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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.09.1933
- Strukturtyp
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- 1933-09-05
- Erscheinungsdatum
- 05.09.1933
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- Deutsch
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25 sollte cs fehlen, an ihm schon gar nicht! In dieser Absicht wird er jetzt beeinträchtigt, weil er einfach den Blick von ihr nicht losbringt! Mit verkrampf ter Miene sitzt sie da und bittet um nichts als ein Glas Wasser, sic möchte ein Pulver schlucken. Es ist das „Notsall"-Pulver, von dem sie heute schon mehr als erlaubt genommen hat. Das aber leugnet sic natürlich, als er sie fragt, ob eö heute das erste Pulver sei? Selbstverständlich das erste! Schnell einen Schluck Master! So! Unten ist'e, und jetzt soll es wirken! Offen gestanden, sie fürchtet, dasi es nicht wirken werde, doch darin täuscht sie sich. Vielmehr wirkt es wunderbar, wirkt bester als je. Keine fünf Minuten dauert es, als sic sich köstlich erleichtert fühlt, so leicht und gut, wie schon seit langem nicht. Selbstverständ lich will sic essen, was für eine Frage! Da hat er ihr die Speisekarte gereicht, „was schaust mich denn so an, Tonerl! Was suchst denn du dir aus?" Und unwillkürlich sieht sie auf die Speisen- Namen, die ganz oben und ganz unten genannt sind, das sind jene, die weniger als 8 2. - kosten. Dahin aber, ganz oben und ganz unten, hat man in einer Speisekarte zu schauen, und auf die Frage, ob man etwas Teureres will, zu antwor te«: „Was fällt dir ein! Das est' ich doch gar nicht gern!" oder: „Ich habe eigentlich gar kei nen rechten Appetit!" — das ist das unabänder liche Herkommen im Restaurant. Heute aber läßt er die Ausrede nicht gelten und bestellt: zweimal Forelle blau mit Butter, und nachher Backhuhn mit Salat und Kompott, und dann — noch et was?! Nein, das duldet sie nicht, das ist ja viel zu viel! Doch durchaus läßt er sich nichts drein reden, sondern bestellt ein Gericht, das „Crepe Suzette" heisit, ja, er wünscht sogar, dasi „ein Löffel Likör" dazugegeben werde — wo hatte der Mann auf einmal die kulinarischen Kenntnisse her? Wir wollen nicht aus der Schule schwatzen, es ist ja zuletzt einerlei, welches Aktenzeichen der süsie fremdländische Speisename an der Stirn trägt und dasi die süsie Speise dem Besteller, der sie nie genossen und keine Vorstellung von ihr hat, als der Inbegriff einer Separee-Delikateste erschien. Auch Wein wird gefordert und gebracht, allerdings ein offener, doch hierin weiß der un geübte Besteller einigermaßen Bescheid, „den kannst du trinken!" sagt er, nachdem er einge schenkt und von dem Wein versucht hat, „der wird dir gut tun!" Auch dies wollen wir dahin gestellt sein lasten, ob diese Behauptung zutrifft, eS hat ja, auch das, zuletzt keine Bedeutung. Jedenfalls kostet Frau Pauline langsam von dem trinkbaren Wein, der ihr gut tun wird, während er in schnellen Schlucken davon genießt, und ihm tut das wirklich gut! Lange nicht mehr so schwarz ist ihm vor Augen, sondern alles steht wieder ge rade und hat ein Gesicht. Kein so drohendes wie vorher! PaulineS liebes Gesicht, es sieht jetzt röter und gesünder aus, findet er, prosit! Das gefüllte GlaS hebt er ihr entgegen, und sie ftösit mit dem ihren daran, sie trinken, es tut ihnen gut. Die Forellen sind noch nicht da, daher hat er schön Zeit, bei Tische zu sitzen und ihr zuzutrinken und dabei etwas zu spüren, das ihn erwärmt — oder ist es nur der Auguftabcnd mitsamt dem Wein? Die Wärme, die er fühlt, nimmt so von ihm Be sitz, dasi sie ihm die alltägliche Sprödigkeit aus taut und seine Scheu schmelzt und etwas in ihm freimacht, das der Frau an seiner Seite gilt. Der kurzsichtige Blick, womit er sie anschaut, ist voll davon, sein „Trink noch!" oder „Sitzt du gut?" oder: „Hoffentlich schmeckt'S dir!" klingt davon, sollen wir'ö beim Namen nennen? Er ist ja ein Freund der Genauigkeit, der Mann, der da zu Tische sitzt und die neue Wärme spürt, sie heisit: LiebeS-Tun-Wollen. Liebes will er ihr tun, Jesus Maria, was könnte er ihr tun, das ihr hülfe oder das ihr wenigstens Freude bereitete, so viel Freude wie nur möglich! Alles würde er tun, alles! Ihm ging's um ein ungeheures Mitleid. Er hat ja gar nicht geahnt, wie leid einem ein Mensch tun kann! Jetzt sieht er das. Man möchte so einen Menschen nehmen und ihm abbittcn und ihm ver sprechen und ihm das Versprochene halten, — eö ist ja unsäglich, so einem Menschen zuzuschauen, wie er das Glas hebt und den Teller rückt, auf dem eine feine Speise liegen wird, warum hat man sie so wenig Feines kosten lasten, im ganzen Leben! Sie hat ja keine Zeit mehr! Und hat man nicht immer gedacht und gesagt: Es ist Zeit, warte mit den guten Sachen, heb' sie dir zum Schluß auf? Elender Betrug! Nun ist der Schluß da, und die guten Sachen hat sie nicht gehabt. Das schwarze schwindelnde Mitleid von vorbin ist eS nicht mehr, nicht das Mitleid, das die Maße
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