Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.11.1933
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1933-11-14
- Erscheinungsdatum
- 14.11.1933
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19331114
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193311146
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19331114
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1933
- Monat1933-11
- Tag1933-11-14
- Monat1933-11
- Jahr1933
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
285, 14. November 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. DtschnBuchhanbel. der Buchhändler sehr rasch unter dem Eindruck, zunächst: nur das, was die literarische Linkspresse empfiehlt, »geht«, und als bald: alles, was die Linkspresse empfiehlt, »geht«. Auch der Buchhändler wollte nicht rückständig sein, er hatte zudem in allen Nachkriegsjahren drückende Sorgen. Ist es ein Wunder, daß er schließlich der Suggestion des Schlagers verfiel, durch den sich ihm gute Geschäftserfolge versprachen? Mechanismus und Schlagcrwahnsinn. Die Mehrzahl der Buchhändler war konservativ und natio nal, den meisten mag die damals einsetzende Entwicklung Herzens pein gemacht haben. Aber was blieb ihnen übrig? Das Zusam- menspicl wirkte: die Presse empfahl; die Kunden verlangten. Das Geschäft ging schlecht; nach anderen, besseren Werten war die Nachfrage gering. Rückständig durste man beileibe nicht sein. Das Spiel, das getrieben wurde, erkannte man damals so wenig wie es die Kunden erkannten, bzw. man durste und wollte es nicht er kennen. Außerdem hätte ja jedes andere Verhalten vermeint- l i ch den Ruin des Geschäftes bedeutet. Also, »her mit dem Schla ger«! »Wie gut«, daß es eine »Literarische Welt» gab, die einen in geistreicher Weise auf dem laufenden hielt! »Wie gut«, daß die Frankfurter Zeitung einem jede Woche ihr »vorzügliches« Lite raturblatt ins Haus sandte. In diesem konnte man lesen, was demnächst von den Kunden verlangt werden würde. Ja, häufig reichte es schon nicht mehr, diese Bücher zu bestellen, denn gleich zeitig mit dem Blatt waren auch die Kunden schon da. Als es so weit war, tauchte als nächste Errungenschaft, die nun den Sieg des Literatentums auf der ganzen Linie bringen mußte, das System des »bostssllor« auf, nach amerikanischem Muster! Früher hatte der Buchhändler seinen Stolz darin ge sehen, ein großes und reichhaltiges Lager zu haben. Gute Bücher haben Daucrwert, man zeigte sie immer wieder und verkaufte sie regelmäßig. Und auch die Neuerscheinungen wollte eine Buch handlung, die etwas auf sich hielt, möglichst vollzählig bei der Hand haben, um nach eigenem Urteil arbeiten zu können. Fortan durfte das nicht mehr sein. Zum Trumpf wurde nun das »Neueste», und vom »Neuesten» unterstützte jene Presse selbstver ständlich auch nur das, was von den eigenen Prominenten kam, die überdies allerorten von sich reden machten (Akademie!). Die Propaganda der Frankfurter Zeitung und Konsorten, ganz besonders aber die alte »Literarische Welt« setzte ein, andere wirkten in völliger Ahnungslosigkeit mit: Hör zu, Buchhändler! Es wird der Ruin deines Geschäftes sein, wenn du die alte, bewährte Art weiter pflegst. Weg mit deinem bisherigen Stolz, dem reich haltigen Lager! Weg überhaupt mit deinem Stolz und deinem Verantwortungsbewußtsein! Rascher Umschlag ist das Gebot der Stunde, und wir diktieren die Gangbarkeit, — nicht du. Gang barkeit aber ist alles. Hast du nicht gesehen, daß schon jetzt, und von Monat zu Monat mehr, immer nur einzelne Bücher es sind, die dein Geschäft machen? Dahin geht die Entwicklung, in dieser Richtung liegt dein Glück. Sei fortschrittlich! Spüre rechtzeitig, was die nächsten »Schlager der Saison- sein werden. Beschränke dich ausschließlich auf sie. Besser von fünf Büchern — man häm merte sie ihm selbstverständlich gleichzeitig ein — je hundert Ver kaufs, als von hundert Büchern je fünf. Deine Arbeit vereinfacht sich, die Verleger werden dir besseren Rabatt geben. Dein Prosit wird größer. Fünf »destsellor« und dein Geschäft blüht, das Weihnachtsgeschäft ist gemacht! Und so geschah es. Die »Literarische Welt« des Juden Haas ließ sich monatlich von den größten Buchhandlungen ihre »best- seller« melden. Die wurden bekanntgegeben, damit die kleinen sich danach richteten. — Das war der Sieg des Literatentums auf der ganzen Linie; des Literatentums — d. h. derjenigen, die der Form nach Dichterisches, dem Gehalt nach Seelenloses oder Lebensfeindliches boten, also niemals Kunst, sondern — Artistik. (Womit kein Wort gesagt sein soll gegen verdientes Schriftstellertum.) — Literatenwerke, Eintagsfliegen also be herrschten von nun an den Markt. Der Buchhändler aber blieb von da ab immer wieder aus das Aller neueste angewiesen, weil diese Schlager alle von kurzer Lebensdauer waren. So stand er unter vollendeter, fortdauernder, schmählicher, geistiger Dik tatur. Er war entmündigt. 886 In derselben Zeit liegen, nicht zufälligerweise, die Erfolge der Buchgemeinschaften, die ja in gleicher Weise uniformierend wirkten. In seinem geschilderten Arbeitsverfahren hatte der Buch händler ihnen nichts Wirkungsvolles entgegenzusetzen. Durch ge sündere Arbeitsweise hätte es ihm gelingen können, sie in unge fährlicheren Grenzen zu halten. Man darf bei diesen trüben Feststellungen aber eines unter keinen Umständen vergessen: Die Leistungen dieser Litcraturdikta- torcn hatten, trotz allem, geistig und artistisch tatsächlich ihr »Niveau«. Auch die mithelscnde Presse machte es sich n i ch t leicht. Vielmehr wurde auf dieser ganzen Front mit einem auch sür unsere zukünftige Arbeit vorbildlichen Fleiß, mit absoluter Hingabe an die Sache, mit Raffinement, ja teilweise sogar mit uneigen nütziger -Opferbereitschaft gearbeitet. Allerdings konnte man damit rechnen, daß jedes Opfer seine reichen Früchte tragen mußte. Die Zersehungs- und Verfallserscheinungen, die auf allen Ge bieten des Lebens sichtbar wurden, zeigen aufs deutlichste, in welch unermeßlich, ja unheimlich starker Weise das Leben beeinflußt werden kann durch die Wirkungen, die vom Schrifttum auszu gehen vermögen. Nichts darf in Zukunft unterlassen werden, was geschehen kann, damit niemals wieder derartig verhängnisvolle Wirkungen möglich sind, damit niemals wieder volksechte, lebens notwendige Dichtung durch volksfremdes, lebensfeindliches Lite- ratenwcrk verdrängt werden kann. Geehrte Kollegen, was ist uns im Zusammenhang mit diesem geschilderten System für unsere eigentliche Berufsarbeit noch alles gelehrt worden! Es kam die raffinierte, dem Buch so ganz und gar nicht angemessene Reklame. (Wie beglückend, wenn nun auch sie durch gesetzliche Vorschriften auf ein gerechtfertigtes Maß heruntergezwungen wird.) Und dann --- ja Freund, Geschick lichkeit ist alles. Tricks! Den Blickfang ins Schau fenster, und sei er dem Buche noch so wesensfremd, — die Leere des Schaufensters muß wirken (man brauchte ja auch bloß die paar Schlager auszustellen). Bor allem aber Keep sinilinA! — Alles äußerlich, alles mechanisch, alles — händlerisch! So hatte die Zeit des Mechanismus und des uferlosen Kapi talismus, d. h. der hemmungslosen Beugung des Schwächeren durch den Stärkeren, endlich auch dem Buchhandel ihren Stempel aufgedrückt. Es spricht f ü r ihn, daß er ihren Einwirkungen erst ganz zum Schluß und eigentlich doch nie ganz erlegen ist, — als eben, etwa vom Beginn der Inflationszeit an, die geschäft lichen Grundlagen und alles, was bis dahin als sicher gegolten hatte, zu wanken begannen, als man immer — bezeichnender weise auch in den guten Geschäftsjahren, die man dann hatte — sich unsicher fühlte und von der Not des Buchhandels sprach und deshalb Hilfe suchte und nahm, wie sie sich bot. Aber wielange hat der Buchhandel standgehalten! Leben und wirken doch unter uns sogar jetzt noch zahlreiche von den Männern, den sogenann ten guten alten Buchhändlern, deren allmähliches Verschwinden von allen wahren Freunden des Buches oft und laut bedauert wurde. Es kann also nicht so schwer sein, das.Verschüttete wieder auszugraben, es mit dem Neuen, das uns heute bewegt, zu er füllen und damit — denn darauf kommt es einzig und allein an — der deutschen Seele wieder zum Siege zu verhelfen, nachdem eine falsche und wesenlose Geistigkeit uns gar zu lange beherrscht hatte. Dann werden wir auch diejenige Kategorie von Bücher käufern wieder gewinnen, die immer die verläßlichste Stütze des Buchhändlers sein wird, und die sich kopfschüttelnd auf ihre vor handene Hausbibliothek zurückgezogen hat, weil sie zum Händ ler mit Büchern das Vertrauen verloren hatte. Wir werden neue Schichten hinzugewinnen. Wir dürfen nicht mehr an gewiesen sein aus Käufer, die — dirigiert von der Presse — vom Buchhändler tatsächlich nur verlangen, daß er ihnen seine »Ware über den Ladentisch reiche«, oder auf jene Schicht, die sehr rasch zum beängstigenden Umsatzrückgang des Buchhandels bei trug, als nach glänzenden Jahren ihre wirtschaftliche Lage schlech ter zu werden begann. Gustav Pezold. (Schluß solgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder