sich, kaum hochgekommcn, wieder dein Niedergang zu. Aber uns auf der Eisbahn kümmerte das nicht. Das kratzte und schrammte, klirrte und schliff durcheinander, daß man gut und gern darauf stolz sein durste. Pelzbesetzte Jäckchen und offene Män tel, blaue Augen und schwarze Augen, schön- gebogene Hüte und ausdrucksvolle Pelzmützen, geschwungene Muffe an der freien Hand, und die andere im feinen Handschuh an der Hand des Partners, der stolz und ansehnlich seines Wegs zog wie ein Planet — so mußte man leben, so ver trieb man des Todes Bitterkeit. Fleißig strich ich bei den Bänken vorbei, wo an- und abgeschnallt wurde, und wo es immer einmal ein wohlgcform- tes Mädchcnbein zu sehen gab. Am Ende haue ich aber ein ganzes Mädchen in der Gewalt, das sich aus seinen Schlittschuhen übel weiter half und froh war, als ich mich anerbot. Es war offen sichtlich ein Fräulein aus guten Kreisen; wie hoch hinauf es ging, wußte ich ja nicht, aber man konnte sich bei ihren netten Kleidern und ihrem Betragen alles mögliche vorftellen. Einmal winkte sie schüchtern lachend einem andern Mäd chen zu, das einen flotten Galan hatte und mit ihm dahinsauste, als ob sie mit Dampf führen. „Es ist meine Schwester!" erklärte sie halb ver legen gegen mich. „Sie haben mich einfach mei nem Schicksal überlassen. Es ist eine Gemeinheit. Die sollen bloß warten bis nachber." „O ich bin gar nicht traurig über die Gemein heit", versetzte ich froh und ehrlich. „Auf die Weise darf ich Ihnen helfen." „Wird Sie das aber nicht zu sehr langweilen?" fragte sie. „Ich kann ja eigentlich noch gar nichts." „Im Gegenteil, ein Vergnügen wird es für mich sein. Ich habe ja auch niemand. Und Sie stehen doch schon ganz gut auf Ihren Schlitt schuhen. Sitzen die denn fest an Ihren Schuhen? Das ist nämlich die Hauptsache." „Ich weiß ja nicht", klagte sie. „Emil hat sie mir schnell angeschnallt und ist dann wcggelausen. Emil ist nämlich mein Schwager." „Ja, die Schwäger kennt man", stimmte ich kenntnisreich bei. „Wir wollen doch zuerst Nach sehen. Schnell ist was Dummes passiert." Ich führte sie zur Bank zurück. Sie zog die Röcke ein wenig hoch, und ich untersuchte umständ lich und genau, ob die Schrauben auch fest saßen, und den linken Schlittschuh erklärte ich abnehmen und erst richtig ansetzen zu müssen. Dazu gab sie noch ein bißchen mehr Raum, und etwas so Fei nes und Vornehmes hatte ich noch nicht in den Händen und vor Augen gehabt. Mir machten die Beine von jungen Frauen immer einen so hilflosen Eindruck, der eigentlich noch viel weniger meine Begehrlichkeit reizte als meine Ritterlichkeit, aber dann war es doch immer eine begehrliche Art von Ritterlichkeit. Nachher bemächtigte ich mich ihres Armes. Der steckte in einem blauen Mantel ärmel mit einem schmalen grauen Pelzbesatz vorn, der mich vertraulich am Handgelenk kitzelte, daß mir ganz wohl und freundlich zu Mut wurde. Manchmal, wenn sie den Stand verlieren wollte, faßte sie mit beiden Händen nach meiner Rechten, und es kam auch vor, daß sie mir mit offenem Mund und erschreckten Augen an die Brust tau melte. Dann redete ich ihr beruhigend zu. Ich kam mir sehr sicher und weltmännisch vor. „Jetzt wie der links, rechts, links, rechte!" kommandierte ich diskret und leise, damit es nicht alle hören sollten. Sie hing mit ihrem ganzen, warmen, lebendigen Gewicht an meinem Arm, und ihre Füße wollten überallhin, nur nicht dahin, wohin sie sollten. Manchmal kamen wir mit allen vieren wild durcheinander, Knöchel an Knöchel und sogar Knie an Knie, und wir mußten zuerst eine Weile ganz eng umschlungen stehen bleiben, bevor sie wieder Stand hatte. Schließlich lagen wir beide auf dem Eis, sie über mir; diesmal hatte sie es gar zu toll getrieben. Ich hob sie auf, wischte sie ab und machte ihr Mut, es noch einmal zu versuchen, obwohl sie jetzt schon recht verängstigt war. Immer wieder schaute sie nach ihren Verwandten aus, aber das schienen zwei rechte Luder zu sein. Ganz flüchtig hatten sie sich einmal eingefunden, um schnell zu sehen, was sie machte, und mit wem sie da eigentlich herumzog, und schon waren sie wie der weit. Als der zunehmende Mond über der Stadt ausging und mächtig in den gefrorenen Dünsten in die Breite schwoll, sprach sie vom Hcimgehen. Aber eS war noch ganz hell; kein Mensch wollte fort, jetzt, wo es gerade schön wurde. Da tat sie noch ein Dutzend Schritte mit mir, aber als sie schon wieder in meinen Armen lag, erklärte sie bestimmt, zur Bank zu wollen,