Ernst Lothar: Das letzte Abendmahl 27 seinem Plan, da sitzen sie wie die Separee-Herr schaften und lasten es sich Wohlsein. Speisen wer den vor sie hingestellt, saperlott, was wird denn das alles kosten! Keine Angst, kümmere dich nicht. Was es kostet, kostet eö, es kostet immer noch zu wenig dafür, daß du wieder so schön lachst! Des Lachens selber nicht gewohnt, lächelt Haushofer, die Oberzähne zeigend. In vino verirr! muß er denken, obwohl das gar keinen Zusammenhang hat, als eben den, daß Wein getrunken wird. Trotzdem hat es einen Zusammenhang! In vino veiit38. Bis zu diesem Augenblick hielt er sich von Bedrängnis immer noch nicht ganz frei. Jetzt ist er frei. In vino veritL8. Unglaublich, daß ich das habe vergessen können! denkt er aufgeregt. Ich bin ja auch dabei. Und er meint damit, daß er dabei sein wird, wenn — nach erledigten guten Tagen — Frau Pauline so ein Glas wie das dort leeren wird, da wird er auch dabei sein. Und mittrinkcn. Das ist ein prachtvoller Trost! Das ist aber auch eine Vergeltung für die Versäum niste, die er sich vorzuwerfen hat, stimmt, da gibt'ö nichts. Mittrinken wird er, prosit! Jetzt erst schmeckt's ihm. Sie lacht und spürt in ihrer sanf ten lachenden Betäubung die Wärme. Der Wein tut ihr gut. Siehst du, Hab' ich'e dir nicht gleich gesagt, daß er dir gut tun wird? Mit Liebe schauen sie einander an. Das ist, spürt er, der Moment! In vino veiitL8. Jetzt ist's schön, morgen aber soll's noch viel, viel schö ner sein! So schön soll sie's haben, wie'ö noch nie jemand gehabt hat! Und dann tut er etwas, besten Unerhörtheit nur ermessen kann, wer die Haltung dieses Mannes im grauen Anzug genau kennt, seine Mißbilligungen, seine Leitsätze; er sieht (ob wohl der Kellner nahe ist) von seinem Stuhl auf, geht zu seiner Frau hinüber und küßt sie. Auf die Lippen. Zweimal. Und er sagt, während er sie küßt, und obwohl der Kellner nahe ist: „Linerl. Ich Hab' dich lieb. Riesig. Ich dank' dir schön für alles!", und dann geht er schnell wieder und setzt sich hin und zwängt vor Scham die Zungenspitze durch die Oberzähne. Sie aber, Frau Pauline, kennt ihn genau. So ermißt sie, was das für ihn gewesen ist: das Schwerste. Und hätte sie nicht so gern gelacht und wäre sie nicht so im Lachen ge wesen, so hätte sie am liebsten geweint über die Freude, die er ihr da bereitete! Sie lacht aber lieber, weil'S ihr so prachtvoll geht, schöner kann cS nicht werden! Er dagegen sitzt da, schaut schnell den Kellner an, ob der etwas gemerkt hat, und denkt angestrengt nach, was er ihr für Mon tag und übermorgen (und vielleicht auch noch für Mittwoch) „spendieren" soll, damit es schöner werde. Immer schöner! So schön, wie es noch nie jemand gehabt hat! Prosit. Zwei Rundfragen an den Leser Welche Tcxtprobe dieser Büchervorschau erweckt am meisten in Ihnen den Wunsch, das ganze Werk kennen zu lernen und eS zu besitzen, und warum? Welche <cxtprobe scheint Ihnen am bezeichnendsten für das Gcsamtschafscn des Verfassers, und warum? Senden Sic Ihre Antwort, außen mit dem Kennwort „Rundfragen" versehen, an Ihren Buch händler bzw. an den Paul Zsolnay Verlag, Berlin VV Z5, Potsdamerstraße 122, oder Wien, IV., Prinz Eugcnftraße ZO. Für die 70 besten Antworten setzen wir je ein gebundenes Eremplar der hier vorangezeigten Werke nach Erscheinen als Preis fest. Wir bitten den Buchhandel, die bei ihm eingehenden Antworten nach Kenntnisnahme uns zugehcn zu lasten.