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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.08.1933
- Strukturtyp
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- 1933-08-10
- Erscheinungsdatum
- 10.08.1933
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- Deutsch
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VMMMMwMlltsckLNMaM Nr. 184 (R. 89). Leipzig, Donnerstag den 10 August 1933. 1ÜÜ. Jahrgang. NeÄMromüer TA Wer hilft nun dem Buchhandel? Bon Karl Rauch, Herausgeber der «Literarischen Welt«. Die Stagnation des deutschen Buchhandels stammt nicht erst von heute und gestern. Sie hat eigentlich bereits sehr bald nach der Inflation eingesetzt, jener verhängnisvollen Epoche, die auch dem Buchgeschäst eine Scheinblüte bescherte, damals als Ncureichs Lederbände mit Goldstempel gleich welchen Inhalts hnndcrtmeter- weise lausten und ganze Verlagskonzerne von der honorarsreien Klassikersabrikation am laufenden Bande »florierten«. Kein wirklicher Buchhändler, der aus innerer Berufung heraus arbeitet, wird diese Zeiten zurückwünschen. Aber nötig ist ihm, daß die krisenhafte Beunruhigung und Störung, die seit her den Weg des deutschen Buches erschwert und hindert, endlich einer organischen und gesunden Entwicklung weiche. Mit Bitter keit denkt der Buchhändler an die ruinöse Erscheinung des Zweimarkfünfundachtzig-Buches und den dadurch bedingten Umsatzleerlauf, der bei gleichzeitiger Anziehung der staatlichen Steuerschraube die gefestigtste Bilanz erschüttern mußte. Mit Bitterkeit denkt er an jene verhängnisvolle Not- v e r o r d nun g des Brüning-Regimes, die in tragikomischer Ver kennung das Buch zum »Markenartikel« stempelte und durch den z w angsmäßigen 1 Oprozentigen Preisabbau nicht allein die Lagerbeständc entwertete, sondern auch die letzte Gewinnspanne sortnahm, während ihre Schöpfer (weltfremde Bürokraten!) ernsthaft geglaubt hatten, mit solchen Mitteln um satzsteigernd und »ankurbelnd« zu wirken. Mit Bitterkeit denkt er an das Anwachsen des N eu i g k e i te n f i mmcls, der ein vor acht Wochen erschienenes Buch schon als »alt« bezeichnete und nur nach dem Allerneuesten noch begehrte. Mit Bitterkeit denkt er an die sich in Konsequenz dieses Neuigkcitenfinimcls sinnlos überstürzende vcrlegerische Produktion, der viel fach nicht allein die innere, geistige Auswahl, sondern auch die kaufmännische Verantwortung mangelte. Mit Bitterkeit denkt er an die jede geistige Haltung und Richtung zerstö rende Reklametrommel, die für die zersetzende Zivili- sationslitcratur in Szene gesetzt wurde und die letzten Reste eigenen Urteilsvermögens innerhalb der Käufcrschaft zu beseitigen drohte. Mit Bitterkeit denkt er an das Emporschießen der Leih bibliotheken an jeder Straßenecke . . . Mit Bitterkeit . . . Aber wenn in ernstem Nachdenken die Bitterkeit der Selbstbesinnung weicht, dann wird der unter dem Druck der Verhältnisse leidende Buchhändler sich vor sich selber zugcstehen müssen, daß — wie bösartig auch immer die Entwick lung gewesen ist, die über ihn hereinbrach — ein nicht geringes Teil Schuld ihn selber trifft. Und wenn er's recht bedenkt, dann wird er vor Conrad Ferdinand Meyers Versen sein eigenes Ver sagen empfinden: »Da wandl' ich über meinem Grabe hin . . . Mich reut's, daß ich nicht Hutten stets gewesen bin!« Oder wo ist in der Großstadt oder in der Provinz der Sorti menter, der standhaft sich geweigert hat, mit dem Verschleiß Hunderter von 2.8S-Büchern sein eigenes Grab zu schaufeln? Wo ist er, der, statt dem Neuigkeitenrummel sich preiszugeben, bedacht und energisch eine bescheidene, aber sichere Zukunft baute, indem er durch eine wohlüberlegte Erziehungsarbeit den ewigen Werten bewährter Bücher diente — ohne Rücksicht auf Erschei nungsjahr und Berlagsreklame? Wo ist der Buchhändler irgend einer Stadt, der so zuverlässiger Berater und kultureller Führer einer Gemeinschaft von Menschen geworden ist, die seither sich nicht nur als »Käufer« fühlen? Wo ist er, der Sortimenter, der kraft seiner Erkenntnis, seines Willens und seiner Haltung die lächerliche Bildungsschranke zerbrochen hat, die das »gemeine Volk» weitab vom Ladentisch des approbierten Buchhändlers hält? Wo ist er, dem es durch seine eigene Persönlichkeit und durch eine entsprechende Erziehung seiner Gehilfenschaft gelungen ist, den ein fachen Arbeiter zum gern gesehenen und wiederkchrenden Besucher seines Geschäftes zu machen? Warum blühten denn die sozialdemokratischen Partcibuchläden auf und schossen die von ältlichen Rentnerinnen und ehemaligen Zigarrcnhändlern geleiteten Leihbüchereien wie Pilze empor—selbst in den kleinen Städten? Weil der Mehrzahl der Sortimenter ihr apothekcrmäßiger Standesdünkel wichtiger war als Dienst an der Bildung des Volkes, und der Börsenverein »verwaltete«, anstatt zu führen. Nirgends siel der Klasscngeist des weimarischcn Deutsch land stärker ins Auge als in dem Aussehen der führenden Buch handlungen und ihrer Schaufenster. Die Volksfremdhcit, in die hinein vor schmaler Ladenkasse der Buch händler sich selber gelebt hat, ist der Kern der Buchhandelskrise. Genau so wie die Volksfremdheit der Träger des Staates von Weimar die Krise und das Ende dieses Staates zur Folge hatte. Oder ist — als die Bewegung der natio nalen Erhebung Millionenhaft anwuchs — irgendwo irgendein Buchhändler offen und bewußt mit dem ganzen Einsatz seines Ge schäftes in die Reihen des erwachenden Volkes eingetrcten? — Zu neunundncunzig Prozent sah das Sortiment zu, daß im Nachbar haus oder gegenüber sich eine NSDAP-Buchhandlung etablierte, überließ es die zugehörige Literatur und deren Käufer dieser, gab es von Etappe zu Etappe eigene alte Kundschaft dorthin ab und wehklagte über die Böswilligkeit der Zeitläufte. Setzen wir uns bloß keine Scheuklappen an! Geben wir getrost zu, daß es so war und daß es im vergangenen Deutsch land bis gestern im Grunde so sein mußte! Machen wir uns gar nichts vor! Streuen wir uns nicht selber Sand in die Augen! Nur wenn wir ganz klar und unumwunden erkennen und zugcbcn, wie es gewesen ist, nur wenn wir die begangenen Fehler rückhalt los erkennen, wird es möglich sein, aus ihnen zu lernen und sie zu überwinden. Erste Erkenntnis: Wir sind allzumal Sünder! Und das Schick sal, das den Buchhandel getroffen hat, ist zum guten Teil Frucht seines eigenen Versagens. Zweite Erkenntnis: Die neue Zeit hat nicht nur begangene Fehler erkennen lassen, sie öffnet gleichzeitig Wege zu neuen Mög lichkeiten. Dritte Erkenntnis: Diese neuen Möglichkeiten aber werden nicht gewonnen durch mechanische »Gleichschaltung«, sondern durch radikale Wand lung. Wie der neue Staat dauernden Bestand nur gewinnen wird durch einen neuen Menschen, so wird auch der Buchhandel im neuen Staat Dascinsrccht und Aufblühmöglichkeit nur gewinnen durch einen neuen buchhändlerischen Stand, der die menschliche Wandlung einschlicßt. « Einige, und es sind gar nicht wenige, die haben während der letzten Wochen die Stapel Stefan Zweig und Heinrich Mann ihres Lagers ausgewechselt gegen Stapel von Hitlers »Mein Kampf«, Hans Grimm und Kolbenheyer — und sie sangen nun bereits an zu jammern, weil trotz dieser »Wandlung« das Geschäft nicht etwa besser, sondern sachte noch schlechter geworden ist. Es kann einen selber jammern vor solcher Harmlosigkeit. Das Aushänge schild allein macht gar nichts — und wer sich einbildet, die Lebens werke der deutschen Dichter, die selbst zu lesen ihm schwer ankommt, 58S
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