Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.04.1935
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- 1935-04-25
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ZK SS, 25. April 1935. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Maria Apfelbaum gibt es die »Vegetarische Hausmannskost« (Oranienburg 1914), und ein F. W. Neger untersuchte den »Ursprung der Kokosnuß« (1992). Ein hobrätscher Gelehrter Namens Canaan schrieb über den »Dämonenglauben im Lande der Bibel« (Leipzig 1929), und ein O. Ocker über »Die gelbe Gefahr« (in Ostasieu) (1908). Dem Dichter Fr. Schnack verdanken wir das schöne »Falterbnch« (Leipzig 1030), dem Gelehrten Ed. Hahn das wertvolle Buch über »Die Haustiere in ihren Beziehungen zum Menschen« (Leipzig 1896), und »Über Blumenkohl und Verwandtes« schrieb A. Wurm (1901). W. Hein (nicht der »Freund Hein«) untersuchte die Geographische Verbreitung der Totenbretter« (Wien 1894), und der Münchner Geo loge Edw. Fels die »Kare und Wände« der Alpen (1920). Von vr. N. Malade gibt es verschiedene medizinische Schriften, von F. C. Medicus »Beobachtungen aus der Arzneiwissenschaft« (Zürich 1764). Eine Autorität für »Riechstoffe, ihre Geschichte usw.« ist A. Ganswinü (Leipzig 1922), ein Verfechter der Friedensidee, worüber er vielfach schrieb, war der Schweizer Zl. H. Fried, und ein wichtiges Werk über »Herzkrankheiten« ist von vr. Max Herz. Uber »Seeliges Nacktsein« schrieb ein entsprechend illustriertes Buch Lotte Herrlich (Hamburg 1925), während Herta Kokott Betrachtungen über »Liebesleben und Sternenmacht« veröffentlichte (Berlin 1925). Noch kurioser wirken die Titel der zweiten Gruppe, bei denen sich Verfassername und Wert meist direkt in ironischer Weise gegenüber stehen: denn es ist doch mehr wie originell, wenn der Direktor der Würzburger Singschule Naimund Heuler heißt und verschiedene Werke über Singen und Gesang schreibt (1900—1910), oder wenn ein G. Grunsky über die »Einheit der Tonkunst« berichtet (1923). Auch die Schrift von F. Ohnmacht über »Gesunde Menschen« (Troppau 1926) gibt zu denken. Oder was soll man gar von »Plane und Hoff nungen für das neue Jahrhundert« halten, wenn der Verfasser P. Zweifel heißt, wie einen Komponisten schätzen, wenn derselbe den Namen Krempelsetzcr führt, und wie den Deutungen eines Astro logen Glauben schenken, wenn derselbe Bernhard Unglaub heißt und trotzdem unser Leben nach dem Planetenlauf deuten will (1928). Wer je von Ludwig Tieck den »William Lowell« gelesen, weiß was für eine wilde und liederliche Gesellschaft in diesem Noman tobt, und wird sich dann nicht wundern, wenn er liest, daß eine große Untersuchung über dieses Werk von F. Wüstling stammt (1912). Schriften über den an sich gefährlichen Anarchismus scheinen harmlos zu sein, wenn der Verfasser derselben Sanstleben heißt (18W), und wer »Über den Dünger« schreibt, kann wohl nur Hazzi heißen (1826). Verkehrt ist es allerdings, wenn ein Jurist, der die »Rechtsprechung der österreichischen Gerichte« herausgibt (Wien 1888), ausgerechnet Links heißt, oder wenn ein B. Laquer (bekanntlich die plattdeutsche Form für Likör) über »Trunksucht uud Tempereuz« (Wiesbaden 1905) schreibt. Hans Beil hack. „Volkhafte Dichtung der Zeit" Unter diesem gemeinsamen Thema standen sechs Dichterabenöe in verschiedenen Stadtteilen Berlins, zu denen in der Woche vom 8. bis 13. April der Oberbürgermeister von Berlin, das Stadtamt für Kunst und Bildungswesen und die NS-Kulturgemeinde eingeladen hatten. Ziel und Zweck dieser Dichternbende war, Dichter der deutschen Land schaften dem Menschen der Großstadt nahezubringcn. Es kam über zeugend zum Ausdruck, daß der Dichter in unserer Zeit kein Leben für sich, außerhalb der Gemeinschaft lebt, sondern mitten drin steht und das gestaltet, was uns alle bewegt. Die Abende hatten außerdem den anderen Zweck, das Kulturgut, das in den städtischen Büchereien liegt, lebendig zu machen und in Verbindung zu bringen mit dem Volk. Am ersten Abend las Ku r 1 Kluge in Charlottenburg. Stadt bibliotheksrat vr. Jansen gab eine kurze Einführung in das Werk des Dichters: »Wer den Dichter will verstehen, muß in Dichters Lande gehen«. Heimat und Volk sind des volkhaften Dichters Lande, in Heimat und Volk wurzelt das Schaffen Kurt Kluges, der zugleich Bildhauer und Erzgießer ist. Seine Entwicklung ist wesentlich be stimmt durch die Landschaft Thüringens. Hier spielen auch seine beiden Romane. Er ist in seinem Werk eng verbunden mit dem Landschaftlichen und Handwerklichen; was seine beiden Werke, die »Silberne Windfahne« und der Roman »Der Glockengießer Christoph Mahr« zeigen. Mrt Kluge las zwei Kapitel aus den beiden ge nannten Romanen. Er ließ den Hörer einen Blick tun in sein Werk und zeigte darin die Gemeinsamkeit aller Schaffenden. Am zweiten Abend las in Horst-Wessel-Stadt Johannes Linke, der vor zwei Jahren das erstemal an die Öffentlichkeit trat mit seinem Noman »Ein Jahr rollt übers Gebirg«. Nach der Be grüßung und Einführung betonte Linke, daß er, wie jeder Dichter, zum Volke sprechen möchte. An einer Zeit, in der ein Dichtwerk nur einem kleinen Kreise zugänglich sei, sei irgend etwas nicht in Ordnung. Ob es daran liege, daß der Dichter seine Aufgabe ver kenne, daß die Hörer nicht geschult sind, auf fremde Klänge gelauscht haben, sei dahingestellt — die Kunst kommt aus dem Volke, ist ohne das Volkstum, ohne das Volk, das sie empfängt, nicht möglich und sinnlos, denn das Volk hat sie ursprünglich gespendet und muß sie nun wieder zurücknehmen. Linke las Gedichte aus dem Band »Der Baum« und ein Kapitel aus dem Noman »Ein Jahr rollt übers Gebirg«. Am 10. April hörte man in Lichterfelöe Paul Al verdes, den Rheinländer, aus dessen Dichtung die starke Einwirkung des Weltkrieges deutlich zu spüren ist. Nach einer Einführung, die mit seinen Werken bekannt machte, las der Dichter zuerst die kurze Er zählung aus dem Buch »Ncinhvld oder die Verwandelten«: »Der Nebenmann« sowie andere Erzählungen und Legenden. Am 11. April las Friedrich Griese in Köpenick. Bü ier- meister Mathow kennzeichnete den Dichtcrabend als einen Aus teich zu den Sorgen des Alltags; der Seele soll hier ihr Recht werden. Er wies darauf hin, daß auch Friedrich Grikse einer von den deut schen Dichtern war, die in der vergangenen Zeit nicht zu Worte kamen, deren Werk von der Systempresse verneint und sogar ver spottet wurde. Jetzt sind seine Bücher den Menschen der Stadt wieder ein Wegweiser zu den verlorenen Kräften aus Blut und Boden, aus der Zeit, da auch ihre Väter noch Pflüger und Handwerker waren. Im neuen Deutschland, sagte Alfred Nosenberg einmal, müssen suchende, ringende und schaffende Kräfte und Talente unter stützt werden; es darf nicht mehr sein, daß große Dichter erst ver hungern müssen, damit man ihnen nach ihrem Tode ein Denkmal setze. Friedrich Griese las zunächst aus dem Eingangskapitel seines Romans »Das letzte Gesicht«, dann aus einem noch nicht veröffent lichten Manuskript »Die Wagenburg«. Im überfüllten Natsherrn-Sitzungssaal des Rathauses Berlin- Mitte las am 12. April der Tiroler Dichter Erwin H. Rain- alter. Bezirksbürgermeister Lach begrüßte die Gäste und wies darauf hin, daß die Kunst den Weg zurück zum Volke finden müsse, um wahr und echt zu sein, und daß es nicht allein auf den Dichter ankomme, daß auch der Buchhändler und der Leser dazu beitragen müßten. Der Buchhändler habe die verantwortungsvolle Aufgabe, die echte Kunst dem Volke zu vermitteln. Er schloß mit den Worten unseres Führers in »Mein Kampf«, die vom richtigen Lesen sagen. Stadtbibliothcksrat Nicklisch führte darauf in das Werk des Dichters ein. Sehr treffend leitete das Lied (gespielt von der Nundfunkspiel- schar der Hitlerjugend) »Zu Mantua in Banden« über zum Vortrag des Dichters, der aus seinem noch unveröffentlichten Werk »Der Sandwirt« zwei Kapitel las: »Maischlacht am Berge Jsel« und »Die Gefangennahme Andreas Hofers«. Den Abschluß der Reihe bildete der Abend mit dem Arbeiter dichter Heinrich Lersch in Neukölln. Kaum hat er begonnen zu lesen und vorzutragen, >so ist die Verbindung hergestellt zwischen Dichter und Hörer; es entsteht eine Gemeinde, eine Gemeinschaft, die dem Wort des Dichters lauscht, von ihm gepackt und aufgerüttelt wird. Heinrich Lersch, der Arbeiter, der Dichter aus dem Volk kommt zu seinem Volk und spricht von sich, seiner Jugend, seiner Arbeit, von seinem Weg. Er liest Gedichte aus »Mensch im Eisen« und »Mit brüderlicher Stimme«. Nachdem Heinrich Letsch von sich selbst er zählt und gesprochen hat über sein Werden, Wachsen und Reifen liest er die Erzählung »Der kleine Maschinist« aus seinem neuen Buche »Im Pulsschlag der Maschinen«. Hier setzt er dem unbekannten »Soldaten der Arbeit« ein Denkmal. Er spricht von dem stillen und deshalb großen Heldentum des unbekannten Arbeiters, von der »Hingabe des Arbeiters an sein Werk, der sein menschliches Leben zur Seele der Maschine, zu ihrem fehlenden Geist umsormt, damit sie nicht vernichte, was sie bilde«. — Eingeleitct wurde der Abend durch eine Begrüßung von Stadtrat I. Eilemann, der über die Auf gabe dieser Dichterabende sprach und dann ein Bekenntnis ablegte zu dem Arbeiterdichter Heinrich Lersch und mit dem Wort schloß: »Arbeit ist auch Gottesdienst«. Umrahmt wurden die Dichterabende durch Musikvorträge, die in Gehalt und Darbietung dem Werk der Dichter entsprachen und damit den tiefen Gehalt der Abende noch unterstrichen. Warmer und herz licher Beifall lohnte den Vortrag der Dichter und zeigte daraus das wachsende Verständnis für das Werk unserer deutschen Dichter. W. L. 325
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