Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.11.1887
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- 1887-11-02
- Erscheinungsdatum
- 02.11.1887
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- Deutsch
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Geld darauf verwenden muß, diese neue Litteratur durch Ansichts- Versendungen an die Interessenten bekannt zu machen und zu verkaufen, und er weiß nicht minder, daß diese Thätigkeit in den meisten Fällen wenig lohnend ist, da zwar genug Ärger, aber nur ein geringfügiger Absatz mit ihr verknüpft ist. Natürlich können an dieser Stelle die Einwände jener, welche die Ansichtssendungen l auf deni Gebiete der Litteratur überhaupt für etwas Unnützes und Lästiges halten, kaum ins Gewicht fallen, wenngleich zugegeben werden soll, daß der Sortimenter in dieser seiner Thätigkeit oft des Guten viel zu viel thut und wirklich unbequem werden kann. Es muß vielmehr betont werden, daß dieser Thätigkeit gar nicht zu entraten ist, da sonst viele Bücher kaum bekannt würden und die gelehrten Stände, Bibliotheken, Bücherliebhaber sich über die Be wegungen in der Litleratur nicht auf dem Laufenden würden er halten können. Mit dieser Thätigkeit aber, welche die Ergebnisse des Geistes und der Wissenschaft an das Publikum vermittelt und in aufopfernder Weise höhere Zwecke zu erfüllen bestrebt ist, würde also zugleich ein überaus wichtiger civilisatorischer Faktor unrettbar verschwinden, und alle Teile hätten schließlich diesen Verlust auf dem Gebiete geistiger Thätigkeit gleichmäßig zu beklagen. Es leuchtet aber von selbst ein, daß, wie niemand von dem Absatz der neuen Litteratur allein seine Existenz fristen, so insbesondere der Provinzialsortiimnter des Verkaufs der sogenannten Brot artikel nicht entraten kann. Er muß für die leicht verkäufliche, sich an die breiten Volksmassen adressierende Litteratur, wie sie oben spezifiziert wurde, seine Abnehmerkreise haben. Diese wurden ihm indessen seit Jahren mehr und mehr untreu, so daß er not gedrungen nach durchgreifender Abhilfe Umschau halten mußte. Denn alle bedeutenderen privaten Bücherkäufer, die Behörden, die Bibliotheken, kauften entweder von jenen »wohlfeilen« Firmen der genannten Städte oder aber machten den Provinzialsortimentern zur unerläßlichen Bedingung, zu den Preisen jener zu liefern, unbekümmert darum, ob dies möglich, ob dann noch ein zum Lebensunterhalt genügender Nutzen bleibe, ob die Existenz von tausend thätigen und, wie wir oben ausführten, unentbehrlichen Geschäftsleuten in ihrer Wurzel erschüttert werde. Man kaufte eben wohlfeil ein und fragte nach volkswirtschaftlichen Grund sätzen, idealen und trotzdem sehr realen Gesichtspunkten nicht das geringste, man dachte nicht daran, daß ein blühender Stand ruiniert werden könne, an dessen Stelle man nichts anderes und Besseres zu setzen weiß, und huldigte dem Grundsatz des lawsar allsr. Die Konsequenzen dieser Auffassung würden ganz gewiß, soweit cs nicht bereits der Fall, sehr bald zu dem Ergebnis haben führen müssen, den jetzt in der Produktion das Groß kapital eiunimmt: an die Stelle des Kleingewerbes tritt die Kapitalmacht, in diesem Falle das Großsortiment, das, nachdem es die kleinen Existenzen aussaugte, allein den Markt beherrscht und in der Lage ist, dem Verleger als Produzenten und dem Publikum als Konsumenten seine diktatorischen Bestimmungen aufzuerlegen. Wir wollen nicht davon reden, daß nach Bismarcks Aus spruch jeder Mensch Anspruch auf Arbeit hat, und auch davon nicht, daß, wenn er dieser entraten muß, auch der Steuersäckel in Mitleidenschaft gezogen wird, obwohl wir denen nicht bei stimmen könnten, die da behaupten möchten, dieser fühle es nicht; wir betonen vielmehr noch einmal und mit allem Nachdruck, daß mit dem Verschwinden des Provinzialsortiments ganze Gebiete der Litteratur und des geistigen Lebens unabsehbaren Schaden erleiden müßten, weil niemand mehr da wäre, der die mit einer Unsumme von Wissen und Kapital produzierten neuen Werke auch nur annähernd so vertriebe, wie es der heutige Sortiments buchhandel thut. Wir legen ferner einen Nachdruck darauf, daß das Großsortiment, welches nur jene gangbare Litteratur zum Gegenstand seiner Thätigkeit macht, aller idealen Gesichtspunkte bar ist und den vom Verleger angesetzten Ladenpreis nicht an zuerkennen gewillt ist, eine Machtfülle in die Hand bekommen würde, von der wir heute glücklicherweise noch kaum eine Vor stellung haben. Denn was ist natürlicher, als daß es — sein Augenmerk lediglich auf mühelosen Gewinn richtend — vor allem dem Verleger seine Bedingungen vorschreiben würde. Es würde nur vertreiben, was ihm beliebt, und belieben würde ihm wiederum nur, was leicht absatzfähig ist und den größten Nutzen bringt. In seiner Hand läge es, aus tausend Konkurrenzwerkeu diejenigen zum ausschließlichen Vertrieb auszuwählen, die, mögen sie wissen schaftlich, sittlich u. s. w. von noch so zweifelhaftem Werte sein, ihm den größten Rabatt gewähren. Aber nicht nur der Ver leger, sondern auch das Publikum wäre dem Großsortiment nicht selten in die Hand gegeben. Die Firma, welche den Ladenpreis nicht anerkennt und ihn ungehörig ermäßigt, kann ihn natürlich auch erhöhen, zumal wenn, was lange und unermüdlich angestrebt wird, der Verleger sich schließlich seines Rechtes begeben würde oder müßte, diesen überhaupt noch zu bestimmen. Aus den vielen denkbaren Fällen greifen wir nur einen, den Nächstliegenden, her aus. Ein vielgelesener Roman irgend eines bekannten Autors wird in einigen Tausend Exemplaren gedruckt und an das halbe Hundert oer Zukunfts-Großsortimenter verkauft, die sehr leicht und bald berechnen können, ob und in wie weit der Verleger in der Lage ist, später eine neue Auflage zu drucken. Wir setzen nun den Fall, daß er dies nicht zu können erklärt, so ist es eine von selbst gegebene Sache, daß der spekulative, nach seinem eigenen Lieblingsausdruck »kaufmännisch rechnende« Großsortimenter bei einer entsprechenden Nachfrage von seiten des Publikums den Preis bis zur Maximalgrenze in die Höhe schrauben und zum Schaden der Abnehmer einen unverhältnismäßig hohen Gewinn vergnügt in die Tasche stecken wird. Irgendwelche wesentlichen Verluste aber dürften für ihn fast ausgeschlossen sein, da er nach seinem Prinzip eben nur nachweislich »kurante Ware« führt und sich auf ein Risiko nicht einläßt. Doch genug der Ausblicke in eine trübe Zukunft, wie es kommen müßte und würde. Der deutsche Sortimentsbuchhandel hat nahezu einstimmig und der Verlag in einer überwältigenden Mehrheit anerkannt, daß diese Zustände nicht eintreten dürfen, daß man gegenseitig auf Schutz angewiesen ist und die ursprünglich gegebenen Ver hältnisse mit allen Machtmitteln erhalten bezw. kräftigen muß, bis man in der Lage ist, Besseres an ihre Stelle zu setzen. Es gab eigentlich keine Partei, die einer Umkehr zum guten Alten widerstrebte; nur über das Wie mochten die Meinungen aus einandergehen. Es gab und giebt in diesem Falle im Buch handel keine politischen Faktionen, die mit Schlagworten ins Gefecht rücken, es giebt bei ihm weder Diktatur noch Diktator, wo die geheime Abstimmung und Wahl jedwedem Sondergelüst sofort ein Ende machen kann: was ihn leitet, ist nichts weiter, als der jetzt kaum mehr bestrittene Grundsatz, daß unter der Willkür einzelner und zu deren Nutzen nicht die Gesamtheit Not leiden darf. Und weil denn doch immer die Schleuderen kauf männisch zu rechnen sich rühmen, so wird es gestattet sein, zu sagen, daß dieser allgemeine Grundsatz vor allem eminent kauf männisch ist. Die Bewegung gegen unberechtigte Ausschreitungen einzelner fand in der außerorletlichen Generalversammlung des Börsen vereins deutscher Buchhändler zu Frankfurt a. M. am 25. Sep tember 1887 ihren vorläufigen Abschluß, und wie die Leiter dieser Bewegung sich um ihren Stand wohl verdient machten und dessen Dank verdienen, so hat sich der Gesamtbuchhandel wiederum eine Grundlage geschaffen, auf welcher im gedeihlichen Zusammenwirken aller Faktoren der kleine Sortimenter der Provinz seine fernere Existenz findet, die freilich trotzdem immer mehr ehrenvoll und ideell als finanziell ersprießlich sein und bleiben wird. Znm Schlüsse wollen wir indessen auch nicht verschweigen, daß, wie jede durchgreifende Änderung iin Erwerbsleben für den einzelnen Härten mit sich bringt, so auch der Buchhandel sie den Sortimentsbuchhandlungcn speciell der genannten Großstädte
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