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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.04.1928
- Strukturtyp
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- 1928-04-05
- Erscheinungsdatum
- 05.04.1928
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- Deutsch
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X- 82, 5. April 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. können wir- nicht doch von Frankreich lernen? Das auf schlechtem Papier gedruckte, miserabel geheftete Buch wird sich in Deutsch land nicht einführen lassen, ich halte es auch für kein erstrebens wertes Ziel. Bücher in Heftform als Fortsetzungen erscheinen zu lassen, wie im England der Dickenszeit, scheint mir nicht mehr denkbar. Der Welterfolg des »Schwejk« ging nicht von den Heften aus, die Hasel verkaufte. Aber vielleicht gibt es einen Mittelweg, den in vorsichtigem Versuchen wir seit einiger Zeit abtasten. Wir sind zu dem Prinzip der anständigen Broschur gekommen, d. h. neben den gebundenen, die Publikum und Sor timenter verlangen, haben wir broschierte Ausgaben hergestellt, die aber nicht im bisherigen Sinne qualitativ schlechte Broschü ren, sondern eine Art kartonierter Exemplare sind. Diese unsere Ausgaben sind ans demselben Qualitätspapier der gebun denen Exemplare gedruckt, nicht auf Draht, sondern mit Faden fest geheftet, der Umschlag ist nicht aus Papier, sondern eine Art Karton, der dieselbe Einbandzeichnung trägt wie das gebundene Exemplar. Wir haben den Versuch schon früher bei der »Heiligen Johanna« von Anatole France, in letzter Zeit bei der »Antho logie jüngster Prosa« gemacht, und ich kann sagen, daß gewisse Anzeichen eines Erfolges da sind. Von der broschierten Ausgabe von »Soldat Sichren« sind so viel Exemplare verkauft worden, wie in unserem Verlag noch nie von einer broschierten Ausgabe vorher. Wir haben diese Versuche schou vor Jahren bei dem Novellenband von Arnold Zweig »Frühe Fährten« gemacht, nur mit dem Unterschied, daß diese Broschur noch wie die üblichen broschierten Exemplare einen Papierumschlag hatte unb schlecht geheftet war. Wenn ich offen sein soll, mutz ich gestehen, daß diese Broschur im Gegensatz zur gebundenen Ausgabe überhaupt nicht gegangen ist. Mir scheint also daß auf dem Weg des auf bestem Papier gedruckten, erstklassig gehefteten und sorgfältig ausgestatteten stark broschierten Buches ein Erfolg denkbar wäre. Wenn es gelänge, dieses stark broschierte Buch, das wie jedes gebundene ästhetisch befriedigend und haltbar genug für den Bücherschrank ist, in Deutschland durchzusetzen, würden die Bücherpreise mit einem Schlage um 30—400/» gesenkt werden können. Ich habe die Absicht, im Laufe des Jahres 1928 diesen Versuch in größerem Maße zu unternehmen, werde hoffentlich über einen Erfolg berichten können, mich aber nicht schämen, den Mißerfolg dieses Experimentes einzugestehen. Die Frage, broschiert oder gebunden, ist ja schon oft erörtert worden. Sie schien bisher unbedingt zugunsten des gebun denen Buches entschieden. Wenn hier ein neuer Weg gefunden wäre und mit dem erwähnten Erfolg beschritten werden könnte, wäre das sicherlich begrüßenswert. Aber man täusche sich nicht: Das ist eine temporäre Erleichterung für die ersten, die den Weg gehen, ist aber keine Lösung aller Schwierigkeiten auf die Dauer. Es bleibt doch wahr: das Schicksal eines Buches hängt nur sehr beschränkt von seinem Preis ab, ausschlaggebend ist immer sein innerer, sein literarischer Wert! Die größte Gefahr scheint nun darin zu liegen, daß, um den größtmöglichen Absatz bei der breiten Masse zu finden, gerade wenn produktionstech nisch der entsprechende Preis möglich wird — und das bringt ja auch schon die Massenauflage —, die literarische Qualität auch dem Geschmack der Masse angepaßt wird. Wie das jedoch auf vielleicht gerade die besten Leser wirkt, das hat sehr richtig Theodor Marcus in der letzten Nummer der »Monatsblätter für Bucheinbände und Handbindekunst« (Hübel L Denck) in einem auch sonst mancherlei Beachtliches enthaltenden Aufsatz »Vom Bücherlesen und Bücherkaufen in heutiger Zeit« angedeutet: Die Kurzlebigkeit der Zeit veranlaßt z. T. auch die Autoren, in ihrer Produktion nicht mehr die sorgfältige Auswahl zu tref fen, die sie noch in früheren Jahren mit Rücksicht auf ihren Künstlernamen für notwendig hielten. So ist es eine ganz ge gebene Tatsache, daß neben dem starken Büch das schwache Buch desselben Autors auftritt. Und nun wird mit Aufwand von Reklame und Beeinflussung versucht, das schwache Buch mitzu schleifen, unter Verkennung der Tatsache, daß für viele Menschen der Versager in ihrer Lektüre viel schwerer wiegt wie der Tref fer, und daß wir deshalb um das Problem, das richtige Buch in die richtige Hand, in keiner Weise herumkommen. Wenn von Verlegerseite her die Abwanderung nach dem Kino, die Störun gen des Radios so schmerzlich empfunden werden, so sollte man sich auf der anderen Seite aber auch fragen, ob nicht vielleicht das eine oder andere schwache Buch diese Abwanderung mitver anlaßt hat. Gewiß, der Auswahlstandpunkt, der Standpunkt, was ist gut und was ist schlecht, ist ein relativer, und selbst bei sorgfältigster Produktion, bei absolutestem Wertgestthl wird es nicht möglich sein, Nieten zu vermeiden. Aber neben dem ge schäftlichen Mißerfolg einer Niete steht ja immer und immer wieder bei dem doppeltem Gesicht des deutschen Buchhandels die geistige Verstimmung des Bttcherkäufers. Und gerade diese ist immer noch stärker in Anrechnung zu stellen als die wirt schaftliche. Es ist außerdem zu bedenken, daß, je weniger hoch die litera rischen Ansprüche qualitativ gestellt werden, desto größer die Zahl derjenigen ist, die sich »berufen« fühlen können, und daß hier also zugleich sofort wieder das Problem der Überproduktion auf taucht. Das ist kein Problem erst von gestern oder heute. Es bestand im Grunde, immer. Tolstoi hat z. B., wie kürzlich in einem Auszug aus den Erinnerungen Perwuchins zu lesen war, darüber schon 1902/03 sehr treffende Bemerkungen gemacht. An läßlich der Abweisung eines der Vielzuvielen sagte er u. a.: Weiß Gott, was das bedeuten soll! Förmlich eine Landes seuche! Ich bekomme täglich zwanzig — dreißig Briefe von an gehenden Schriftstellern, zumeist von Leuten, die nicht einmal fehlerfrei schreiben können und offenbar die größte Mühe haben, ihre flachen Gedanken zu Papier zu bringen. Was soll man dazu sagen? Sie, zum Beispiel: Verstehen Sie denn nicht, daß man, um schreiben zu können, gewisse Vorkenntnisse, eine gewisse Fähigkeit, das Material zu ordnen, besitzen muß? Wenn ich Ihnen antragcn sollte, so, ohne cs gelernt zu haben, Schuhe zu nähen, einen Ofen zu setzen, einen Fensterrahmen zu zimmern, oder einen Brunnen zu graben, werden Sie es sich nicht unter fangen, werden Sie sich auf Ihr Nichtkönncn berufen. Aber warum glauben Sie, daß es einfacher und leichter sei, einen Roman zu schreiben, als einen Fensterrahmen zu zimmern, und daß man dazu keine Kenntnisse benötige? Und noch eines: haben Sie sich nie die Frage gestellt, wer und wozu braucht diese Schriftstellerei alle diese Romane, Novellen, Erzählungen nsw. . . . Erzählen Sie mir Ihre Gedanken, Ihre eigenen Gedanken, nicht fremde! — Sie haben Sie nicht, junger Mann! Alle angeb lich »Ihre« Gedanken sind schon tausend-, zehntanscndmal in der Literatur behandelte Gemeinplätze. In dem, was Sie mir bis her zugeschickt haben, fand ich auch nicht eine Zeile, nicht eine Phrase, die nicht bereits in Zehntausenden von anderen geschrie benen Büchern enthalten wäre! Sic sagen kein einziges neues Wort! Sie schaffen keine einzige neue Gestalt! Zum Teil hängt die Zunahme dieser Erscheinung unbedingt mit der technischen Entwicklung zusammen. Erich Lilienthal bemerkte dazu vor einiger Zeit in der »Täglichen Rundschau« nicht mit Unrecht: Büchereien und Schreibmaschine, dazu das leichte Reisen ge statten es mit großer, vorher nie geahnter Schnelligkeit, ohne be sondere Begabung, nur mit ein bißchen Belesenheit und Wort- fexerci ein Buch zu verfertigen. Da immer noch ein gewisser Nimbus um den Verfasser eines dicken Buches schwebt, wenn er auch stark im Verblassen ist, so wird die Veröffentlichung eines Buches noch heute mit viel Nachdruck von ungezählten Leuten angestrebt. Hierdurch und durch die Tatsache der Schwerverkäuf- ltchkcit entsteht das Mißverhältnis zwischen Angebot und Nach frage. Mit anderen Worten, die Honorare sinken trotz der Geld entwertung nicht nur relativ, sondern auch absolut und haben jetzt einen Tiefstand erreicht, der das Bücherschreiben zu einem für jemanden ohne andere berufliche Einnahmen kaum erschwing lichen Luxus gestaltet. Daran ist der Verlagsbuchhandel direkt in keiner Weise schuld. Er kann einfach durch entsprechende Hono rare nicht das Risiko, das mit der Buchheransgabe verknüpft ist, noch weiter steigern. Es gibt wenige fiir den Verleger finanziell sichere Autoren. Das meiste ist Lotterie oder der immer noch gar nicht seltene Idealismus, der im deutschen Verlagsbuch handel durchaus nicht ausgestorben ist, wie unzufriedene Autoren behaupten. Lilienthal fuhr dann weiter fort: Will der deutsche Verlagsbuchhandcl sich ein Verdienst er werben, dann muß er zu einer gewissen Nationalisierung schrei ten. Man könnte sich das so vorstellcn, daß die hundert größten Verlage sich bei Werken, die sie zu veröffentlichen gedenken, unter einander so weit verständigen, daß bei Arbeiten, die das gleiche Thema behandeln, wenigstens nur das beste Manuskript zur Veröffentlichung gelangt und nicht ein Dutzend ähnlicher. Das würde vielleicht das Herausbringen von Werken etwas ver- 375
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