>8 I.LO Aus dem Roman „Sr. Pctri-Schnee" Der heimliche Kaiser Phantastik und Wirklichkeit geistvoll in- Klarheit. ö kann kein Zufall gewesen sein, daß ich da mals, als ich aus dem Försterhauö ins Dorf zurückging, am Rande deö Kiefernwaldes dem Freiherr» von Malchin begegnete. Es war früh am Vormittag, er hatte gejagt und zwei Birk hühner und einen Habicht geschossen, aber schon da mals hatte ich den ganz bestimmten Eindruck, daß er nicht weit von der Stelle, wo der Fußweg den Wald verläßt, auf mich gewartet hatte. Ich weiß heute, worum eö ihm ging: Je mehr sich seine Untersuchungen ihrem Abschluß näherten, desto stärker wurde in ihm der Drang, sich mitzuteilen. Es gibt ein seelisches Gleichgewicht, das gefährdet wird, wenn man sich selbst zum Schweigen ver urteilt. Der Baron mußte sprechen. Ein Jahr hindurch hatte er sein Geheimnis mit Bibiche geteilt, die seine Mitarbeiterin war, über manches mochte er in früheren Zeiten wohl auch mit dem Pfarrer gesprochen haben. Der Pfarrer hatte ihn enttäuscht. Der Baron fand bei dem alten Mann einen stillen Widerstand, den er nicht zu überwinden vermochte. Er suchte einen Menschen, vor dessen Augen er das gewaltige Gebäude seiner Pläne und Gedanken von neuem erstehen lassen konnte. Zu mir, dem Sohn seines verstorbenen Freundes, hatte er vom ersten Tag an Vertrauen gefaßt. Ich trat aus dem Wald und stand unter einem klaren, blaßblauen Himmel. Die Eisnadeln auf den Zweigen der Kiefern flimmerten im Licht einer bleichen Sonne. Vom Dorf her, dessen roten viereckigen Kirchturm man noch nicht sah, kam verlorenes Hundegebell. Der Baron erblickte mich und kam mit dem Jagdgewehr in der Hand über die Moorwiesen aus mich zu. „Guten Morgen, Doktor!" begrüßte er mich. „Gehen Sie hier nicht weiter, Sie werden gleich bis zu den Knien im Schnee stecken. Kommen Sie, ich führe Sie einen besseren Weg." Er sprach zuerst von seinen Gästen, die am Tag zuvor abgereist waren — ich hatte sie nur einmal flüchtig zu Gesicht bekommen —, und dann von der Jagd. Eine Zeitlang war nur von Kurzhaarrüden und Pirschgängen, vom Rehbock und vom schottischen Moorhuhn die Rede. Ich weiß nicht mehr recht, wieso wir dann aus das Gebiet der Politik gerieten. Der Freiherr von Malchin bekannte sich als Anhänger der Monarchie und als Verfechter der Legitimität, die er als Bindung an einen höheren Willen definierte. Die Vorsehung — erklärte er — sei in der Vererbung wirksamer als im Wil len des Volkes, — wenn eö so etwas wie den Willen des Volkes überhaupt gäbe, was man ihm, dem Baron, erst beweisen müßte. Die Mon archie bedurfte für ihn keiner soziologischen Recht fertigung aus unserer oder aus irgend einer Zeit. Sie war nicht zeitgebunden, sie war für ihn auch nicht etwa die bessere StaatSform, sondern ein fach die einzig berechtigte. Der Glaube an sie war ein Bestandteil seiner Religion.