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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.06.1928
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- 1928-06-18
- Erscheinungsdatum
- 18.06.1928
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5260 X-139, 18. Juni 1928. Fertige Bücher. Ein Brsuchbei Fron; Senat Weit dehnt sich der brasilianische Camp, über dem immerwährend ein Brandgeruch liegt und der von Ge hölzen und Buschwald reich durchsetzt ist. Tagelang reitet man, Drahtzäune, Viehherden und brütende Sonnenhitze als stete Begleiter, dann und wann der Kampo eines Gauchos oder die bescheidene Venda — Kaufladen — eines Geschäftsmannes, der Zucker rohrschnaps und wenige Lebensmittel an die spärlich gesäte Campbevölkerung verkauft. Nach Tagen taucht eine Stadt auf, Sao Angela, die ebenso trostlos und öde ausschaut wie all die anderen Camp-Oertchen, die man bisher traf. Lehmige Straßen, von denen im Sommer Zentner von Staub aufwirbeln, Militärkasernen, in denen Mestizen in gelben Khaki-Uniformen mit Galgenvögelgesichtern umherlungern, und in der Hauptsache Holzhäuser, von denen jedes zweite einen Geschäftsladen birgt. Und während ich im Schritt durch die Gassen reite — mein Gaul war müde, und sein Herr sehr durstig! — steht da überm Fensterglas eines Ladens: Padaria do Francisco, Bäckerei des Franz, und ich weiß plötzlich, daß ich am Ziele bin. Als ich eintrete, steht hinter dem Verkaufstijch eine mittelgroße, stämmige Gestalt, die Shagpfeife im Mund, Lederschlappen an den Füßen und ist, hemdärmelig und freundlich, der Schriftsteller Franz Donat, dessen Abenteurerromane »drüben«, d. I. Deutschland, wohl die meistgelesenen Bücher des letzten Jahres sein dürsten. Eine volltönende, an genehme Stimme begrüßt mich, zwei strahlende Blau augen, aus denen eine grundreine, kindsaubere Seele herausschaut, drücken ehrliche Freude über den Besuch aus, und, che ich mich versehe, ist mein Pferd abgesattelt und fortgeführt, und ich sitze Franz Donat bei einem Glase Wein gegenüber. Gebe ihm getreulich Auskunft darüber, wie es in der alten Heimat ausschaut, und sage ihm Dank für den Genuß, den mir und vielen anderen seine wunderhübschen Romane bereitet haben. Und da ist keine Schmeichelei dabei, denn wer diese schlichten ehrlichen Bücher liest — --Paradies und Hölle» und »An Lagerfeuern deut scher Vagabunden in Südamerika- sStrecker und Schröder, Stuttgarts — der ist beglückt von dem kühnen, echt deutschen Wagemut und der klaren, reinen Gedankenwelt des Verfassers. Als ich ihm so etwas Ähnliches sage, leuchtet einen Augenblick Helle Freude in seinen Augen aus. »Werden meine Bücher gute Dauerware bleiben?» fragt er. »Ich will nicht sensationell wirken, sondern in hundert Jahren noch gelesen werden.» Ich freue mich, ihm sagen zu können, daß ich an die Dauerware glaube, und er holt mit scheuem Stolz einige Zuschriften herbei, die ihm angesehene reichsdeutsche Schriftsteller sandten. Molo, Münchhausen, Winnig u. a. sind vertreten, und von dem letzteren meint Donat: »Den Winnig möchte ich wohl mal kennenlernen, er muß ein feiner Kerl sein. Ich habe sein ,Frührot' gelesen.» »Fahren Sie doch einmal nach Deutschland, Herr Donat!» »Nein, das geht nicht, leider nicht. Es ist ja mein Herzenswunsch, aber ich muß hier für Frau und sechs Kinder sorgend Dann stand er wieder, hemdärmelig, in Schlappen am Ladentisch und verkaufte. Seine ruhige Stimme, auch portugiesisch nicht schnatternd, sagte einem alten Manne Freundliches. Am nächsten Morgen las Franz Donat mir eigene Verse vor, entzückende Sachen darunter. »Das möchte ich nie veröffentlichen! Die anderen Sachen kann der Spott fremder Leute überschütten, ich lache darüber oder schreibe eine grobe Antwort. Denn grob kann ich sein!» Man glaubt es ihm nicht, und wenn er solch eine Antwort vorliest, dann spricht daraus auch nur echt deutscher Humor, ein lächelndes Sichlustigmachen über die Zweifler und Neider, kaum eine Grobheit. »Aber an meine Gedichte, die mit Herzblut geschrieben sind, möchte ich die Schnüffelnafen nicht heranlassen.» »Meine Studierzimmer!» stellt er vor. Ein Heller Raum, darin neben einem großen Schrank ein langer, einfacher Tisch. Hefte, Bogen, Korrespondenzmappe, Locher, Schnellhefter, Briese im Durcheinander. An kalkgetünchler Wand deutsche Landschaftsbilder, ein gerahmt das Rio Grandenser Wappen, Familienphotos. Auf dem Schrank Jndianerwaffen. Das Ganze schmuck los und schlicht, wie Franz Donat selbst. Im Laden eine Schublade mit unzähligen Brie fen und Zuschriften. Oben daraus ein versandfertiges Exemplar seines letzten Buches. An Winnig, ---den ich wegen seines großen Menschentums sehr verehre!» Menschentum, ja, hier findet er es wohl selten. Ver kauft er doch mit dem Trommelrevolver unterm Laden tisch und mußte schon oft die Waffe herausreißen, so wild ist das Land und so spärlich das, was er Menschen tum nennt. Beim Vorlesen der Briefe von bekannten reichsdeutschen Schriftstellern meint er: »Wie froh bin ich, jetzt in so gute Gesellschaft gekommen zu sein! Hier springt man tagsüber, wenn für 280 Reis» — etwa 10 Pfennige — »Schnaps verlangt wird, für weiße Banausen, schwarze Arbeiter und übelstes Mestizen volk. Und weiß doch, du stehst all dem meilenfern und hast Schriftsteller von gutem Ruf zu Bekannten!« Ich schlief in einem Vorratsschuppen in einem Feldbett, eine Glucke mit Küken und ein Kätzchen mit Jungen im Raume, Säcke und Fässer ringsum. Und als ich dann weiter ritt, nach gern gebotener zwei tägiger Gastfreundschaft, nahmen wir herzlichen Ab schied voneinander. Den breiten Sombrero schwenkend, sah ich in seinen Sonnenaugen so etwas wie Schwer mut und Wandersehnsucht leuchten. Bruno Fricke (Brasilien) in der Berliner Börfenzeitung vom 9. März 1928.
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