Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.05.1934
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- 1934-05-08
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- 08.05.1934
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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106, 8. Mai 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. ö.Dtschn.Buchhandel. Die Leihbücherei im Dritten Reiche. Bon Rudolf Birnbach. Bor dem 21. März des Borjahres haben sich die amtlichen Stellen herzlich wenig darum gekümmert, mit welcher Art von Büchern das Volk durch die unzähligen Kanäle der Leihinstitutc in Berührung kam. Es existierte zwar ein Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften, es wurden in recht spär lichem Ausmaße extrem-erotische Bücher verboten, ja — man wird sich erinnern — es wurde in Berlin einmal eine Leihbücherei amt lich ausgehoben, die mit der spezialisierten Ausleihe von sogenann ten Sittengeschichten und aller nur erdenklichen erotischen und pornographischen Literatur Bombengeschäfte gemacht hatte. Das war aber auch alles. Die Asphaltliteratur stand in tropischer Blüte, der Unfug des »Bestsellers« beherrschte auch die Leihbüchereien, bis eines Tages sich ein reinigender Wind erhob, der stetig und er barmungslos die faulen Früchte zu Falle brachte. Es wird sich heute schwer feststellen lassen, wieviele Leih büchereien in Deutschland durch den gründlichen Reinigungsprozeß, also die Beschlagnahme und den Aussonderungszwang von schlech ter, verbotener und unerwünschter Literatur so in Mitleidenschaft gezogen wurden, daß nicht nur alle Träume von großen Konjunk turgewinnen in ein Nichts zerstoben sind, sondern daß solche Leih büchereien heute nur noch kümmerlich vegetieren und sich voraus sichtlich nie wieder ganz erholen werden. Dieser Reinigungsprozeß ist heute noch nicht beendet. Vieles, was faul war, ist verschwunden. Ist an seine Stelle aber etwas ge treten, was gesund und lebensfähig genug ist, um reifen und wach sen zu können? Man muß die Frage mit ja und mit nein beantworten, und schon zeigt es sich, daß wir bei den deutschen Leihbüchereien deutlich zwei ganz verschiedene Arten unterscheiden können: Leihbüchereien, die nach der »Gleichschaltung« erstarrt sind, deren Inhabern jedes Verständnis dafür abgeht, welcher Art das Schrifttum ist, das an die Stelle der ausgesonderten Bücher zu treten hätte. Diese Unter nehmer machen der neuen Zeit gegenüber dadurch Konzessionen, daß sie (aber meistens aus das Drängen der Kundschaft hin) diese und jene wirklich guten deutschen Bücher einstcllen, im übrigen aber sind sie vollständig der leichten, ungeistigen und unpolitischen Durchschnittsliteratur verfallen. Die Rufer und Redner der neuen Zeit finden bei ihnen keinen Resonanzboden, sie haben keine inner liche Beziehung zum Wesen der Bücher, die sie verleihen. Anders ist es bei den Leihbüchereien der anderen Art. Die wirtschaftlichen Erschütterungen, von denen auch diese Lcihbüchcrei- inhaber durch die verschiedenartigen Aussonderungsmaßnahmen betroffen wurden, haben ihnen die Augen geöffnet für die Ver antwortung, die jedem Leihbüchereiinhaber im Dritten Reich als Pflicht und Forderung auferlegt ist. Es kann noch keine Rede davon sein, daß wir Leihbücherei inhaber die Ausgaben, die der nationalsozialistische Staat an uns stellt, schon erfüllt haben. Wir sind immer noch auf dem Wege zum Ziel, das wir heute nicht und auch morgen noch nicht erreichen werden, wir sind immer noch in der Umwandlung begriffen, die nicht heute und auch noch nicht morgen vollzogen sein wird. Meine Auffassung, daß alles, was gut und gesund werden soll, Zeit zum Wachsen und Reisen braucht, findet ihre Entsprechung in den so überaus interessanten Beobachtungen, die man heute in den Leihbüchereien machen kann, denen es mit einer verantwortlichen Erziehung des Lesers zum guten Buch wirklich ernst ist. Fasse ich die Beobachtungen zusammen, die sich aus dem gegenwärtigen Ver hältnis der Leihbüchereikundschast zum Buch ergeben, so sehe ich auch hier wieder recht unterschiedlich geformte Gruppenbildungen. Voraussetzung für solche Beobachtungen ist (wie es in meinem eigenen Unternehmen der Fall ist), daß sich die Leseknndschaft aus allen Bevölkerungsschichten zusammensetzt. Diese Voraussetzung ist am ehesten in einer Großstadt-Leihbücherei gegeben, zu der der einfache Arbeiter ebenso wie der Universitätsprosessor Zugang ge sunden hat. Eine dieser Hauptgruppen in meiner Leihbücherei bilden auch heute noch die unentwegten Leseratten. Je nach der Geschlechtszu gehörigkeit zerfallen sie in zwei Untergruppen, das sind die weib lichen Leseratten, deren Mütter wahrscheinlich die selige Marlitt und Heimburg verschlungen haben, wie sie sich selbst heute noch an den jetzt gerade beliebten Liebesromanen und Frauenbüchern von der Aja Berg die ganze Skala des Alphabets herunter bis zur Anny Wothe ergötzen. In den seltensten Fällen wird bei diesen Leserinnen ein auch noch so vorsichtig vorgenommener Beeinflussungsversuch nach der Richtung des inhaltlich besseren und guten Buches Erfolg haben. Haben diese Leserinnen die bestiminteLlnzahl solcher Bücher, auf die keine Leihbücherei verzichten kann, hinter sich gebracht und wird nicht vom Leihbüchcreiinhabcr für ständige Bcreithaltung aller Neuerscheinungen solcher Art gesorgt, dann sind sie eines Tages ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Die dieser Gattung entsprechende Untergruppe der »Unentwegten« sind die männlichen Leser mit dem Kriminal- und Abenteuerfimmel. Je blutrünstiger das Titelbild des Buches aussieht, um so heftiger ist das Verlangen nach seiner Lektüre. Es gibt Leser, die sämtliche Bände eines Edgar Wallace, eines Max Brand und Zane Grey gelesen haben. Sie tauchen eines Tages gleichfalls wie Kometen auf und verschwinden wieder. Doch läßt sich nicht verkennen, daß sich bei dieser Gruppe auch Leser befinden, die den einen und den ande ren Kriminalroman zu dem Zwecke konsumieren, um eine not wendige seelische Entspannung herbcizuführen. Sonst ließe es sich nicht erklären, daß mancher geistig wertvolle Mensch an solch' einer meist handgreiflich-lapidaren Darstellungsweise Gefallen fände. Bei dieser Gruppe ist schon eher eine Bceinslussungsmöglich- keit gegeben. Ich habe manchmal mit Erfolg den einen und den anderen Leser von der Sensationsliteratur zu den Kricgsbüchcrn herübergezogen und erreicht, daß er sich dann auch für das deutsche Nachkricgsschicksal in allen seinen Variationen bis zur erzählenden Literatur betont nationalsozialistischen Charakters mit wachsender Anteilnahme zu interessieren vermochte. Eine weitere Gruppe — der Schrecken der Leihbüchereien! — bildet sich aus den Jägern nach Neuerscheinungen. Zugegeben: Es ist nicht verwunderlich, wenn sich ein Teil der Leihbüchereikund schaft aus Lesern rekrutiert, die viel, unendlich viel in ihrem Leben gelesen haben, denen auch der Alltag ohne Buch undenkbar ist. Solche Leser haben aber unmöglich alles gelesen, was ihnen die reichen Bestände einer guten Leihbücherei zu bieten haben. Sie sind es aber auch, die das weiteste Gefühl für die Z e i t l o s i g k e i t des guten Buches haben. Sie sind mitunter die dankbarsten und treuesten Kunden, die gerade das lesen wollen, was andere nicht beachten, Bücherfreunde schlechthin, denen der Handkatalog der Leihbücherei kein blankes und totes Titclvcrzcichnis bedeutet, son dern die mit wahrer Entdeckerfreudigkeit den großen Meistererzäh lern in manchem halbvergessenen Buch und nach manchem halbver wehten Namensklang nachzuspürcn verstehen. Von ihnen will ich nicht reden. Ich meine die Literatursnobs, für die ein Buch schon alt ist, wenn es im Dezember vorigen Jahres erschien. Diese Leut chen, die sich in der Leihbücherei nur mit einem Notizzettel sehen lassen, aus dem sie sorgfältig alle Titel der in den verschiedenen Zeitungen undZeitschriftcn besprochenenNcuerscheinungen vermerkt haben, wobei Art und Wesen des Buches eine untergeordnete Rolle spielt, wenn es nur neu ist, ganz neu und warm wie ein frisches Brötchen. Diese Gattung von Lesern bringt es fertig, es den Buch- Verleiher dafür büßen zu lassen, weil er irgendeine Neuerscheinung noch nicht präsentieren kann, die möglicherweise erst in einigen Wochen erscheinen wird. Das sind die Hyänen der Leihbücherei. Es gibt kein Mittel, das wirksam genug wäre, einen solchen Unver stand zu bekämpfen. Unsere wohlgefüllten Bücherregale und unsere Bereitschaft, dieser Gattung von Kunden aus den reichen Schätzen der Leihbücherei mit viel Anstrengung und gutem Willen die vielen guten Bücher zugänglich zu machen, die ihr noch nicht bekannt sind, alles dies macht keinen Eindruck. Man sollte solchen Leuten 50 Pfg. Leihgebühr je Buch und Tag abnehmcn, und dann beobachten, wer im Streit zwischen Ncuigkcitenfimmel und Geldbörse Sieger bleibt! Es ist einleuchtend, daß eine Leihbücherei wirtschaftlich nicht lange bestehen könnte, hätte sie nicht noch eine dritte Gruppe unter ihren Lesern, die dem Ausleihebetrieb erst das eigentliche Fundament zu geben imstande ist. Das sind die Leser aus allen Altersklassen und Gesellschaftsschichten, die aus einem inneren Bedürfnis lesen. Mancher ist dabei, der in früheren Jahren jedes ihm wertvoll erscheinende Buch kaufte und es seiner Hausbüche rei einfügte. Mancher jugendliche Mensch ist unter ihnen, der die 421
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