Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.01.1935
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- 1935-01-22
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- 22.01.1935
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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^ 18, 22. Januar 1935. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Ttschn Buchhandel. französischem Leben zusammcnhingen. Nach dem Kriege löste ihn die amerikanische Salonbellclristik, die Curwood, Zane Grey usw. ab; eine Mischung von Cowboy und Coty, deren Parfüm auch bei kultivierteren Erzählern wie Hergcsheimcr zu spüren ist. Harmloser schien die Invasion des englischen Kriminalromans, weil er auf alle gesellschaftskritischcn Ansprüche offen verzichtete. Immerhin begann sich auch Edgar Wallace schon wie ein zweiter Kipling aufzuspielen, und als Ergebnis dieser wil den Ubcrsctzerei — die auch jetzt noch nicht aufhört — bleibt nur ein Schaden für die deutschen journalistischen Begabungen: die be denkenlose Reklame versperrt ihnen den Zugang zu einer sachlich einwandfreien Betätigungsmöglichkeit. Die Legende von der eng lischen Sonderbcgabung für den Kriminalroman ist von Walter Harich, Will Ambcrg und vielen anderen praktisch längst widerlegt. Neben dieser literarischen Industrie blieb die Übertragung der Dichtung auf einzelne Namen konzentriert und beutete skrupel los ihre suggestive Wirkung aus. Daß jetzt von Jack London jede Magazinnovellc, die der Redaklionsbctrieb erzwang, übersetzt vorliegt, hemmt lediglich die Verbreitung seines wesentlichen Schaf fens. Und ähnlich verhält cs sich mit den Erzählungen Gals- worthys: wie eine endlose, eintönige Tropfenreihe aus einem schlecht abgedichteten Wasserhahn folgen sie aufeinander. Solange aber für die mit uns kämpfenden Generationen der Weg zu uns versperrt bleibt, haben wir gegenüber dem fremden Lande eine ganz andere Verpflichtung als die nachträgliche Lektüre dieser verschol lenen Zeitungsliteratur. Denn zur gleichen Zeit ist beispielsweise bei uns die deutsche Gesamtausgabe von E. A. Poe — Moeller van den Bruck gab sie seinerzeit heraus — ebenso vergessen wie die von Flaubert und Baudelaire, die Übertragungen von Frank Nor- ris und Hawthorne, den Amerikanern, ebenso wie die der Engländer Meredith und Thomas Hardy. Und das ist für die gegenwärtige Situation charakteristisch. Denn der gedunsene Umfang unserer neuesten llbcrsetzungslitcratur hat längst nichts mehr mit dem Ver stehen fremder Dichtung zu tun. Der Deutsche, der hier mitgcht, verirrt sich in einem Jahrmarkt für exotische Wunschvorstellungen. Seine wahllose, stumpfe Ausnahme alles literarischen Imports ist cs, die uns immer tiefer in eine geistige Isolierung drängt. Wir müssen erst wieder dahin kommen, daß jedes von außen ver mittelte Werk die Öffentlichkeit neu aufhorchcn läßt, daß cs in die Mitte entscheidender Auseinandersetzungen tritt und den Anlaß zu produktiver Begegnung bildet. Aber das bedeutet in diesem Augen blick, neben einer quantitativen Einschränkung, vor allem die Sichtung und Ordnung des Bestandes, der sich seit einem halben Jahrhundert au verdeutschter Literatur gebildet hat. Jenseits unserer Grenzen kann man sich nur schwer vorstellcn, welches Maß an stiller, planvoller Übersetzerleistung hier vom Aktualitätcnhandel zwischen Verlegern überschrieen wurde. In die deutsche Sprache, nur in die deutsche Sprache ist heute die Dichtung aller europäischen Länder und der Vereinigten Staaten derart übertragen, daß wir sie nicht nur als in sich ge schlossene Gestalt, sondern als ununterbrochenes Geschehen in seinen übergreifenden Zusammenhängen vor uns haben. Nur wenige kennen die Tragweite dieses Riesenwerks, das heute wahllos verstreut ist und in wichtigen Teilen erst aus vergessenen Winkeln hervorgeholt werden muß. Diese Übertragungen in ihren ursprüng lichen geistigen Zusammenhang zu stellen und an ihnen die Ent wicklungsprozesse des fremden Landes zu zeigen, darin liegt in die ser Situation unsere nächste Aufgabe, sobald wir über die Grenzen sehen. In der Weltliteratur von S ch ust e r - W i e s e r, in den Dar stellungen von F o rst d e B a tt a gl ia ist zunächst dieser Gegenstoß gegen die unwirklichen Lebensschablonen ungebahnt, die das aus ländische Massenprodukt jahrelang auf allen literarischen Märkten propagierte. Und erst wenn diese Tradition deutscher Übersetzung nachträglich zur Geltung gekommen ist, erst wenn sie wiöder Maß- stäbe eingeprägt und den Blick geschärft hat, dann wird auch der Boden sür einen neuen Austausch geschaffen sein, der sich nicht mehr mit dem herkömmlichen Autorisationenhandel vergleichen läßt. Das bestimmt die klare Linie der deutschen Kritik: in der Presse, auf der Volkshochschule — wo immer es sei. Wir müssen uns recht ver stehen; wir errichten dabei keine Standbilder aus dem Geiste über nationaler Bildungsabsichten, mit denen erfahrungsgemäß die 58 Alleen von einem Krieg zum nächsten geschmückt sind. Sondern wir stellen das un wiederholbare Wesen, fremden Schaffens an seinen Höhepunkten heraus, nachdem cs jahr zehntelang durch sich selbst im übersetzten Buch bis zur Unkenntlich keit verwischt wurde. Und dabei wählen wir die Mittel, die den kulturpolitischen Forderungen des Augenblicks entsprechen. Ein kaum beachtetes llbersetzerwerk größten Stils auf der einen Seite, nämlich, als Ganzes gesehen, ein Jahrhundert Weltliteratur in deutscher Sprache (an dem unsere Ge schichten der Weltliteratur vorbcisprechen, statt cs zu erschließen) - und, auf der anderen Seite, der internationale belletri stische Fe u i l l e t o n i sm us, der sich seine Welt nach den genormten Wunschphantasien des städtischen Arbeitnehmers zu sammenbaut und seine beschränkten, ehrgeizigen Träume mit Psy chologischem Glanz überzieht — dieses Nebeneinander verrät auch, weshalb jeder Änderungsversuch scheitern muß, solange ihn nur der einzelne, ohne die geschlossene Front der kritisch Schassenden (ohne die autoritative Geltung einer Rcichsschristtumskammer), unternimmt. Es ist gewiß gut gemeint, wenn man sagt: mag nur jeder darauf sehen, daß er sich von diesem Betrieb fernhält, das führt von selbst zu seinem Ende. Mit solchen Mitteln läßt sich viel leicht ein aufgeschrecktcs Gewissen beruhigen; an der Wirklichkeit prallen sic ab, weil ihnen der Automatismus eines Welt markts gegenübersteht. Im wirtschaftlichen Grundcharalter stimmt die Situation des zwischenstaatlichen Bücheraustausches in allen Ländern überein. Denn sie wird überall von der gleichen, sclbst- zwcckhaftcn Produktion des planlosen Kapitalismus geschaffen; mit anderen Worten: von dem liberalen Wirtschaftssystem (»liberal« noch nicht einmal in dem erweiterten Wortsinne verstanden, den Moeller van den Bruck einführte), das den Handel mit Büchern ebenso betreibt wie mit jedem anderen Volksgut. Hier kann es immer nur die Kalkulation nach Absatzmöglichkeiten geben, die im Erfolg oder Mißerfolg des einzelnen Werks befangen bleibt. Und an diesen Automatismus rührt kein Widerstand des Einzelnen. Entweder saugt auch ihn dieser Weltmarkt auf und bestimmt damit sein geistiges Gesicht. Oder er läßt ihn liegen und läuft mit unver minderter Wucht weiter, ohne von dem Angriff auch nur zu wissen. Aber die kunstgerechte Kalkulation vom einzelnen Werk her kann niemals das Bild, das die Dichtung von der Nation nach außen trägt, ändern oder entscheidend beeinflussen. Denn dieses Werk hak dabei nur innerhalb einer geistigen Gesamtheit seinen Sinn, und statt des Absatzes gibt jeweils die öffentliche Auf nahmefähigkeit und die Reichweite den Ausschlag. Die Aufnahmefähigkeit kann erschöpft sein, die Reichweite gleich null — E i n z e l erfolge lassen sich durch Ausnutzung peripherer Faktoren (Suggestion des Namens, zeitgeschichtliche Aktualität des Stoffes usw.) trotzdem noch erzielen, wobei das Gesamtprosil des Landes immer mehr entstellt wird. Auch das ästhetische Urteil bleibt am Einzelwerk hängen, ohne bis zur Situation durch- zudringen, und der Weltmarkt unterwirft sich ihm deshalb gelegent lich nicht ungern. Nein, worum es hier gehl — die Gestalt des kollektiven Schaffens, der charakteristische überpersönliche Ausdruck des dichterischen Bildens im Wort, der das Volkstum zum Selbst bewußtsein bringt — darüber kann nur das politische, das kulturpolitische Urteil entscheiden. Was hier der Weltmarkt ruiniert hat, läßt sich nur durch politische Führung wieder ausbaucn. Poli tische Führung, die nicht Bücher exportiert und importiert, sondern geistigem Leben in repräsentativer Gestalt den Weg bahnt. Und was jeweils die Entscheidungen des Volkstums so darstellt, daß es vor diesem politischen Maßstab bestehen kann, das besitzt schon kraft seiner geistigen Verdichtung auch ästhetische Gültigkeit. Die Verwandlung des Weltmarkts in eine sinnvolle Ordnung wird den Deutschen wieder vor das wesentliche, fremde Werk füh ren — wir suchten die Wege einer politisch geführten Kritik hier wenigstens zu punktieren. Was sieht aber, umgekehrt, die Lebens gemeinschaft des fremden Volkes, wenn sie von außen her die Wendung der d euIs ch en D i ch tu n g zu verstehen sucht? Natür lich, wo die zentrifugale Bewegung des deutschen Schaffens immer noch abgefangen wird — wo man das geistige Bild, das sie weiter trägt, zu zertreten sucht —, da schien allerdings überhaupt alle Voraussetzungen für diese unsere Überlegungen. Aber heute beginnt
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