonderen Lebensform und klares Bekenntnis zu ihr. Es werden die hundert Millionen Deutschen der Erde zu ihrer Schrift als ihrem Sprachgewand stehen müssen, dann wird diese Schrift als einer der echten Werte der europäischen Kultur an erkannt werden.« »Es ist Nachwirkung des Latein als der Sprache der Wissen schaft, daß man in Gclehrtenkrcisen meint, ein Fachbuch sei nur in Antiquaschrift ein ernstes Werk der Forschung. Hier und da mischt sich auch in der Gelehrtcnwelt der kaufmännische Aber glaube ein, ausländischen Lesern müsse man die deutsche Ab handlung wenigstens durch die Antiqua näherbringen, was über flüssig ist, wenn der ausländische Gelehrte der deutschen Sprache mächtig ist, vergeblich, wenn er nicht Deutsch versteht. Eine seltsame Rolle spielen in dieser Frage die germanistische» Ge lehrten, die ja eigentlich die wahren Hüter deutschen Geistes gutes sein sollten, aber manchmal, wie Otto Behaghel, Wort führer der Antiqua in flachster Art wurden. Hier wirkt der große Irrtum Jakob Grimms aus der Vorrede zum deutschen Wörterbuch nach. . . .» »Am stärksten sind unter den Gelehrten die Naturforscher dem geschichtlichen, im Sprachgefühl wurzelnden Schriftempfin den entfremdet. Das hat zweifellos seine Ursache in der Rolle, die im naturwissenschaftlichen Bereich die Formel spielt. Ganz so, wie für die Sprachwissenschaft das Wort seinen lebendigen Sprachst»» verliert und zum Zeichen von lautlichen Gcsctzes- vorgängcn wird, die nur für den Geschichtsbegriff der Sprache da find, wird auch in der Naturkunde das Wort Formel für Gesetzesvorgänge und verliert seine natürliche LebenSbcziehung. Für solche Formeln haben in der Tat die mathematischen Zeichen der Antiqua eine gewisse Mehreignung. Man kann sagen, die Wurzel des Antiqnagebrauches der Naturwissenschaft ist das X der mathematischen Gleichung, das üblich wurde, obwohl sin Gauß wie das ganze 18. Jahrhundert seine mathematischen Dcnk- taten mit deutschem X-Zeichen leistete. Man kann diesem ge lehrten Arbeitsgebiet überhaupt einräumen, daß hier die Schrift sprache geringere Wichtigkeit hat. Wenn auch von seiten der sprachlich geschichtlichen Gesetzlichkeit keinem deutschen Sprach gebrauch ein besonderes Recht auf fremde Schrift zugestanden werden kann, so ist doch zuzugeben, daß um der Einheitlichkeit und Einfachheit des Druckes willen hier Antiqua vielfach am Platze sein mag. Bedeutende öffentliche Bekundungen des natur wissenschaftlichen Denkens aber, wie sie etwa die Schriften von Helmholtz sind, wo dann auch die Sprache eine echte und eigen tümliche Abart der philosophischen Sprache wird, bedingen aber die öffentliche Schrift. Daß Philosophen und Geschichtsforscher ihre Werke in lateinischer Sprache ausgehen lassen, dafür fehlt jeder Grund.« . . . »Es erscheint nicht unmöglich, daß im Fortschreiten auf diesem Wege der Mechanik sich völlig neue Formen des Schrift verkehrs bilden werden. Sic würden dazu führen, daß die Schei dung der europäischen Schrift in romanische einfache und deutsche gegliederte Minuskel überhaupt ihre Bedeutung verliert. Bis das geschieht, behalten aber die sprachbedingten Schriftgestal tungen ihr Recht. Es besteht durchaus kein Anlaß, um dieser fernen Möglichkeit willen die Fraktur aufzugeben; denn es könnte sehr wohl sein, daß eine solche kommende Schriftenwandlung 423
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