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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.05.1930
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- 1930-05-15
- Erscheinungsdatum
- 15.05.1930
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sdp. 111, 15. Mai 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtfchn.Buchhandel. I)r. Willy Wiegand, -Bremer Presse-, München, hält die Zeit für Stellungnahme in der Druckschriftfrage noch nicht für reif. Um so mehr müsse gewarnt werden, die Anwendung und Entwicklung der Fraktur zu unterbinden. Erst müsse die Wissenschaft das noch kaum erforschte Kernproblem: den Zu sammenhang von Sprache und Schrift, untersuchen und durch die Ergebnisse den gestaltenden Künstlern die inneren Richt linien für Neuformungen geben. Eine objektive Untersuchung dürste ergeben, daß Fraktur beim Druck deutscher Texte rascher zu lesen ist als Antiqua. Darum halten die deutschen Zeitungen, auch die im Auslande erscheinenden, durchweg an der Fraktur fest. Lesbarkeit sei von der Vielgestaltigkeit und dem Formen reichtum der Schrift abhängig, nicht, wie oft gesagt wird, von ihrer Einfachheit. Je charakteristischer ein Wortbild sei, um so leichter erkenne man es. In der deutschen Sprache beginnen und enden die Silben vorwiegend mit Konsonanten; fast alle Konso nanten sind aber in der Fraktur als Ober- oder Unterlängen ausgebildet; auf das Zeilenband beschränkt sind nur die fünf Vokale a, e, i, o, u und die drei Konsonanten n, m, r, falls bei v und w die Form des hochgeführten Anstrichs angenommen und das c nicht als selbständiger Konsonant, sondern nur in der Verbindung ch und ck berücksichtigt wird. Die häufigen Ver bindungen mehrerer Konsonanten und die sich hierdurch er gebenden zahlreichen Varianten der Linienführung in den Verbindungen der Ober- und Unterlängen schaffen zahllose eigentümliche Wortbilder. Druckt man diese in Antiqua, so ver ändern die vielen hier auf das Zeilenband beschränkten Konso nanten das Bild, vermischen die Abgrenzung der Silben und vermindern die Zahl der charakteristischen Wortformen und da mit der Erinnerungsbilder. — Die »bildliche Ausdruckskraft der Fraktur entspricht einer inneren Veranlagung des deutschen Lesers und dem ihm gewohnten und gemäßen Vorgang des Lesens. Die Gestaltung unserer Druckschrift unter diesen Ge sichtspunkten ist umso wichtiger, als alles geschehen sollte, um in unserer ungeistigen Zeit dem Buche seinen Platz und seine Bedeutung wicderzugewinnen«. — Allerdings bedürfen unsere heute gebräuchlichen Frakturschriften mancherlei Umformung und Neugestaltung. Wenn darin zu wenig für die deutsche Buchschrifl geschehen sei, so liege das zum Teil daran, daß die Schriftkünstler in ihrer schwierigen und rein formal nicht zu lösenden Aufgabe von der Wissenschaft nicht unterstützt worden seien — den Künstlern sei zu zeigen, welche Forderungen die Aufgabe in sich schließt. Anläßlich der Tagung der Sachverständigen am 20./21. Juni 1927 hatte die Bayerische Staatsbibliothek eine Übersicht über den Entwicklungsgang der Druckschrift in aus gewählten Handschriften und Drucken ausgestellt. Dem Begleit wort des Oberbibliothekars vr. Karl Schottenloher sei kurz folgendes entnommen: »Gutenberg und seine Jünger werden sich kaum lange be sonnen haben, als sie sich für die gebräuchlichste Schriftform ihrer Zeit, die eckige, spitzige Stilisierung entschieden . . . Die Gestaltungsmöglichkeiten der gebrochenen Schrift sind unendlich und unerschöpflich . . . Schon das 15. Jahrhundert hat eine Formenbuntheit ohnegleichen aufzuweisen . . . Die Vorherr schaft der . . . über ganz West- und Mitteleuropa verbreiteten gotischen Schrift wurde eingeschränkt, seit die runde Form, die Antiqua, . . . von der Handschrift her auch in das gedruckte Buch eindrang. Ihre eigentliche Heimat ist Italien. Sie er oberte das einheimische italienische, französische, spanische, eng lische Schrifttum, während das deutsche sie ablehnte und bei der gebrochenen Schrift verharrte, um sich im 16. Jahrhundert eine besondere, man ist versucht zu sagen, vordeutsche Wart, die Fraktur, zu schaffen ... So mächtig war freilich der Humanis mus immerhin, daß er auch in Deutschland die Antiqua mehr und mehr verstärkte, . . . sodaß etwa seit dem dritten Jahr zehnt so ziemlich alle lateinischen Schriften in Antiqua, alle deutschen Kundgebungen in gebrochener Schrift, sei es in Gotisch oder in Schwabacher oder Fraktur, gedruckt wurden . . . Wolf gang Fugger konnte 1553 sagen: ,Es will nit schön sehen, so 460 man die teutsche Sprach mit lateinischen Buchstaben schreiben will' . . . Die Antiqua für die lateinische Sprache, die Fraktur für die deutsche Sprache, das wurde so unbedingtes Gesetz, daß z. B. in den Verlagsverzeichnisscn Sigismund Feyerabends und Egenolphs aus dem Jahre 1579 die deutschen Büchcrtitel in Fraktur, die lateinischen Titel in Antiqua gedruckt sind; dieselbe Erscheinung kehrt in allen Meßkatalogen des deutschen Buch handels wieder.« »Der geschichtliche Rückblick auf die Vergangenheit sieht auf jeden Fall eine so innige Verbindung der deutschen Schrift mit deutscher Dichtung, mit Gebetbuch, Kalender, Zeitung, Flug blatt und Flugschrift, daß er deutsches Schrifttum und deutsche Schrift unzertrennlich miteinander verflochten glaubt und darin eine bedeutsame deutsche Eigenart erblickt. Die deutsche Schrift ist ein Stück deutscher Geschichte geworden.« Beiträge zur Frage der Geeignetheit von Antiqua und Fraktur als Leseschrift, unter Zugrundelegung von Beobachtungen beim Lesenlernen der russischen Druck- und Schreibschrift gibt hin Heft 6 4929) Johannes Beeskow in Kargow (Mecklenburg). Ursprünglich überzeugter Anhänger von Antiqua kommt er zu dem Ergebnis: »Da die Leseschwierig- keit einer Druckschrift in demselben Maße wächst, in dem die Einfachheit ihrer Zeichen zunimmt, Antiqua nun erheblich ein facher als Fraktur ist, muß die lateinische der deutschen Druck schrift in dem Verhältnis ihrer Einfachheit unterlegen sein.« » Hans Brückl, Hauptlehrer und Leiter der Münchener Versuchsschule, berichtet über »Antiqua und Fraktur im ersten Schreib- und Leseunterricht der Volks schule«. Er lehnt beide Schriftarten für den ersten Unterricht ab und will eine vereinfachte, gemischte, d. h. aus Groß- und Kleinbuchstaben zusammengesetzte Antiqua. Aber auch diese nicht sofort, sondern nach dem bewährten Grundsätze, mit dem Elementaren zu beginnen und vom Einfachen zum Zusammen gesetzten sortzuschreiten, wählt er als Vorübung vier ein fache dem kindlichen Spiele entnommene für das Kind mit starkem Lustgefühl verbundene Grundformen: den Spiel reifen, auch geöffnet, den Hakenstock, die Schlange, das Turn reck. Aus diesen Grundformen lernen die Kinder die Buchstaben des Alphabets bilden. »Es ist eine der merkwürdigsten Folgen dieses psychologisch richtigeren Verfahrens, hier beobachten zu können, wie die Mehrzahl der Kinder, der eigentlichen Schul arbeit weit vorauseilend, durchaus selbständig und selbsttätig zu den Elementen vordringt, also dis Schwierigkeiten spielend über windet, die beim bisherigen Schrcibleseunterricht zu früh auf- traten und darum unendliche Mühen und Qualen verursachten.« Es folgt dann die Entwicklung der Schreibschrift aus der Druckschrift, der gebrochenen Schrift aus der Antiqua, zuletzt die deutsche Kurrentschrift. Alle nach diesen »Grundsätzen unterrich teten Kinder sind voller Begeisterung für die deutsche Schrift, an deren Stelle sie nie, nicht einmal bei Überschriften, die latei nische Druck- oder Schreibschrift verwenden. Als schmückende Überschrift wählen sie stets die selbständig erarbeitete »gebro chene Schrift«, die Fraktur. Die von den Kindern als »Klein kinderschrift« bezeichnet! Antiqua findet nun keine Gnade mehr vor ihren Augen, die zuletzt und in einem reiferen Alter er lernte deutsche Schrift wird als das erkannt und geschätzt, was sie in Wirklichkeit ist: die höchste und reichste Form der ganzen Schriftentwicklung. Diese Wertung der deutschen Schrift durch die Kinder beweist, daß durch den Beginn des Schteibunter- richtes in Antiqua nicht eine Gefährdung, sondern eine Höher führung der deutschen Schrift gewährleistet ist. Mit vollem Recht kann daher der paradox klingende, psychologisch aber rich tige Satz aufgestellt werden: »Wenn man die deutsche Schrift mit den Kindern zur vollen Entfaltung bringen will, dann muß man im Schreibunterricht der Volksschule mit der Antiqua be ginnen«. Von ihr führt ein gerader und natürlicher und schöner Weg zum Gipfelpunkt der Schrift, zur reinen deutschen Schreib schrift.«
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