Das waren Anschauungen, die sich vertreten ließen und die mich, da sie aus dem Mund eines Landedelmannes kamen, auch nicht sonderlich überraschten. Dann aber sagte er leichthin, als wäre es etwas Selbftverftändlicheö und mir längst Bekanntes: „Wenn Deutschland, wenn Europa eine Zu kunft hat, so ist sie verknüpft mit dem Kaisertum von Gottes Gnaden und mit der Wiederkehr des Römischen Reiches Deutscher Nation." „Was sagen Sie da?" ries ich ganz verblüfft. „Sie träumen von einer Wiederaufrichtung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation? War es nicht Jahrhunderte hindurch das Gespött der Welt?" Er gab das zu. „Jawohl, Jahrhunderte hindurch oder, um es bester auszudrücken, unter der Herrschaft des Hauses Habsburg war es das Gespött der Welt. Es hatte unter der Herrschaft dieses Hauses sei nen Sinn, seinen Inhalt, seine Kraft verloren. Es kann nur wiederkebrcn unter einer Dynastie, die die Vorsehung berufen und die Geschichte ge heiligt hat."- Er blieb stehen und horchte auf den heiseren Schrei eines Nußbäherö, der von fernher aus dem Wald kam. Und dann fulw er fort, leise, als spräche er zu sich und nicht zu mir: „Das alte Reich voll Traum und Lied, - baden Sie vergessen, daß es unter den Staufern das Herz der Welt war? Die Staufer waren nicht Könige von der Fürsten Gnade." „Nein", sagte ich, indes wir weitergingen. „Aber die Staufer sind tot. Ihr Geschlecht, das einzige wahrhaft kaiserliche, das die Welt seit den Tagen des Augustus gesehen hat, ist erloschen." „Das Geschlecht der Staufer ist nicht er loschen", sagte der Baron nach kurzem Schwei gen. „Es lebt und eines Tages wird es, seiner Bestimmung gemäß, nach der Krone und dem Mantel greifen, auch wenn man diese heiligen Insignien inzwischen nach Amerika verschachert haben sollte." Ich sah ihn an. Sein Gesicht zeigte wieder den leidenschaftlichen und fanatischen Ausdruck, den ich an ihm kannte. Es konnte gefährlich sein, seht mit ihm anzubinden. Dennoch sagte ich: „Jetzt frage ick Sie, Baron: Wohin verirren 19 sich Ihre Gedanken? Es mag irgendwo in Eng land noch einen Tudor geben. Aber das Geschlecht der Staufer ist vor mehr als sechshundert Jahren untcrgegangen in einem Meer von Blut und Tränen. — ,Jubeln sollen die Himmel', — ver kündete der Papst, — frohlocken soll die Erde, daß ausgerottet ist Name und Leib, Samen und Sproß des Königs von Babylon.' Der König von Babylon, das war Friedrich II., der Sohn Heinrichs und der Konstanze, der letzte Staufer, der die Kaiserkrone trug." „Friedrich II.", wiederholte der Baron, „den man das Staunen der Welt und ihren wunder baren Verwandler nannte. Um seinetwillen ver ließ Konstanze das geliebte Kloster. Ein Traum hatte ihr verkündet, daß sie ,den feurigen Brand, die Leuchte der Welt, den Spiegel ohne Sprung' gebären werde. Die Fürsten des Erdenrunds beugten sich vor ihm. Als er starb, da war der Welt die Sonne untergegangen, — sagt der Chronist, und das Volk entrückte ihn in den Kyffhäuser. Er hatte fünf Söhne." „Ja. Fünf Söhne. Heinrich, der Sohn der Isabella von England, starb mit fünfzehn Jah ren. Der andere Heinrich, der Sohn der Prin zessin von Aragon, endete durch Selbstmord." „Heinrich, der das Reich verriet", sagte der Baron, „der Knabe mit den dunklen Locken, der in seinem Kerker morgens sang und abends weinte. Er sprang von der Mauer des Kerkere ins Meer." „Der dritte Sohn", fuhr ich fort, „Konrad, der römische König, starb mit sechsundzwanzig Jahren an der Pest." Der Baron schüttelte den Kopf. „Er starb durch Gift und nicht an der Pest. In seinen letzten Stunden sah er die Zukunft. — ,Das Reich welkt dahin' — sagte er — ,und wird versinken in des Todes Vergessenheit.' — Welch eine Prophezeiung!" Wir gingen über ein Stoppelfeld, die starr ge frorenen Halme klirrten wie Glas unter unseren Füßen. Irgend ein großer Vogel stieg steil vor uns auf, mit breiten Flügelschlägen verschwand er über dem verschneiten Wald. „Des Kaisers vierter Sohn", unterbrach ich das Schweigen, „war Manfred. In der Schlacht bei Benevcnt fand er den Tod."