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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.05.1887
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1887-05-16
- Erscheinungsdatum
- 16.05.1887
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- Deutsch
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- Saxonica
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1Ü 16. Mai 1887. Nichtamtlicher Teil. 2ö23 Nichtamtlicher Teil. Die Ostermcfse 1887. »Einen Merkstein in der Geschichte unseres Standes« nannte kürzlich ein Optimist in diesen Blättern die damals noch bevor stehende Ostermesse 1887. Wir freuen uns, daß wir nicht nötig haben, dieses Diktum an der Hand der Ergebnisse der diesjährigen Generalversammlung ans seine Richtigkeit hin zu prüfen. Das überlassen wir Anderen. Das historische Moment geht uns glücklicherweise nichts an, wir sind Vergnügungs berichterstatter — weiter nichts. Hinsichtlich des genossenen Vergnügens aber dürfen wir sicherlich behaupten, daß man sich die heurige Messe wohl merken wird. Sie hat an Mannigfaltigkeit sowohl, als auch an Güte des Gebotenen ihre letzten Vorgängerinnen übertroffen. Und man hatte so gar nichts von ihr erwartet! Eingekeilt zwischen das ereignisreiche Jahr der Grundsteinlegung und das hoffent lich noch glorreichere der Eröffnung der neuen Börse, galt die 1887er Messe ziemlich allgemein als das Aschenbrödel, um das sich ein Vergnügungsausschuß nicht sonderlich bekümmern würde. »Es wird nicht viel los sein« hieß es. Aber da hatte man doch die Rechnung ohne die Herren Conrad, Einhorn, Krö- ner jnn. und Thieme gemacht. Wir können ihrer Amtsführung das Prädikat »summa, oum lauäs« nicht vorenthalten. Jeder Einzelne von ihnen verdiente eigentlich ein besonderesLobes-Kapitcl. Wir prophezeien ihnen die »Ostermeßvergnügungskomiteeschaft« für die nächsten fünfundzwanzig Jahre. Solche gesellschaftlichen Talente werden eben nicht freigelassen. Die Vorfeier — offiziell »gesellige Vereinigung und gegen seitige Begrüßung« — fand am Sonnabend Abend im blauen Saale des Krystallpalastes statt; sic war so gut besucht wie stets und bot dasselbe Bild, wie in früheren Jahren. Dieselben be kannten Buchhändlertypen: die selbstbewußte große Firma — der ängstlich nach günstigen Bekanntschaften suchende Anfänger — der Geschäftsvermittler, in jeder Tasche ein »grundsolides Sor timent« — der vorsorgliche Kommissionär mit dem feststehenden wohlwollenden Lächeln für alle, die Abtrünnigen natürlich aus genommen rc. rc. Und welcher Wirrwarr von Mundarten! Wahrlich, hier konnte man hören, wie verschieden die deutsche Zunge klingt. Ostprenßisch, Bayrisch, Hannövcrisch, Schwäbisch, Schlesisch und Berlinerisch tönten durcheinander, und der gemüt liche Singsang der sächsischen Landessprache machte sich nicht gerade selten. — Aber so verschiedenartig diese Stämme auch waren: in dem »nach Hause gehn wir nicht, nach Hause gehn wir lange nicht« waren sie alle einig. Nach gutem Mcßbrauchc blieb man nicht auf einem Flecke, sondern pilgerte von Wirtshaus zu Wirtshaus; warum auch nicht — Messe ist Messe — morgen ist Sonntag — der Stoff ist gut — Bekannte trifft man überall — Wein auf Bier das rat' ich dir — ein Tasse Kaffee könnte ^ jetzt auch nichts schaden — ei, ei! nun ist es richtig drei ge worden! , Trotzdem war man am nächsten Morgen nicht unpünktlich oder gar pflichtvergessen. Die Generalversammlung war sehr- gut besucht, der Saal zu Anfang sogar gedrängt voll. Es ist nicht unsere Aufgabe, über die Ergebnisse der Verhandlungen zu berichten, wir glauben aber, daß es mit zum Stimmungsbilde gehört und daß cs den Kollegen draußen im Reich, welche viel leicht gern wissen möchten, wie es eigentlich bei der Generalver sammlung zugeht, recht ist, wenn wir gewissermaßen zur Er gänzung und Belebung der trockenen stenographischen Berichte ihnen einige Äußerlichkeiten ans unserem Buchhändlerparlamcnte zum besten geben. Mit Absicht wählen wir den Ausdruck »Par lament«; denn die stattliche Versammlung in der Börse macht ganz den Eindruck einer parlamentarischen Körperschaft. Sie hat ihren Ministertisch und ihre Opposition. Sie zählt gewaltige Rufer im Streit und Redner »kühl bis ans Herz hinan«, der Brustton der Überzeugung und die spitze Zunge, das Pathos und das Phlegma finden hier ihre rednerischen Vertreter, und die Heiterkeitsmacher fehlen auch nicht, weder die freiwilligen noch die unfreiwilligen. Und die große Masse der Schweiger ist keineswegs apathisch, im Gegenteil, die »Bravos«, die »Sehr wahr«, die »Ohos«, die »Hört, hört« begleiten die Debatte ganz o wie im großen Parlamente. Beim heftigen Kampfe um die Adreßbuchposition agierte der Chorus so dramatisch, daß man sich Wer auf der Bühne dünken konnte. Zweimal schon hatte man erfolglos abgestimmt, da endlich masste das Machtwort des Prä sidenten die beiden Gruppen, die vielstimmigen Delegierten und die über nur eine Stimme Verfügenden zu zwei Haufen, den einen nach rechts, den andern nach links. Unter großer Auf regung beginnt nun die dritte entscheidende Abstimmung. Die Mehrstimmigen werden namentlich aufgerufen, die Einstimmer werden gezählt. Man reckt die Hände in die Höhe, die Kleinen stellen sich ans die Stühle, Wahlschlcpper treten in Wirksamkeit, geschäftig eilen die Stimmcnzähler von Bank zu Bank. Und siehe da — David schlug den Goliath, das kleine Häufchen der Delegierten besiegt die kompakte Masse der Einstimmer. Größte Aufregung — Jubel — Enttäuschung. Alan gestikuliert, man agitiert, man protestiert, heftig redende Gruppen überall — die Glocke des Präsidenten — dann tiefe Stille. Das Was aufregend — dramatisch. Eines aber scheint unserem Buchhändlerreichstag noch zu fehlen: ein geübter, rücksichtsloser Schlußantragsteller. Heilige Vorsehung, beschere uns sehr bald einen solchen »Valentin«, aber einen recht dickfelligen; denn wenn wir uns zukünftig immer — wie diesmal — um eine Stunde zu spät an der Kantate- festmahltafcl niederlassen müßten — das wäre zu traurig! Das Kantatefestmahl fand auch in diesem Jahre in dem festlich geschmückten Theatersaale des Krystallpalastes statt. Uber achthundert Herren saßen an 29 langen schöngedeckten Tafeln. Unter den Gästen bemerkten wir zahlreiche Personen von Rang und Ansehen: hohe Staatsbeamte und Militärs, viele Räte des Reichsgerichts, Vertreter der Geistlichkeit, der Stadt und — be sonders zahlreich — Professoren der hiesigen Universität. Die meisten der letzteren hatten bei ihren Verlegern Platz genommen, so daß manche Tische illustrierte Verlagskataloge genannt zu werden verdienten. Eine schmetternde Fanfare zeigte den Beginn der Mahlzeit an, dann erhob sich der Vorsteher des Börsenver eins, Herr Kommerzienrat A. Kröner, und sprach mit weithin vernehmlicher, markiger Stimme die nachstehenden, oft von lautem Beifall begleiteten Worte: »Ich erfülle eine ehrenvolle und angenehme Pflicht, in dem ich Sie alle, hochverehrte Gäste und werte Kollegen, hier willkommen heiße und Sie vor allem anderen einlade, in alt gewohnter Weise mit mir den ersten Toast auf Kaiser Wil helm und König Albert auszubringen. Wer cs noch nicht gewußt hätte, was Kaiser Wilhelm dem deutschen Volke ist, der hätte es vor wenigen Wochen, an jenem denkwürdigen 22. März, seinem neunzigsten Geburts tage, erfahren müssen, als ganz Deutschland von den Alpen bis zur See, ohne Unterschied der Landsmannschaften, Par teien und Stände von dem einen Drange beseelt war, ihm seine Verehrung und Liebe zu bezeugen, der Vorsehung zu danken für die Erhaltung seines teuren Lebens, für die wun derbare Fülle von Glück und Gelingen, welche sie auf sein Haupt gesenkt, aber auch für die reiche Fülle von Glück und Segen, welche von diesem ehrwürdigen Haupte ausstrahlt auf sein Volk, auf die Welt. 346*
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