mut alter Weiber. Doch eö waren nicht verlassene Kinder, sondern die Katzen von Poghonoluk, Azir und Bitias. ,Die Katze bat sieben Seelen und jede Seele besitzt eine eigene Stimme. Des halb musi man Katzen siebenmal töten ehe sie sterben/ Die Wabrheit jedoch war, daß die Katzen von Poghonoluk, Azir und Bitias der Auszug ihrer Hausherren gänzlich kalt liesi, denn nur dem Hause dienen sie mit ihren sieben Seelen und nicht den Menschen. Vielleicht war ibr Wei nen ein Frcudenchor nicht mehr behinderter Lie- bcsfrcibeit. — Die Hunde aber litten wirklich. Selbst der wilde Hund der syrischen Dörfer kommt vom Menschen nicht loS. Er kann nicht zurückfinden zu sich selbst, zu Fuchs, Schakal und Wolf. Mag er auch seit unzähligen Generationen schon verwildert sein, er ist und bleibt ein ent lassener Angestellter der Zivilisation. Sehnsüch tig umlauert er die menschlichen Behausungen, nicht nur um einen Knochen bettelnd, sondern um Wiederaufnahme in die Sklaverei und Ein stellung in den vergessenen Dienst. Die wilden Hunde der Dörfer wußten alles. Sie hatten das Lager auf dem Damlajik schon entdeckt. Und sie wußten auch, daß ihnen dieses Lager, anders als die Dorfftraße, streng verschlossen war. Wirr und verzweifelt besprangen sie den Berg des Verbo tes, knackten durchs Unterholz, raschelten im Myr ten- und Arbutuögebüsch wie Schlangen. Kei nem von ihnen kam der befreiende Einfall, in die moslemische Nachbarschaft auszuwandern und in Chalikhan oder Ain Ierab seinem Knochenerwerb nachzugehen. Sie blieben an dieses ungetreue Volk gebunden, das die gemeinsame Wohnftatt verlassen hatte. Die Seele verging ihnen vor wildem Leid und doch wagte keiner sein einsilbi ges Vellen hervorzustoßen, dem die kultivierte Schmiegsamkeit der Haushundsprache mit ihrem reichen Wortschatz schon längst verlorengegangen war. Die ganze Angst ihrer Seele stieg in die Augen. Gabriel sah überall im Dunkel das grüne Feuer dieser überschwenglichen Hundeaugen, die den Bannkreis nicht zu überschreiten wagten. Der Mond war im Rücken des Musa Dagh verschwunden. Ein blasser Wind entkeimte dem Kosmos. Jetzt sind alle schon oben, dachte Ga briel, an dem vor mehr als einer Stunde schon die letzte Sippe vorübergezogen war. Und doch, er IZ konnte sich aus Müdigkeit oder aus Einsamkeits bedürfnis von seinem nächtlichen Beobachtungs- Posten noch immer nicht losreißen. Er wußte ja nicht, ob er in seinem ganzen Leben noch einmal mit sich selbst werde allein sein dürfen. Und hatte er nicht dieses Alleinsein stets als das größte Ge schenk des Himmels gedeutet? Noch eine halbe Stunde solchen außerwcltlichen Friedens gestand er sich zu, dann wollte er schnell zur Nordstellung hinauf, um die Grabenarbeiten zu überwachen und vorwärtszutreiben. Er lehnte sich gegen die Eiche in seinem Rücken und rauchte. Da stieg aus der Finsternis noch ein äußerst verspäteter Nach zügler empor. Gabriel hörte klappernden Huftritt und wegab rauschende Steine. Dann sah er eine Laterne, einen Mann und einen hochbepackten Esel. Das Tier brach bei jedem Schritt unter der Last beinahe zusammen. Doch auch der Mann schleppte einen gewaltigen Sack, den er alle zwei Minuten wildkeuchend auf den Boden sehen mußte. Gabriel erkannte den Apotheker erst, als der Sack zu seinen Füßen niederplumpste. KrikorS Gesicht war völlig entstellt, die gleichmütige Man darinenmaske zu einer barbarischen Göttcrfratze verzerrt. Der Schweiß rann ihm über die po lierten Wangen in den langen Bocksbart, der atemlos auf- und niederwippte. Er schien große Schmerzen zu leiden und krümmte die Schultern vor. Gabriel Bagradian gab sich zu erkennen: „Sie hätten den Drogensack meinen Leuten mitgeben können, statt Ihre ganze Apotheke selbst zu schleppen." Krikor rang noch immer nach Atem. Dennoch vennochte er in seine Worte eine gewisse Ver ächtlichkeit zu legen: „Dies hier hat mit der Apotheke nichts zu tun. Die habe ich schon vor vielen Stunden hinauf geschickt." Gabriel Bagradian hatte längst bemerkt, daß sowohl der Esel als auch der Apotheker aus schließlich mit Büchern bepackt waren. Aus einem dunkeln Grund erregte diese Tatsache seinen Är ger und zugleich den Wunsch, KrikorS ein wenig zu spotten: „Verzeihen Sie meinen Irrtum, Apotheker! Ist das hier Ihr ganzer Proviant?" Das Gesicht KrikorS hatte sich beruhigt. Seine Augen ruhten wieder gleichmütig auf Gabriel: