Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.03.1887
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- 1887-03-02
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- 02.03.1887
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1146 Nichtamtlicher Teil. .V 50. 2. März 188?. Nichtamtlicher Teil. Ein Mann eigener Kraft. (si Heinrich Klemm). Unter den im vorigen Jahre verstorbenen Buchhändlern ver dient neben dem Nestor Friedrich I. Fromm an n ein Mann be sonders hervorgehoben zu werden, der seine ganze Stellung seiner eigenen Kraft und Ausdauer zu verdanken hatte und der deshalb künftigen Geschlechtern des Buchhandels als ein leuchtendes Bei spiel hinzustellen ist. Heinrich Klemm, geboren am IS. September 1819 als Sohn eines Schneidermeisters zu Altsranken bei Dresden, verlor frühzeitig seine Eltern, so daß er schon in seinen Kinderjahren den Ernst des Lebens kennen lernte. Als Waise, gänzlich mittellos, verblieb ihm nur die Hilfe seiner Heimatgemeinde, die ihn um sechs Thaler jährlich unbemittelten Leuten »zur Erziehung« übergab. Welches traurige Los hier dem armen schwächlichen Knaben beschicken war, erzählte er oft selbst mit dem ihm eigenen Humor: morgens um 3 Uhr habe er tagtäglich mit einem großen Korbe am Arme nach dem anderthalb Stunden entfernten Dresden ansbrechen müssen, um seinen Pflegeeller», die ein kleines Pro- duktengeschäst betrieben, die Frühstücksbrote für die Kundschaft heimzubringcn. Diese gezwungenen Spaziergänge mögen dem un scheinbaren Körper zur Stärkung gedient und dabei jene Willens kraft in dem Knaben geweckt haben, die ihn zeitlebens nie verließ. Denn so unbedeutend das Äußere des kleinen Heinrich Klemm erschien, so bedeutend entwickelten sich die geistigen Fähigkeiten des selben. Eine ungemein rasche Fassungsgabe, zu her sich ein aus nehmend treues Gedächtnis gesellte, waren die Eigenschaften, die den armen Waisenknaben vor den übrigen Dorfkindern aus zeichneten. Gerade letztere Begabung entwickelte sich bei ihm zu einer staunenswerten Höhe, so daß er seine Schulbücher, einschließlich Gebetbuch mit unendlich langen Gebeten, wortgetreu hersagen konnte. Diese ausnehmende Geistcsthätigkeit wurde bei ihm durch eine Neigung genährt, die sich bei vielen begabten Kindern zeigt, durch eine gewisse Lesesucht. Weil nun außer einem Predigtbnch und der Bibel die beschränkte Häuslichkeit der Pslegceltern keine weitere geistige Nahrung bot, so trug der kleine Klemm die mühsam ersparten Groschen nach Dresden zu einem auf dem Altmarkte hausenden Antiquar, dem alten Originale Helmert, der wie Diogenes seine nächtliche Lagerstätte in einem Fasse ausschlug. Hier konnte der wissenschaftliche Heißhunger für geringes Geld gestillt werden, und hocherfreut wurde jede freie Zeit benützt, die er worbenen Schätze zu genießen. > Reiche Früchte aber trieben diese Blüten jugendlichen Strebens; denn obgleich Klemms Lebensgang ihn von den Büchern entfernen sollte, wurde er, dank seiner ausgesprochenen Vorliebe für dieselben, doch wieder zu ihnen zurückgeführt, und auch an ihm sollte sich das Wort Goethes bewahrheiten: »Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter die Fülle.« Als Klemm das entsprechende Alter erreicht hatte, wurde er in Wilsdruff zu dem Schneidermeister Brictzcl in die Lehre gegeben. Nach Vollendung derselben verbrachte er seine Wander jahre in verschiedenen Städten Mitteldeutschlands, eifrig bemüht seine Kenntnisse möglichst zu erweitern. Im Jahre 1847, in einem Alter von achtundzwanzig Jahren, befand er sich in Leipzig, und hier mag er sich durch die buchhändlcrische Umgebung angeregt gefühlt haben, seine erworbenen Fachkenntnisse schriftstellerisch zu verwerten. Die leichte, fließende Darstellung und die Schärfe der Urteilskraft, welche seine ersten schriftstellerischen Versuche aus- zeichneten, bewogen den Kommerzienrat Voigt in Weimar, den bekannten Verleger der verschiedensten gewerblichen Handbücher, in Verbindung mit dem mittellosen Schncidergeselle» zu treten und denselben für seine Unternehmungen zu gewinnen. Nachdem Klemm auf diese Weife dem Buchhandel näher getreten war, Mandte! er sich demselben im Jahre 1850 ganz zu, indem er als Verleger seiner eigenen Schriften auslrat. In demselben Jahre gründete er sich auch seinen eigenen Herd, und nun begann ein rüstiges, ununterbrochenes Schaffen, dessen Erfolg nicht ausbleiben konnte. Das Hauptwerk seines Ver lags war sein »Lehrbuch der Beileidungskunst«, aus einer von ihm selbst erfundenen zweckmäßigen und leicht faßlichen Znschneide- methode begründet. Welche Verbreitung dasselbe fand, ist daraus zu ersehen, daß heute, neben mehreren Übersetzungen, vierundvierzig Auslagen der deutschen Ausgabe erschienen sind. Demselben schlossen sich mehrere ähnliche Werke an, und außerdem .erschien in Klemms Verlage eine Reihe der verschiedensten Modezeitschriften in deutscher und sranzösischer Sprache. Fast alle diese Erscheinungen gingen aus Klemms Hand hervor; zu den meisten schrieb er ganz allein den Text, und selbst die Korrekturen wurden nicht anderen Leuten anvertraut. Arbeit und Thätigkeit waren ihm zur zweiten Natur geworden oder vielmehr sie bildeten sein ganzes Wesen. Durch die Richtung seines Verlages in steter Fühlung mit seinen ehemaligen Fachgenossen, benutzte er diese Gelegenheit auch aus praktischem Gebiete zu wirken. Auf seine Anregung hin bildete sich eine Genossenschaft: »Europäische Modenakademie« mit dem Zwecke, die deutsche Mode unabhängig von der französischen zu machen. Seit der Zeit des Bestehens, vom Jahre 1858 an, stand Klemm, mit dem Vertrauen seiner Fachgenossen beehrt, als Direktor an der Spitze des Unternehmens, mit dem eine zahlreich besuchte Lehranstalt verbunden ist, und trug wesentlich mit zum Erfolge desselben bei. Neben diesen vielfachen Beschäftigungen fand aber der seltene Mann auch noch Zeit zu einer Liebhaberei, der er sich mit der ganzen Thatkraft seines Wesens hingab, so daß sich eine ernste anstrengende Thätigkeit daraus entwickelte. Es war in den sechziger Jahren, als Klemms Vermögensverhältnisse allmählich aufs günstigste sich gestaltet hatten, daß die Liebhaberei seiner Jugend, die Freude an Büchern, in ihm wieder rege wurde und er anfing Wiegendrucke zu sammeln. Aber nicht aus bloßer Freude am Besitz sammelte er, sondern um mit Hilfe des Er worbenen zu lernen und zu arbeiten. Von der Ansicht ausgehend, daß ein großer Teil der Inkunabeln, deren Drucker man nicht kennt, durch genaue Vergleichung der Typen mit bezeichneten Exemplaren festgestellt werden könne, machte er es sich zur Aus gabe, eine Bibliothek von Wiegendrucken zusammenzustellen, an welchen er seine Forschungen erproben und Nachweisen konnte. Mit welchen: Ernste der vielbeschäftigte Mann diese Liebhaberei, denn als solche betrachtete er dieses Studium, betrieb, kann man daraus ermessen, daß er, als er bereits hoch in den fünfziger Lebensjahren stand, »och die lateinische Sprache erlernte, weil er einsah, daß die Kenntnis derselben bei Anlage einer Bibliothek von Inkunabeln unentbehrlich sei. In verhältnismäßig kurzer Zeit hatte Klemm die seltensten und wertvollsten Drucke, darunter die 42zeilige Bibel, als sein Eigentum erworben und denselben eigene Räume in einer feiner beiden Villen an der Forststraße angewiesen. Den größeren und wertvolleren Teil der Sammlung, ungefähr 1000 Drucke ans den ersten Druckorten bis 1470, hat der fleißige Mann in einem ausführlichen Kataloge beschrieben, der vor drei Jahren in diesen Blättern eine eingehende Besprechung und Würdigung fand. Wenn auch dieser Katalog nicht immer genau den bibliographischen Anforderungen entspricht, so ist er immerhin und für alle Zeiten ein trefflicher Beleg für den Fleiß, den Scharfsinn und die Gründlichkeit eines Mannes, der ohne wissenschaftliche Vorbildung sich in dieses schwierige Gebiet hinein- gearbeitct hat. Klemms deutsche Gesinnung, die wir schon an der Gründung der Bekleidungs-Akademie kennen gelernt haben, bethätigte sich auch
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